
Peter hat im Wickenmayerschen Kinderheim in Würzburg Demütigungen, Schläge und sexuellen Missbrauch erlitten. Das war vor rund 60 Jahren. Peter ist nicht sein richtiger Name; er möchte anonym bleiben. Seine Geschichte hat diese Redaktion vor kurzem veröffentlicht.
Peter schilderte nicht nur von seinen traumatischen Erfahrungen. Er erwähnte auch, dass ihm zum einen Hilfe zugesagt wurde von Seiten der Erlöserschwestern. Sie betreuten bis 1996 die Kinder, die vom Jugendamt in diese Einrichtung überwiesen worden sind.
Oberbürgermeister Christian Schuchardt führte Gespräch mit Peter und seinem Bruder
Die Stadt Würzburg habe ihm ebenfalls Unterstützung angeboten. Denn die Wickenmayersche katholische Kinderpflege war damals eine städtische Stiftung. Heute ist sie eine selbstständige örtliche Stiftung des öffentlichen Rechts.
Auf Nachfrage bestätigt das Büro des Oberbürgermeisters, dass Christian Schuchardt im Juni 2023 ein Gespräch mit Peter und seinem ebenfalls betroffenen Bruder geführt hat. Für Schuchardt seien die Schilderungen der traumatischen Erlebnisse der Brüder sehr eindringlich und berührend gewesen; sie würden ihn heute noch bewegen.

"Ich glaube den Opfern. Die Erlebnisse, die Peter und sein Bruder geschildert haben, sind schrecklich", so der Oberbürgermeister. Oberste Aufgabe des Jugendamts sei Kinderschutz. "Wenn Kinder aus ihren Familien genommen werden müssen und zu ihrem eigenen Schutz in Pflegefamilien oder in Kinderheimen unterkommen und dann dort Gewalterfahrungen machen müssen, ist dies eine Tragödie."
Schuchardt fügt hinzu: "Diese Kinder waren der Stadt Würzburg anvertraut. Die Vergangenheit ist nicht wiedergutzumachen. Die Stadt Würzburg trägt aber die moralische Verantwortung gegenüber den Betroffenen und erkennt ihr seelisches und körperliches Leid an."
Stadt Würzburg will Peter beistehen und Beratungsangebote vermitteln
Peter, der in einem Würzburger Stadtteil lebt, möchte näher im Zentrum wohnen. Dieser Wunsch könnte bald in Erfüllung gehen. Das Jugendamt habe für den 70-Jährigen einen Antrag auf einen Wohnberechtigungsschein gestellt und diesen priorisiert an die Stadtbau, das kommunale Wohnungsunternehmen, weitergegeben, informiert Claudia Lother, Pressesprecherin der Stadt Würzburg.
Die Stadt will Peter außerdem Beratungsangebote vermitteln, "die auch heute noch positiven Effekt haben können", heißt es weiter aus dem Oberbürgermeisterbüro.
Auch die Erlöserschwestern haben Hilfe zugesagt
Schwester Monika Edinger, die Generaloberin der Erlöserschwestern, bestätigt, dass es auch von ihrer Seite Unterstützung für Peter in seiner aktuellen Notsituation gebe. Sie werde vom Missbrauchsbeauftragten der Diözese Würzburg, Prof. Alexander Schraml, "in Abstimmung mit uns koordiniert". Zugesagt sei Hilfe beim Umzug und bei der Möblierung.

Peter ist nicht das einzige ehemalige "Wickenmayer"-Kind, das Vorwürfe gegen die Erlöserschwestern und dort Angestellte erhebt. Bereits vor zwei Jahren hat diese Redaktion über weitere Betroffene berichtet. Peter sowie seine enge Vertrauensperson Matthias Risser, ehemaliger Redakteur beim Würzburger katholischen Sonntagsblatt, sehen auch das Verhalten des damaligen Jugendamtsleiters kritisch.
Wird die Stadt Würzburg aufarbeiten, warum damals der Kinderschutz ausblieb und niemand vom Jugendamt eingriff? Laut Aussagen von Peter hatten die Mitarbeiter Kenntnis von Schlägen und Missbrauch. Sie seien auch regelmäßig im Heim gewesen. "Verborgen geblieben ist ihnen die körperliche Gewalt und auch der sexuelle Missbrauch sicher nicht", sagt Peter.
In seinem Fall, der Missbrauch durch S., der in der Einrichtung privat Musikunterricht gab, sei der Beschuldigte zwar nicht sofort, aber nach einiger Zeit entlassen worden. "Der Grund war bekannt", sagt Peter, da S. von einer Erlöserschwester "dabei erwischt" wurde. Er habe bereits zuvor versucht, einer Schwester von seinem Missbrauch zu erzählen. Sie habe ihn geohrfeigt und gesagt: "Über so was redet man nicht."
Stadt Würzburg: Bei den Akten gibt es Lücken
Pressesprecherin Claudia Lother informiert, dass die Vorwürfe durch den Fall Peter bekannt geworden sind. "Auch hier bekennt sich die Stadt Würzburg zu ihrer moralischen Verpflichtung gegenüber den Opfern." Bei den Akten gebe es jedoch Archivlücken, "da im Jahr 2013 eine Reihe von personenbezogenen Unterlagen des Stiftungsamtes zu Heimbewohnern und -personal offenbar als nicht archivwürdig vernichtet wurden".
Zudem sei die vom Jugendamt geführte pädagogische Akte zu Peter ebenfalls vernichtet worden. Dies müsse zehn Jahre nach Hilfeende geschehen sein, also zehn Jahre nach Peters Volljährigkeit.
Oberbürgermeister Schuchardt sagt dazu: "Ich möchte aber auch hier eindeutig klarstellen, dass wir den Betroffenen glauben. Als Oberbürgermeister werde ich daher in einer der nächsten Sitzungen einen Verfahrensvorschlag einbringen."