Drücken sich manche Gemeinden im Landkreis Würzburg um die Aufnahme von Geflüchteten? Jedenfalls wird deren Unterbringung zu einem immer größeren Problem, und der Blick auf die Landkarte legt den Schluss nahe, dass die Lasten unter den 52 Landkreiskommunen sehr unterschiedlich verteilt sind. In der jüngsten Kreistagssitzung fand der Ochsenfurter Bürgermeister Peter Juks (FW) deutliche Wort für dieses Ungleichgewicht und erntete dafür lauten Applaus vieler Kreisrätinnen und Kreisräte. Landrat Thomas Eberth (CSU) appellierte an die Solidarität der Kommunen. Aber auch andere Lösungsvorschläge kamen in der Sitzung zur Sprache.
Wie viele Geflüchtete leben derzeit im Landkreis Würzburg?
Mit Stand von vergangener Woche leben derzeit 3085 Geflüchtete im Landkreis Würzburg, berichtet Fabian Hollmann, Leiter des Geschäftsbereichs Arbeit und Soziales am Landratsamt. Die Zahl enthält sowohl Asylsuchende als auch anerkannte Asylbewerberinnen und -bewerber sowie Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Deren Zahl könnte sich in den nächsten Wochen deutlich erhöhen.
Ursache dafür ist der Verteilmodus unter den Bundesländern sowie den bayerischen Bezirken nach Einwohnerproporz. Bei der Verteilung auf die Landkreise verfährt die Regierung von Unterfranken ähnlich. Insgesamt erfülle der Landkreis Würzburg derzeit die Aufnahmequote nur zu rund 85 Prozent, so Hollmann. Das entspricht einer Lücke von 560 zusätzlichen Personen.
Wie viele Menschen leben in behördlichen Unterkünften?
Doch wohin, mit den Frauen, Männern und Kindern, die ein Dach über dem Kopf brauchen? Der Großteil von ihnen hat bereits eine eigene Wohnung. Weniger als die Hälfte, nämlich 1362 Personen, sind in behördlichen Unterkünften untergebracht, davon 265 in den vier Gemeinschaftsunterkünften, die die Regierung von Unterfranken im Landkreis Würzburg betreibt, 1097 in den derzeit vier Not- und 47 dezentralen Unterkünften des Landkreises.
Während in den vergangenen Monaten die meisten Bewohnerinnen und Bewohner der Unterkünfte aus der Ukraine stammten, ist deren Anteil inzwischen auf 27 Prozent gesunken. 28 Prozent der Menschen stammen aus Afghanistan, 14 Prozent aus Syrien und 12 Prozent aus Somalia.
Wie hoch ist der Anteil sogenannter Fehlbeleger?
Die Unterbringungssituation ließe sich deutlich entschärfen, wenn die Menschen, die bereits ein Bleiberecht haben, aus den Unterkünften auszögen. 48,5 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner seien sogenannte Fehlbeleger, so Hollmann. Sie dürfen nur deshalb in den Unterkünften bleiben, weil sie keine Wohnung finden und obdachlos würden. In diesem Fall müsste die jeweilige Kommune für ihre Unterbringung sorgen.
"Wohnraum ist im Landkreis Würzburg einfach knapp", konstatiert Landrat Thomas Eberth. Spätestens nach der ersten Flüchtlingswelle ab 2015 sei der Markt an günstigen Wohnungen praktisch leergefegt. "Die Situation heute ist prekärer als 2015", meint Eberth deshalb. Darum hält er auch nichts davon, wieder übergangsweise Turnhallen als Notunterkunft in Beschlag zu nehmen. "Wie soll ich die Turnhallen wieder leer bekommen, wenn ich keine Wohnungen habe?", so Ebert weiter.
Was der Ochsenfurter Bürgermeister von den Landkreiskommunen fordert
Allein in Ochsenfurt leben inzwischen über 400 Geflüchtete, viele von ihnen in einer Gemeinschaftsunterkunft der Regierung an der Tückelhäuser Straße und in der Notunterkunft in der früheren Außenstelle des Landratsamts im Palatium. Bürgermeister Peter Juks fordert mehr Engagement der übrigen Kommunen. "Wir stellen uns gerne der Aufgabe, Flüchtlingen eine Heimat zu geben, aber es kann nicht sein, dass bei der Hälfte der Gemeinden eine Null steht", so Juks. "Es kann mir keiner weismachen, dass da nicht mehr geht." Dabei gehe es auch um kleinere Wohneinheiten mit wenigen Bewohnern. "Die sind auch in kleinen Gemeinden machbar."
Andrea Rothenbucher, CSU-Kreisrätin und Bürgermeisterin in Hettstadt, wo es bisher keine Unterkunft für Geflüchtete gibt, verwahrt sich gegen pauschale Kritik. 2015 habe die Gemeinde ihre Halle zur Verfügung gestellt und diese auch jetzt wieder angeboten. "Wir tun wirklich auch etwas", so Rothenbucher, aber es fehle insgesamt an sozialem Wohnraum.
Warum der Landkreis selbst im Wohnungsbau aktiv werden soll
Stellvertretende Landrätin Christine Haupt-Kreutzer schlägt deshalb vor, dass der Landkreis selbst aktiv in den Wohnungsbau einsteigt. "Wir sollten prüfen, ob der Kreis nicht selbst bauen kann", sagt Haupt-Kreutzer und bringt dabei ein landkreiseigenes Grundstück in Giebelstadt ins Spiel, auf dem bis vor wenigen Jahren der Kreisbauhof ansässig war. "Das Wohnungsproblem wird sich so schnell nicht lösen", so Haupt-Kreutzer weiter. Deshalb lohne es sich, über den Bau einfacher Wohnungen, gegebenenfalls in Modulbauweise, nachzudenken.
In der Tat hat der Zubau neuer Wohnungen im Landkreis Würzburg im vergangenen Jahr merklich nachgelassen. Nach den Zahlen des Statistischen Landesamts wurden 2022 im Landkreis 609 neue Wohnungen fertiggestellt, 2020 waren es noch 874. Per Saldo stieg der Wohnungsbestand im vergangenen Jahr um 343, das ist der geringste Anstieg seit 2014.
Es gibt Ankerzentren. Die wären bestimmt auch erweiterbar. Bei fehlenden Wohnungen müssen die Geflohenen eben länger dort verweilen.
Wer in seinem Heimatland um sein Leben fürchtet, nimmt bestimmt in einem sicheren Land etwas engere Wohnverhältnisse in Kauf.