Unerhört, was sich die Florian-Geyer-Festspielgemeinschaft im Jubiläumsjahr erlaubt. Ausgerechnet zu Giebelstadts 1200-Jahr-Feier soll das Bauernkriegsdrama um den bekanntesten Sohn der Gemeinde ausfallen, noch dazu im 40. Jahr seit Wiederbegründung der Geyer-Spiele. Stattdessen gibt's "Zobels Zoff" – ein "liederträchtiges Historical", wie es Autor und Regisseur Renier Baaken beschreibt. Ohne Kanonendonner und klirrende Schwerter, ohne Blutvergießen und ohne Hufgetrappel. Die Actionszenen, für die die Geyer-Festspiele in den letzten beiden Jahrzehnten bekannt wurden, finden ihren Höhepunkt diesmal in einer Massenschlägerei zwischen der Zobelschen Leibgarde und der Giebelstadter Hausfrauenarmee.
Schräger Humor und Klamauk
Allzu viel wollen Renier Baaken und der Vorsitzende der Festspielgemeinschaft, Rüdiger Scheer, bei der Vorstellung des Stücks nicht verraten. Nur so viel: Es spielt irgendwann im Mittelalter und erhebt keinerlei Anspruch auf historische Wahrheit. Es geht um den stinkreichen August von Zobel, den es ebenso wenig gab, wie den verarmten Ansgar von Geyerswörth, die aber das Interesse an der schönen Elsbeth in Zwietracht vereint. Eine Boulevard-Komödie voller Klamauk und schrägem Humor. Und, so sagt Baaken: "Es ist ein Stück, in dem die Darsteller ohne ersichtlichen Grund in Gesang ausbrechen."
Also auch das noch, wenngleich sich der Regisseur nicht auf die Sangeskunst seiner Laiendarsteller verlassen will, sondern ausgebildete Sänger damit beauftragt hat, die eigens komponierten Lieder einzusingen. "Wir machen das, was in 95 Prozent aller Fernsehproduktionen passiert, und singen Playback", sagt Renier Baaken und feixt. "Die Lieder sind toll geworden, wir haben uns weggeschmissen, als wir sie zum ersten Mal gehört haben", sagt Rüdiger Scheer. Damit waren dann wohl auch die letzten Zweifel ausgeräumt, ob es Baaken, der Schelm, diesmal nicht doch zu bunt getrieben hat. Vorher habe es einiger Überzeugungsarbeit unter den Mitgliedern des Ensembles bedurft.
Die Idee sei entstanden, als Bürgermeister Helmut Krämer ihn vor zwei Jahren gefragt hat, ob er nicht Lust habe, zum Ortsjubiläum mal ganz was Besonderes zu machen, erzählt Renier Baaken. Der erinnerte sich an seine künstlerischen Wurzeln in der leichten Muse und begann nachzudenken. "Komödie gehört zu meinen Kernkompetenzen, deshalb fühle ich mich sauwohl bei dem Gedanken an das neue Stück." Und: "Giebelstadt hat es verdient, dass auch mal was Lustiges passiert, nicht nur Mord und Totschlag."
Offensichtlich goutieren dies auch die Darsteller. "Es ist eine willkommene Abwechslung, aber auch eine Herausforderung", sagt etwa Melanie Pfeffer, die in den letzten Jahren in der amazonenhaften Rolle der "Schwarzen Hofmännin" als ernste Charakterrolle besetzt war. "Es ist eine völlig neue Situation, andere zum Lachen zu bringen", meint Sandra Leber, wenngleich sie als leichtlebige Mätresse des Fürstbischofs schon in den Vorjahren manchen Lacher auf ihrer Seite hatte.
Bei aller Lausbuben-Manier, die Renier Baaken auch im gereiften Alter pflegt, weiß der Regisseur, vor welche Herausforderung er sich und sein Team gestellt hat. "Ein solches Stück braucht ein irrwitziges Tempo", sagt er, "wir werden proben, bis uns die Ohren qualmen." Es kommt hinzu, dass er nicht, wie bei den meisten Komödien üblich, eine überschaubare Kammerspielbesetzung im Zaum halten muss, sondern einen rund 60-köpfigen Kader. "Wir haben bei den ersten Proben bereits sehr gute Erfahrungen gemacht", sagt er voller Zuversicht.
Vertrauen auf die Fangemeinde
Trotzdem bleibt der Ausritt ins Komische ein Wagnis. Wie wird das Publikum reagieren? Rüdiger Scheer setzt auf die feste Fangemeinde, die sich in den letzten Jahren um die Geyer-Festspiele geschart hat. In dieser Zeit ist der Bruch mit Traditionen für Renier Baaken selbst schon zur Tradition geworden. Er heftete dem alten Stück immer neue Szenen und Effekte an, um das Publikum Jahr für Jahr aufs Neue zu überraschen und ließ die Geyer-Saga am Ende sogar vierteilen, um die Spannung über mehrere Jahre hinweg hoch zu halten.
Dem Ganzen liegt ein gewisses Urvertrauen zugrunde, das sich Baaken seit seinem Debüt 1990 erworben hat. "Ohne dieses Vertrauen hätten wir unsere Mitglieder nie überzeugt", sagt Rüdiger Scheer. Und ohne Florian Geyer wird das kommende Jahr in Giebelstadt sicher nicht enden. Denn bei den übrigen Veranstaltungen, mit denen die Gemeinde ihr Jubiläum feiert, spielt der Ritter und Rebell gewiss ein Rolle. Ein Grund mehr für die Festspielgemeinde, diesmal auf ihre Leitfigur zu verzichten. "Wir wollen uns deshalb ganz bewusst abkoppeln und keinen Bezug zu Geyer schaffen", sagt Scheer.
Der Geyer kommt wieder
Sicher ist, dass es nur eine Trennung auf Zeit sein wird. "Wir wollen den Florian Geyer ja nicht über den Haufen schmeißen", so Rüdiger Scheer. 2021 wird es ihn also wieder geben. Und längst sinniert Renier Baaken darüber, wie er zum 500. Jahrestag des Bauernkriegs im Jahr 2025 sein Publikum und seine Darsteller erneut überraschen kann. Dass er dabei wieder einen großen Coup landen will, daran zweifelt ernsthaft niemand. Und der gelingt mit Sicherheit nicht ohne Geyer.
Premiere für das Stück "Zobels Zoff" ist am Freitag, 17. Juli. An sechs Vorstellungen wird es an den folgenden drei Wochenenden vor der Ruine des Geyer-Schlosses gespielt.