Nach 39 Jahren geht Ende des Jahres eine Ära zu Ende. Im März verkündete das Ehepaar Repiscus, dass es das Theater Bockshorn im Kulturspeicher, das zu den wichtigsten Kabarettbühnen in Süddeutschland gehört, aus Altersgründen aufgeben wird. In einer Ausschreibung der Stadt sollten Interessierte konkrete Nutzungskonzepte als Nachfolger vorlegen. Gerüchten zufolge, die seit einiger Zeit in Würzburg kursieren, soll ein Nachfolger bereits gefunden sein: das Theater Chambinzky. Über eine sichere Nachfolge wurde jedoch bislang nur spekuliert.
Eine Mail, die die Stadt an die Bewerberinnen und Bewerber schickte und die auch dieser Redaktion vorliegt, wird nun deutlicher. Darin heißt es, dass der Ferienausschuss des Stadtrates in nichtöffentlicher Sitzung entschieden habe, "aus kulturpolitischen Gründen" priorisiert mit dem Chambinzky e.V. über die Vermietung der Bockshorn-Räume zu verhandeln und gegebenenfalls einen Mietvertrag abzuschließen. "Dem Theater wurden die bisherigen Räumlichkeiten in der Valentin-Becker-Straße zum Jahreswechsel gekündigt. Da derzeit keine anderen Räume zur Verfügung stehen, sind die Räume des Bockshorn Theaters eine Existenzgrundlage, welche die Stadt dem Chambinzky e.V. anbieten kann", so die Mail.
Nun möchte eine Petition die Übernahme durch das Theater Chambinzky verhindern. "Familie Repiscus hätte einen Nachfolger, der die Bühne in ihrem Sinne weiterbetreiben würde. Allerdings will die Stadt Würzburg die Räume zukünftig lieber an ein Theater vermieten. Damit gibt es zukünftig keine professionelle Kabarettbühne mehr im Raum Würzburg", steht in der Beschreibung. Hinter der Petition steckt die Bergtheimerin Kerstin Stark.
Mathias Repiscus kritisiert den Umgang der Stadt als "große Sauerei"
"Wir dachten uns, wir treten schon was los, bevor es zu spät ist. Wir sind Stammgäste im Bockshorn und gehen so gerne hin. Es wäre so schade, wenn es keine Kabarettbühne mehr geben würde", erklärt sie die Hintergründe, warum sie die Petition ins Leben gerufen hat. "Das Bockshorn hat ja auch einen Namen. Dort treten etablierte, bekannte Künstler auf, aber auch junge und neue Künstler. Mit dem Newcomer Festival hat Repiscus ja auch einige Künstler groß gemacht."
Die Petition hält Monika Wagner-Repiscus für gut. Das Bockshorn sollte ihrer Meinung nach eine reine Kabarettbühne bleiben, "weil Kabarett wichtig ist, um aufmerksam auf die politischen Missstände in unserer Gesellschaft" zu machen. Kabarett sei ein weiter Begriff. "Wir haben auch unter anderem ausgewählte Musik- und Kleinkunstveranstaltungen. Eine gute Mischung ist auch uns wichtig, aber dass die Stadt Würzburg aus einer professionellen Kabarettbühne eine Theaterbühne machen will, verstehen wir einfach nicht. Es gibt viele kleine private Theater in Würzburg, und das ist auch gut so, aber eine Kabarettbühne gibt es dann eben keine mehr – warum sollte die Stadt auf dieses Renommee verzichten?"
Ihr Ehemann äußert dabei auch Kritik an die Stadt Würzburg: "Die Stadt informiert mich nicht über den Vorgang des Ganzen, darüber bin ich sauer. Ich bin immer noch Kulturpreisträger der Stadt Würzburg und als solcher ist der Umgang mit mir eine große Sauerei", sagt Mathias Repiscus. Für ihn sei die Förderung von Kabarett ein großes Anliegen gewesen, "doch das kommt in dem ganzen Getue, das in der Stadt gerade vor sich geht, gar nicht zum Vorschein."
Kein einziges Konzept hat eine reine Kabarettbühne vorgesehen
Das Ehepaar habe einen Nachfolger vorgeschlagen, der in dessen Augen "die DNA des Bockhorns weitergetragen hätte". Doch dem entgegnet Kulturreferent Achim Könneke im Gespräch mit dieser Redaktion: Alle Konzepte, die nach der Ausschreibung bei der Stadt eingingen, seien Mischkonzepte gewesen.
"Auch ich hätte mir gewünscht, dass dort weiterhin eine Kabarettbühne bleiben kann und dass sich das Ehepaar Repiscus frühzeitiger um einen Generationenwechsel innerhalb des Betriebs gekümmert hätte, dann hätten wir das Problem nicht", erklärt Könneke. Die Stadt sei gezwungen, die wenigen Räume, die es für die Kultur in Würzburg gibt, fair auszuschreiben. "Und dabei war leider kein einziges Konzept, welches das Bockshorn als reine Kabarettbühne weiterbetrieben hätte."
Es habe eine Reihe von Bewerbern gegeben, aber die Auswahlkommission sei sich einig gewesen, dass das Theater Chambinzky auf Platz 1 sitze. "Das Konzept war überzeugend." In die Entscheidung eingeflossen sei zudem, dass die Stadt kulturpolitisch schauen müsse, wie das Chambinzky gerettet werden könne. Doch: "Wenn sich ein Kabarettbetreiber beworben hätte, wäre das Ergebnis bestimmt anders gewesen."
Das Bockshorn ist keine städtische, sondern eine private Bühne
Die Vorwürfe, dass die Stadt das Ehepaar nicht über die Vorgänge und die Zukunft des Bockshorns informieren würde, weist Könneke ab, die Betreiber seien in alle Schritte eingebunden gewesen. Dass die Repiscus' jedoch nichts von der Entscheidung wussten, mit dem Chambinzky in Gespräche zu gehen, schiebt Könneke auf die Ferien. "Das Thema war im Ferienausschuss, als viele Leute im Urlaub waren. Die Ferien sind jetzt gerade mal vorbei." Er sieht das jedoch nicht als großes Versäumnis. Die Entscheidung sei im nichtöffentlichen Teil des Ausschusses gefallen, die Öffentlichkeit sollte erst informiert werde, wenn alles in trockenen Tüchern ist.
Könneke macht klar: Nicht die Stadt habe beschlossen, das Bockshorn aufzugeben, sondern das Ehepaar Repiscus. "Ich finde es seltsam, dass der Stadt nun die Verantwortung zugeschoben wird. Das Bockshorn ist keine städtische, sondern eine private Bühne, die Stadt ist lediglich der Vermieter."
Csaba Béke, Geschäftsführer des Chambinzkys, bestätigt auf Anfrage, dass sich das Theater auf das Bockshorn beworben hat und er gerade mit der Stadt in Vertragsverhandlungen steht. Mehr möchte er zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht dazu sagen. Nur: "Ich habe die Arbeit von Repiscus immer sehr geschätzt."
Auch namhafte Künstler haben die Petition unterschrieben
Dass Würzburg künftig wohl eine Kulturbühne weniger und keine Kabarettbühne mehr haben wird, geht vielen Würzburgerinnen und Würzburgern nahe, das zeigen die über 200 Kommentare unter der Petition. "Das Bockshorn ist eine legendäre Kabarettinstitution und muss es auch unbedingt bleiben", schreibt ein Unterzeichner. "Das Bockshorn ist eines der bedeutendsten Kabaretthäuser Bayerns. Seine Zweckentfremdung wäre ein harter Schlag für die Geschichte der Kleinkunst", kommentiert ein weiterer.
Auch Künstler und Agenturen deutschlandweit seien entsetzt über die Entscheidung, weiß Monika Wagner-Repiscus. Das bestätigt auch ein Blick auf die Petition: Unter den derzeit knapp 650 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern befinden sich auch namhafte Künstler wie Michl Müller oder René Sydow.
Bei Schließung der Posthalle fällt auch nochmals viel Platz für Kulturschaffende weg