„Der deutschen Zwietracht mitten ins Herz“ – der Treueschwur, mit dem sich Florian Geyer und die Bauern gegen Adel und Klerus verbünden, ist der gleiche geblieben. Doch darüber hinaus ist nicht mehr viel übrig vom Pathos des einstigen Historien-Dramas. Die Uraufführung des ersten Teil der neuen Geyer-Trilogie begeisterte am Premierenabend Zuschauer und Darsteller gleichermaßen.
In den 25 Jahren seines Wirkens in Giebelstadt hat Regisseur Renier Baaken das Stück schon mehrfach bearbeitet, die Dialoge modernisiert, den letzten deutschnationalen Staub, der der Vorlage von Nikolaus Fey noch anhaftete, weggewischt. Erst als dem alten Stoff kaum noch ein neuer Fetzen anzuflicken war, entschlossen sich die Geyer-Festspiele zur Radikalkur.
Baaken schrieb das Stück neu, als Dreiteiler. Auch aus Sicht des Marketings ein genialer Zug. Denn obwohl jede Episode eine in sich geschlossene Geschichte erzählt, muss der Zuschauer doch dreimal kommen, um den ganzen Geyer zu sehen.
Auf 14 Szenen hat Baaken das Stück ausgedehnt. Alles beginnt in Giebelstadt, wo sich Wilhelm von Grumbach (Stefan Ebert) an der Drangsal der Bauern delektiert. Florian Geyer (Christian Grimm) und sein neuer Gefährte Sebastian von Rotenhan (Thorsten Scheele) schreiten ein. Der Grundstein für einen erbitterten Konflikt ist damit gelegt.
Später auf der Festung Marienberg tritt Florian Geyer für Milde mit dem niederen Volk ein. Fürstbischof Konrad von Thüngen (Volker Kleinfeld) will davon nichts hören. Lieber sonnt er sich im Glanz von Macht und Reichtum, die ihm sein Prälat und Steuereintreiber beschert. Geyer lernt Grumbachs Schwester Katharina (Diana Hufnagel) kennen und beginnt, sich für die Adelstochter zu interessieren.
Die Geschichte setzt früher ein, will erklären, wie es zur Spaltung zwischen der Hauptfigur und der dekadenten Obrigkeit kommt. Die Szenen wechseln zwischen den Erzählsträngen. Dem Verständnis dient die neu eingeführte Rolle des Erzählers, die Oliver Steiner mit Bravour meistert, ohne den Spielfluss zu stören.
In Ballenberg vor den Augen des Ochsenwirts Georg Metzler (Michael Hasslauer) demütigt der Prälat derweil die Bauern. Das zynische Kichern, mit dem Andreas Drescher seine Rolle ausfüllt, lässt die Zuschauer lachen und schaudern zugleich. Eine Nonne stellt sich ihm entgegen, und zieht schließlich den Habit aus, als sie sieht, dass kein Einsehen mit der Not des Gottesvolkes herrscht. Die „Schwarze Hofmännin“ (Melanie Pfeffer) ist geboren. Dem Tod entgeht sie nur knapp als Florian Geyer das Seil durchschlägt, mit dem der Grumbach sie an einen Baum geknüpft hat.
Augenfällig sind die vielen szenischen Details, die das Stück prägen. Baaken nutzt dazu die ganze Bühne und macht es dem Zuschauer mitunter nicht einfach, jedem Dialog zu folgen. Es bleibt Raum für witzige Einsprengsel und Figuren, wie die beiden bischöflichen Mätressen, die mit ihrem Gezänk, einem Operetten-Buffo gleich, immer wieder für Lacher sorgen.
Vor allem aber lebt das Spektakel von Action-Szenen. Die Schwertkämpfe sind professionell einstudiert. Pferde jagen im Galopp über die breite Bühne vor der Geyer-Ruine. Ein Ziegenbock ist im Tross der Bauern dabei und Hundedame Lexi, die genüsslich an der abgeschlagenen Hand des Götz von Berlichingen (Leo Reuß) schleckt. Während Truchsess Georg von Waldburg plündernd und brandschatzend durchs Land zieht, formiert sich der Widerstand der Bauern. Mit dem Ruf, Heilbronn von der Pein des Klerus zu befreien, endet das Stück.
Nach dem Schlussapplaus sind Freund und Feind wieder traulich vereint. Festspiel-Vorsitzender Rüdiger Scheer und Regisseur Renier Baaken sind voll des Lobes für ihre mehr als 100 Laiendarsteller. Michael Hasslauer, alias Georg Metzler, ist erleichtert und müde zugleich. Seit April laufen die Proben. In den letzten Tagen vor der Premiere wurde bis in die späte Nacht an den letzten Details gefeilt.
Die „schwarze Hofmännin“ Melanie Pfeffer ist ebenfalls begeistert. Der beste Geyer, den es je gab, sagt sie. Renier Baaken berichtet derweil von Gesprächen mit Zuschauern. „Wir kommen nächstes Jahr wieder, wir wollen wissen, wie es weitergeht“, hätten sie unisono gesagt, erzählt er und fügt schelmisch hinzu: „Das Tolle ist, im Moment bin ich der Einzige, der weiß, wie es weitergeht.“
Das soll sich allerdings schon bald ändern. In der nächsten Woche werden die Darsteller die Inhaltsangabe des zweiten Teils der Trilogie erhalten. Im November gibt es die Rollentexte. Wer allerdings wissen will, die es wirklich zuging im Bauernkrieg von 1525, dem sei mehr denn je ein Blick in die Geschichtsbücher empfohlen.