Wenn der Begriff „Asylbewerber“ zusammen mit dem Ortsnamen „Ochsenfurt“ fällt, wird genau hingehört. Die Axt-Attacke eines jungen Flüchtlings in einem Regionalzug vor gut einer Woche hat diese Verknüpfung geschaffen – ob sie nun nachvollziehbar ist oder nicht. Denn in Ochsenfurt hatte der Täter eine Zeit lang gelebt. Wohl auch deshalb wurde der Eröffnung der neuen Gemeinschaftsunterkunft (GU) am Freitag erhöhte mediale Aufmerksamkeit zuteil.
Rund 100 Asylbewerber werden voraussichtlich ab Mitte August in das ehemalige Verwaltungsgebäude der Firma Kindermann einziehen. Zusätzlich zu den bereits in der Stadt lebenden 175 teils schon anerkannten Flüchtlingen. Vorbehalte diesen Menschen gegenüber seien der schrecklichen Tat eines Einzelnen zum Trotz in der Stadt aber glücklicherweise nicht spürbar, sagte Bürgermeister Peter Juks. Die Ochsenfurter hätten sich dieser gesellschaftliche Aufgabe bisher immer menschlich orientiert gestellt.
Und auch die neu ankommenden Flüchtlinge würden in der Stadt gern aufgenommen. Von der Aktion eines Einzelnen werde sich die Stadt nicht blenden lassen. „Wir haben eine schwierige Woche hinter uns“, so Juks. „Aber es gab in den vergangenen zwei Jahren immer ein konstruktives Miteinander zwischen allen Beteiligten sowie der Bevölkerung.“ Vor zwei Jahren nämlich begannen die Planungen für die Flüchtlingsunterkunft. Die LYK GbR, bestehend aus den Ochsenfurtern Torsten Leimeister, David Yüksel und Ralph Kleinschrod, hatte das Gebäude erworben und den Erfordernissen an eine Gemeinschaftsunterkunft entsprechend baulich hergerichtet
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Die Regierung von Unterfranken hat das Haus nun von der LYK GbR angemietet und mit Inventar ausgestattet. Die Asylbewerber werden dort in Zwei- und Dreibettzimmern untergebracht. Außerdem stehen einige Appartements für Familien zur Verfügung. Alle können die Gemeinschaftsduschen, WCs und Küchen nutzen.
„Die Menschen kochen hier selbst“, sagte Maria-Antoinette Graber, Sachgebietsleiterin Flüchtlingsbetreuung und -Integration bei der Regierung von Unterfranken. Von den 404 Euro, die ein alleinstehender Asylbewerber im Monat nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekomme, müsse er unter anderem auch seine Verpflegung bestreiten, sagte Graber.
Sie erklärte, weshalb überhaupt noch neue Gemeinschaftsunterkünfte eröffnet würden, wo doch die Anzahl neu ankommender Flüchtlinge zurückgegangen sei. So müsse für die etwa 150 Menschen, die derzeit pro Monat in der Erstaufnahmeeinrichtung in Schweinfurt ankämen, eine Anschlussunterbringung zur Verfügung stehen. Außerdem sollen die noch immer in Notunterkünften lebenden Flüchtlinge diese bald verlassen können.
Auch die rund 50 Menschen, die derzeit noch im Ochsenfurter Palatium untergebracht sind, werden in die neue Unterkunft in der Kindermannstraße umziehen. Es lasse sich zudem nicht vermeiden, dass der eine oder andere „Fehlbeleger“ dort einquartiert würde, sagte Maria-Antoinette Graber. Der dem Behördendeutsch entstammende Begriff bezeichnet anerkannte Flüchtlinge, die sich eigentlich selbst eine Wohnung suchen müssten.
Da dies aber nicht immer auf Anhieb gelingt, werden solche Menschen oft in den Einrichtungen belassen, da sie andernfalls in die Obdachlosigkeit zu geraten drohten.
Zwei Mitarbeiter der Regierung werden werktags als Ansprechpartner in der Unterkunft zur Verfügung stehen. Sie sollen die Alltagsfragen regeln. Einer von ihnen ist Georg Reichenbacher, dem in nächster Zukunft noch ein Kollege zur Seite gestellt werden wird. An diese beiden können sich sowohl die Bewohner wie auch die Sozialberater, Nachbarn und ehrenamtlichen Helfer wenden. Die Sozialberatung übernimmt die Caritas, und die Ehrenamtlichen aus Ochsenfurt wollen in ihrem Engagement auch weiterhin nicht nachlassen.
„Der Helferkreis traut sich diese neue Herausforderung zu“, sagte Maria-Antoinette Graber erfreut. Das Haus soll, so die Sachgebietsleiterin, mehr sein als nur ein Dach über dem Kopf, nämlich der erste dauerhaft Anlaufpunkt im neuen Leben der Flüchtlinge. Deshalb sollte dem Haus auch der kirchliche Segen nicht verwehrt bleiben. Der katholische Pfarrer Oswald Sternagel und sein evangelischer Kollege Friedrich Wagner hielten gemeinsam mit Abdulmesih Yüksel von der syrisch-orthodoxen Kirche die kleine Zeremonie ab, bei der Yüksel sogar auf aramäisch betete.