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Würzburg/Ochsenfurt
Zugausfälle, überfüllte Wagen, kaputte Toiletten: Warum Pendler zwischen Würzburg und Treuchtlingen so genervt sind
Viele Bahn-Pendler in der Region leiden unter Chaos auf der Strecke Würzburg-Treuchtlingen. Die Probleme bestätigen die Bayerische Eisenbahngesellschaft und Go-Ahead.
Mit Wagenmaterial des Potsdamer Unternehmens WFL versucht der Bahnbetreiber Go-Ahead Bayern die Probleme auf der Verbindung Würzburg-Treuchtlingen in den Griff zu bekommen. Das Bild entstand am Würzburger Hauptbahnhof.
Foto: Thomas Obermeier | Mit Wagenmaterial des Potsdamer Unternehmens WFL versucht der Bahnbetreiber Go-Ahead Bayern die Probleme auf der Verbindung Würzburg-Treuchtlingen in den Griff zu bekommen. Das Bild entstand am Würzburger Hauptbahnhof.
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 01.08.2023 03:10 Uhr

Schon der Start war holprig: Gleich der erste Zug hatte Verspätung, den der neue Betreiber Go-Ahead am 11. Dezember 2021 auf der Strecke von Würzburg über Ochsenfurt und Marktbreit bis Treuchtlingen einsetzte. Ein schlechtes Omen, für das, was folgen sollte.

Seit Monaten beklagen Pendlerinnen und Pendler auf der Strecke massive Probleme: Verspätungen, ganze Zugausfälle, defekte oder fehlende Toiletten. Und Klimaanlagen in den Waggons waren zumindest zeitweise eher die Ausnahme als die Regel.

Die fehlende Zuverlässigkeit sei das Problem, sagen Fahrgäste. Einmal funktioniere alles, dann plötzlich wieder nicht. Die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG), die für die Organisation des regionalen Schienenverkehrs im Freistaat verantwortlich ist, verspricht, Druck auf den Betreiber Go-Ahead auszuüben, um so für Verbesserungen zu sorgen.

Pendler kritisieren zu viele kurzfristige Zugausfälle und zu kurze Züge

Vor viereinhalb Jahren ist Aljoscha Labeille extra ins 17 Kilometer von Würzburg entfernte Goßmannsdorf gezogen. "Das ist für uns wie ein Stadtteil von Würzburg im Grünen", sagt der 41-Jährige über das 1200-Einwohner-Dorf, das eigentlich zur Stadt Ochsenfurt gehört.

Der Standort-Vorteil ist die sehr gute ÖPNV-Anbindung: Vom Bahnhaltepunkt am Ortsrand Goßmannsdorf braucht die Regionalbahn bis Würzburg-Hauptbahnhof gerade mal 15 Minuten, bis zum Südbahnhof sind es gar nur zwölf Minuten.

Pendelt regelmäßig mit der Bahn nach Würzburg: Aljoscha Labeille, Familienvater aus Goßmannsdorf.
Foto: Indra Anders | Pendelt regelmäßig mit der Bahn nach Würzburg: Aljoscha Labeille, Familienvater aus Goßmannsdorf.

Wenn der Zug wie geplant fährt. "Leider war das in diesem Jahr häufig nicht der Fall", sagt Labeille. Er arbeitet im Grünen-Büro in der Würzburger Innenstadt, die Arbeitszeit dort ist relativ flexibel. Schwieriger sei es für seine Tochter, die in Würzburg zur Schule geht und wegen der Probleme auf der Bahnstrecke "schon die eine oder andere Unterrichtsstunde verpasst hat".

Wenn der Zug von Go-Ahead nicht kommt, müssen Würzburg-Pendler aufs Taxi umsteigen

Auch andere Pendlerinnen und Pendler machen in Gesprächen mit der Redaktion ihrem Ärger Luft. Sie habe heuer schon einige hundert Euro in Taxifahrten investieren müssen, weil sie wegen der Unzuverlässigkeit der Bahn sonst nicht rechtzeitig zu Terminen in Würzburg gekommen wäre, berichtet eine Frau aus Ochsenfurt. Manch einer, der entlang der Strecke wohnt, überlegt, ob es richtig war, das Zweitauto der Familie abzuschaffen.

Komplette Zugausfälle, noch dazu erst kurzfristig in die digitalen Fahrpläne eingepflegt, seien das größte Problem, sagt Labeille. Zuletzt habe sich die Situation hier "etwas verbessert". Aber auch sonst hake es ständig: Gerade zur Rushhour am Morgen und am frühen Abend seien die Züge oftmals "zu kurz" und deshalb schnell überfüllt. Es komme vor, dass Passagiere am Bahnsteig warten müssten. Eltern mit Kinderwagen, Rollstuhlfahrer oder Fahrrad-Nutzer litten besonders.

In den Zügen lasse der Komfort zu wünschen übrig, Toiletten seien defekt und zugesperrt, Klimaanlagen funktionierten nicht.

Bayerische Eisenbahngesellschaft bestätigt Defizite auf der Bahnstrecke rund um Ochsenfurt

Nun könnte man als Beobachter einwenden, jemand wie Labeille, der auch ehrenamtlich als Kreisrat für die Grünen politisch tätig ist, hat womöglich ein parteipolitisches Interesse, in diesen Wahlkampfzeiten die Lage auf der Schiene schlechtzureden. Doch Pustekuchen.

In ihren Antworten auf einen ausführlichen Fragenkatalog dieser Redaktion bestätigt die Bayerische Eisenbahngesellschaft, die dem CSU-geführten Verkehrsministerium untersteht, all die Mängel, all das Chaos, all die Unzulänglichkeiten auf der Bahnstrecke Würzburg-Treuchtlingen.

Bei Go-Ahead müssen auch Verwaltungs-Mitarbeiter als Lokführer einspringen

Demnach sind zwischen Dezember und Mai im Bereich der Strecke RE 80, zu der neben Würzburg-Treuchtlingen auch die weitere Verbindung über Donauwörth und Augsburg bis München gehört, 1099 Züge ausgefallen, zwischen Würzburg und Treuchtlingen 356. Letztere Zahl entspricht laut BEG allein bis Ende Mai 49.922 ausgefallenen Zugkilometern. Die Zugausfallquote bewegt sich zwischen 22,8 Prozent im Dezember und 7,7 Prozent im April. Aktuellere Zahlen liegen nicht vor.

Hauptgründe für die Zugausfälle seien Bauarbeiten (28,2 Prozent), fehlendes Personal (27,5 Prozent) und Probleme bei der Einsatzplanung (27 Prozent). Die Witterung sei nur für 4,4 Prozent der Zugausfälle verantwortlich. 

In ihrem Antwortschreiben an diese Redaktion bestätigt die BEG auch einen Personalmangel bei Go-Ahead – allen voran fehlen offensichtlich Lokführer, die jetzt zeitnah rekrutiert und geschult werden sollen. Go-Ahead selbst räumt auf Nachfrage die recht massiven Probleme ein. Aktuell übernähmen sogar "Kollegen aus der Verwaltung" Lokführer-Dienste, allein 80 Lokführerinnen und Lokführer habe man "für den späteren Einsatz" in Ausbildung.

Subunternehmen fährt zwischen Würzburg und Treuchtlingen mit veralteten Waggons

Keinen Hehl macht die BEG auch aus Qualitätsmängeln. Das eigentlich geforderte Wagen-Material vom Hersteller Siemens stehe nicht ausreichend zur Verfügung. Um hier Abhilfe zu schaffen, setzt Go-Ahead seit Mitte Juni - in Absprache mit der BEG - für zunächst vier Monate einen Subunternehmer ein, die Firma Wedler Franz Logistik (WFL) aus Potsdam. WFL fahre mittlerweile "rund 60 Prozent der Zugleistungen zwischen Treuchtlingen und Würzburg", so Go-Ahead-Sprecher Winfried Karg. 

Das Problem dabei ist, dass das Zugmaterial von WFL eine Qualität habe, "die man eher aus dem Eisenbahnmuseum kennt", sagt Fahrgast Labeille. Nicht mal die Türen öffneten sich automatisch. BEG-Sprecherin Jessica Vanessa Olbrich bestätigt, dass diese Züge über keine Klimaanlagen verfügen und auch nur teilweise barrierefrei zugänglich sind. Sie seien aber mit "Klapprampen" ausgestattet, sodass Rollstuhlfahrer zusteigen können - wenn das Zugpersonal mithilft.

Moderne weiß-blaue Züge, ausgestattet unter anderem mit Klimaanlagen und W-Lan, wollte der Anbieter Go-Ahead  auf der Strecke Würzburg-Treuchtlingen einsetzen. Eigentlich.
Foto: Go-Ahead/Winfried Karg | Moderne weiß-blaue Züge, ausgestattet unter anderem mit Klimaanlagen und W-Lan, wollte der Anbieter Go-Ahead  auf der Strecke Würzburg-Treuchtlingen einsetzen. Eigentlich.

Wegen des Einsatzes der WFL-Züge können BEG und Go-Ahead auch nicht das Versprechen einhalten, dass die Züge von Würzburg über Treuchtlingen im Zwei-Stunden-Takt bis Augsburg und München durchfahren - wie es geplant war.

Diese umsteigefreie Verbindung hätte die Strecke spätestens mit Einführung des Deutschland-Tickets auch für Kurzurlauber und Tagestouristen attraktiver gemacht. Leider sei es technisch nicht möglich, die WFL-Züge in Treuchtlingen an Go-Ahead-Züge Richtung München anzukuppeln, sagt Sprecher Karg.

BEG verweist auf Ersatzbusse im Schülerverkehr ab September und mehr Lokführer-Ausbildung

Ganz offensichtlich erfüllt der Betreiber Go-Ahead die vom Freistaat bestellten Fahrleistungen nur zum Teil. Was aber tut die BEG dagegen? Man habe Go-Ahead "mit Nachdruck" aufgefordert, die vertraglichen Pflichten zu erfüllen, heißt es im Antwortschreiben an diese Redaktion.

Sprecherin Olbrich verweist darauf, dass die Beauftragung des Subunternehmens WFL, die Intensivierung der Lokführer-Ausbildung und der Personalrekrutierung bei Go-Ahead sowie die Verpflichtung, ab September im Schülerverkehr für den Notfall Ersatzbusse und Busfahrer vorzuhalten, bereits Folgen dieser Gespräche sind. Laut BEG drohen Go-Ahead auch Vertragsstrafen.

Grüne: Söder soll Bahnchaos zur Chefsache machen

Den unterfränkischen Grünen-Landtagsabgeordneten Kerstin Celina und Patrick Friedl reicht das Vorgehen der BEG nicht. Sie fordern, dass Ministerpräsident Markus Söder (CSU) das Bahnchaos zur Chefsache erklärt und per "Notvergabe" Go-Ahead durch ein anderes Eisenbahnunternehmen ersetzt. 

Aljoscha Labeille gibt jedenfalls nicht auf. Trotz aller Unzulänglichkeiten werde er weiter mit der Bahn von Goßmannsdorf nach Würzburg pendeln, sagt der 41-Jährige. "Das Auto ist für mich keine Alternative."

 
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  • Martin Heberlein
    Niemand wird bei einer Ausschreibung zu etwas "gezwungen": Es gibt einen Leistungskatalog, und eine Firma, die diese Leistungen nicht erbringen kann, sollte sich auch nicht für den Auftrag bewerben.
    Aber unternehmerische Gier steht da im Vordergrund - wie so oft bei diesen unseligen Privatisierungen, die lebensnotwendige öffentliche Infraktruktur durch private "Investoren" ruinierten lässt.
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  • Iris Weiglein
    Ich fahre seit Januar die Strecke von Goßmannsdorf nach Würzburg. Es ist täglich ein Glückspiel fährt der Zug oder wieder mal nicht. Oder da steht man nach Feierabend am Bahnhof und kann nicht mitfahren weil der Zug übervoll (weil kurzer Zug) ist. Zum Haare raufen. Ich habe mir schon angewöhnt erst mal in der APP nachzuschauen ob der Zug wirklich fährt.
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  • Rainer Gaiß
    Die privaten Betreiber werden bei der Ausschreibung gezwungen, innerhalb kürzester Zeit neues Wagenmaterial zu beschaffen. Dieses Material muss dann, wie Bananen, beim Kunden reifen. Wird dann ein Hersteller gewählt, der auch da, wie beim ICE, aber auch bei Windrädern, seine "herausragende" Qualität unter Beweis stellt, dann ist das Chaos vorprogrammiert.
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  • Steffen Cyran
    Das sind ja beste Voraussetzungen um Pendler etc. zum Umstieg von Auto auf die Bahn zu ermuntern.
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  • Dominik Temming
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  • Harry Amend
    Es ist leider wie überall, ob es die BEG oder auch die APG mit ihren Bussen sind. Beide stehen synonym für alle anderen Betreiber die Ausschreibungen in Deutschland betreiben. Sie wollen mit mit wenig bis gar kein Geld viel haben und das kann nicht funktionieren. Das System der Ausschreibungen ist so wie es derzeit widerlich und müsste dringend geändert werden. Für mich sind diese Ausschreibungen nichts weiter wie moderne Sklaverei.
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  • Florian Stenger
    Privatisierung lässt grüßen.

    Die Bahn gehört wieder wie vor 1993 komplett mit allem in Staatliche Hände.
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  • Martin Heberlein
    Ja! England versucht gerade, seine Bahn zurückzukaufen, weil seit der Privatisierung die Züge auffällig oft aus den Gleisen kippen...
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  • Helga Scherendorn
    Meine Meinung: Wenn es billig sein soll, kann es nichts taugen! Für wenig Geld viel verlangen ist Träumerei
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  • Rita Wiesner
    Leider wohl wieder nicht Korrektur gelesen...

    Und Klimaanlagen in den Waggons waren zumindest zeitweise eher die Regel als die Ausnahme.

    Das wäre schön...
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  • Alfred Holler
    Das Problem ist bzw. war doch nicht die Privatisierung als solche, die nebenbei bemerkt damals ALLE im BT vertretenen PARTEIEN (ich betone noch einmal: ALLE) beklatschten, sondern die Tatsache, dass man da eine AG ohne jegliche staatliche Einfluss- und Eingriffsmöglichkeit im Sinne der Daseinsvorsorge von der Leine ließ.
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  • Alfred Holler
    Entschuldigung, gehört nach unten - als Antwort an H. Stenger
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  • Daniel Stahl
    Liebe Frau Wiesner,

    Danke für Ihren Hinweis. Es muss selbstverständlich heißen "eher die Ausnahme als die Regel". Das ist mir beim Korrekturlesen nicht aufgefallen. Ich habe es jetzt aber geändert.

    Freundliche Grüße
    Daniel Stahl vom Themenmanagement
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  • Alfred Holler
    GoAhead per Notvorgabe durch ein anderes Unternehmen ersetzen, meint Frau Celina als Problemlösung beitragen zu müssen. Und diese anderen Unternehmen stehen Gewehr bei Fuß und warten nur darauf, einspringen zu dürfen, nachdem sie bei der Vergabe der Leistungen vmtl. nicht zum Zuge kamen?
    Ich kann mi nicht vorstellen, dass diese sich jetzt darum reißen, als Notnagel einzuspringen, selbst wenn sie kurzfristig entspr. Recourcen frei hätten.
    Eine Luftnummer, dieser Vorschlag.
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  • Dominik Temming
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  • Dominik Temming
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