Hohe Decken, helle Räumlichkeiten, praktisch, aber einladend gestaltet: Das Ochsenfurter Palatium wird zum 1. November seine Pforten als neue Notunterkunft für Geflüchtete im Landkreis Würzburg öffnen. "Wir sind froh, dass wir mit diesem Objekt Platz für insgesamt 75 geflüchtete Menschen schaffen können", sagte Fabian Hollmann, Geschäftsbereichsleiter Arbeit und Soziale Angelegenheiten, bei einem Ortstermin in der Kellereistraße in Ochsenfurt.
Ein bisschen wie ein verwildertes Schlösschen schaut das Palatium – einst Sitz der Herbstherrn des Domkapitels und Zehntkellerei – von außen aus, auch im Inneren stößt das Auge immer wieder auf fast herrschaftliche Details, die an die Entstehungsphase im 13./14. Jahrhundert erinnern.
Die ehemalige Außenstelle des Landratsamtes war bereits Ende 2015 monatelang als dezentrale Notunterkunft für Geflüchtete genutzt worden. Natürlich könne man da von den damaligen Erfahrungen profitieren, so Hollmann. Die ehemaligen Büros ließen sich gut zu kleinen Wohneinheiten zusammenfassen "da kann beispielsweise auch eine kleine Familie gemeinsam in einem Raum untergebracht werden".
Insgesamt vier Wochen habe es gedauert, die Unterkunft einzurichten und aufzurüsten, berichtet Harald Brandt, zuständig für die Betreuung der Notunterkunft. Wegen neuer Brandschutzbestimmungen wurde auch eine weitere Fluchtmöglichkeit geschaffen.
Forderung des Staatsministeriums nach mehr Kapazitäten
Hintergrund der Maßnahmen ist eine Forderung des bayerischen Staatsministeriums des Innern, dringend weitere Unterkunftskapazitäten für neu ankommende Flüchtlinge zu schaffen. "Gerade Kommunalverwaltungen, die ihre Quote nicht erfüllt haben, müssen zeitnah mit Zuweisungen aus der Anker-Einrichtung rechnen", hatte Landrat Thomas Eberth beim Mediengespräch im Würzburger Landratsamt berichtet.
Denn: Das Staatsministerium erwarte ein deutliches Anwachsen der Flüchtlingszahlen im Herbst und Winter 2022 und zwar aus verschiedenen Krisenregionen. Zudem sei die Entwicklung der Flüchtlingszahlen aus der Ukraine weiterhin unvorhersehbar, "so dass es für uns wichtig war, jetzt zu handeln".
Die Aufnahmekapazitäten seien weitgehend erschöpft gewesen, nun sind neben dem Palatium noch drei weitere dezentrale Unterkünfte eingerichtet worden, so in Eßfeld (Giebelstadt) mit 30 Plätzen ab 1. Oktober, in Sommerhausen mit neun Plätzen (ab 15. Oktober) und in Unterpleichfeld (gegebenenfalls ab 1. November). Weitere Unterkünfte seien in Planung, heißt es aus dem Landratsamt.
Die Verteilung der Geflüchteten erfolgt in Bayern nach einem festgelegten Schlüssel auf die Regierungsbezirke und dann weiter auf die Landkreise und kreisfreien Städte. Dies richtet sich im Verhältnis nach der Einwohnerzahl. Demnach müsste der Landkreis Würzburg 12,3 Prozent der in Unterfranken ankommenden Flüchtlinge aufnehmen. Diese Quote erfüllt der Landkreis bislang nicht. So wurde im Mediengespräch deutlich, dass der Landkreis zwar in puncto ukrainische Geflüchtete die Erfüllungsquote sogar übersteigt (106,51 Prozent), ein Minus liegt aber bei den Flüchtlingen aus anderen Ländern vor (71,83 Prozent).
Aufnahmequote noch nicht erfüllt
In Zahlen ausgedrückt, sind es 265 Menschen, die noch aufgenommen werden müssten, berichtete Landrat Eberth. Erfasst sind aktuell 3079 geflüchtete Menschen, davon 2070 Menschen in Verbindung mit dem Krieg in der Ukraine und 1009 aus anderen Krisenregionen, beispielsweise Afghanistan oder Nigeria.
Laut Angaben aus dem Landratsamt sind in den nun 36 dezentralen Unterkünften des Landkreises derzeit 678 Personen untergebracht, dabei ist die Erstanlaufstelle in Rottendorf ausgenommen. Weitere Unterkünfte im Landkreis sind drei Gemeinschaftsunterkünfte der Regierung von Unterfranken in Ochsenfurt, Giebelstadt und Aub.
Dank der Hilfsbereitschaft vieler Menschen aus dem Landkreis konnte eine große Anzahl ukrainischer Geflüchteter zudem in privat zur Verfügung gestelltem Wohnraum oder aber bei Familien unterkommen. Wie Fabian Hollmann berichtet, sei es in den vergangenen Wochen allerdings öfter vorgekommen, dass Geflüchtete aus der privaten Unterbringung in eine dezentrale Unterkunft kamen. Das habe verschiedene Gründe, "einer davon ist die Zeitspanne des Ukraine-Kriegs, denn je länger der Konflikt anhält, umso schwieriger wird es für Privatleute, auf Dauer jemanden bei sich aufzunehmen".
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
Zudem wurden im Landkreis bisher insgesamt 31 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge registriert, die vom Jugendamt betreut werden und zum Teil in Pflegefamilien oder in Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht wurden, wie Michael Schumacher, Geschäftsbereichsleiter Jugend und Familie, beim Mediengespräch mitteilte.
Was Leistungsbezüge der ukrainischen Geflüchteten angeht, zeigt sich, dass von 1927 bei der Ausländerbehörde des Landratsamtes registrierten ukrainischen Bürgern und Bürgerinnen (Stand 7. Oktober) 1333 Grundsicherung nach dem SGB II erhalten, circa 175 erhalten Leistungen aus dem SGB XII (Anmerkung der Redaktion: Hilfe zum Lebensunterhalt) und ein paar weitere aus dem Asylbewerberleistungsgesetz. Der Rest –also etwa ein Viertel der Ukrainer und Ukrainerinnen – bezieht keine Sozialleistungen. Dies, so Fabian Hollmann, sei doch eine beeindruckende Zahl.