Die Wiedersehensfreude ist groß, als sich die Darsteller der Giebelstadter Geyer-Festspiele zur ersten Probe vor der Schlossruine treffen. „Ich hatte das Gefühl, ein Großteil der Geyer-Belegschaft hat heute ,Juhu‘ gesagt“, meint Regisseur Renier Baaken. Zwar haben sie sich den Winter über schon ein paar Mal zur Rollenverteilung und zur Leseprobe getroffen. Doch so richtig bricht die Vorfreude auf die neue Spielzeit erst jetzt aus. Bis zur Premiere am 13. Juli liegen 14 arbeitsreiche Wochen vor der Truppe.
14 arbeitsreiche Wochen bis zur Premiere
Renier Baaken hat deshalb nicht viel Zeit zu verlieren. Während die einen noch Erinnerungen aus der Geyer-losen Zeit austauschen, sind die anderen bereits in die erste Szene vertieft. Zwischen Geyer-Gegenspieler Wilhelm von Grumbach (Stefan Ebert) und seinen Gefolgsleuten wirbelt der Regisseur, gestikuliert und zeigt selbst, wie er sich Mimik und Timing vorstellt.
Das Stück ist neu. Das alte Werk, das das Schicksal des Bauernführers Florian Geyer an einem Abend zeigte, hatte Renier Baaken immer wieder verändert und neu inszeniert, bis ihm nichts mehr eingefallen ist, wie er sagt. Deshalb hat er sich in die Geschichte des Bauernkriegs vergraben und einen Mehrteiler geschrieben. Neue Szenen und Personen wurden eingeführt, die das Geschehen facettenreicher erzählen. So trifft Berta von Bruneck, die Schillers „Wilhelm Tell“ entliehen ist, auf der Geyerbühne auf Ludwig von Helfenstein, der literarisch eigentlich in Goethes „Götz von Berlichingen“ zuhause ist.
Trilogie aus vier Teilen
Eine Trilogie war ursprünglich geplant, deren beide erste Teile in den Vorjahren zu sehen waren. Nach der letzten Vorstellung im vergangenen Jahr hatte Baaken aber bereits angekündigt, dass ihm noch Stoff für einen vierten Teil übrig geblieben ist. Das grausame Gemetzel, mit dem Adel und Klerus im Frühsommer 1525 den Aufstand der Bauern beendeten, muss also noch ein Jahr warten. Auch unter Marketing-Gesichtspunkt eine pfiffige Idee: Die Zuschauer müssen jetzt mehrere Jahre hintereinander nach Giebelstadt kommen, damit sich aus den einzelnen, in sich abgeschlossenen Episoden ein großes Ganzes zusammenfügt.
Geyer darf zum dritten Mal überleben
„Das ist toll, ich darf das dritte Jahr in Folge überleben“, freut sich Geyer-Darsteller Christian Grimm. Dafür geht es dem Prälaten von Kloster Schöntal an den Kragen, den der Regisseur als Inbegriff eines korrupten und brutalen Kirchenmanns ins Stück eingeführt hat. „Er wird das Stück nicht überleben“, meint Renier Baaken lakonisch.
Das Schicksal von Geyers Gefährtin Katharina, bisher gespielt von Diana Hufnagel, bleibt ungewiss. Mit einem Mordanschlag auf sie fiel der letzte Vorhang. Ob sie überlebt, blieb offen. Auch in der Besetzungsliste der neuen Spielzeit taucht sie nicht auf. Ein kleine Gemeinheit, mit der Baaken die Spannung bis zur Premiere hoch halten will. Überhaupt nehme die Spannung im dritten Teil noch einmal erheblich zu, meint der Vorsitzende der Festspielgemeinschaft und Helfenstein-Darsteller Rüdiger Scheer.
Der Spaltpilz wuchert unter den Bauern
Während sich im ersten Teil die Bauern zusammenschließen und Erfolge in ihrem Freiheitskampf feiern, kündigt sich schon im zweiten Teil ihr Scheitern an, nachdem die Mächtigen unter Führung von Fürstbischof Conrad von Thüngen (Volker Kleinfeld) immer neue Intrigen gegen die Bauern und ihre adeligen Unterstützer spinnen. Im dritten Teil unter dem Titel „Der Herr des Zorns“ wuchert der Spaltpilz unter den Bauern weiter, und ihrem Anführer Florian Geyer fällt es immer schwerer, sein Heer unter einer gemeinsamen Strategie zu vereinen.
80 Darsteller, davon 50 in Sprechrollen und dazu noch 14 Pferde, packende Stunt-Szenen und jede Menge Pyrotechnik bieten die Festspiele auf, um das Historien-Epos spannend und unterhaltsam in Szene zu setzen. Eine bedeutende Umbesetzung musste Baaken dafür vornehmen. Yvonne Göbel, die bisher die Berta von Bruneck verkörpert hatte, fällt aus. Stattdessen übernimmt Ria Beinhölzl ihre Rolle.
Söldner gesucht
Und auch unter den kleinen Sprechrollen gibt es ein Problem. Ein Söldner hat sich vor wenigen Tagen die Schulter gebrochen und muss noch ersetzt werden. Regieassistentin Sabine Schnurrer sieht dies als gute Gelegenheit für einen Neueinsteiger, sich als Schauspieler zu probieren. Überhaupt sei noch Platz für Statisten, die sich in den kommenden Wochen noch dem Ensemble anschließen wollen. „Für jemanden, der reinschnuppern oder hinter der Bühne mitmachen möchte, haben wir immer Bedarf“, so Sabine Schnurrer.
Statisten mit Frauenüberschuss
Besonders schön wäre es, wenn sich noch ein paar männliche Statisten fänden, sagt Festspiel-Vorsitzender Rüdiger Scheer. Wegen des derzeitigen Frauen-Überschusses. „Der Metzler (Michael Haslauer) hat sich schon beschwert, dass er die Burg von Weinsberg mit lauter Hausfrauen stürmen muss“, scherzt Scheer.
Regisseur Baaken ficht das nicht an. „Mir ist was Nettes eingefallen, um den Frauenüberschuss nutzbringend einzusetzen“, sagt er, „es wird ein ausgesprochenes Frauenpower-Stück.“ Man darf also gespannt sein.