
Ritueller Missbrauch in der Wickenmayerschen Kinderpflege in Würzburg: Dieser Vorwurf wurde kürzlich von einem ehemaligen Heimkind im Politmagazin "report München" erhoben. Die Erlöserschwestern, die bis 1996 in der städtischen Einrichtung Mädchen und Jungen betreuten, wehren sich. Sie bestätigen jedoch einen Fall von sexuellem Missbrauch. Laut ihren Angaben haben sich mittlerweile mehrere Personen gemeldet und von "Licht und Dunkel während ihrer Kindheit im Heim" berichtet. Auch diese Redaktion erreichten Hinweise. Roland Fischer schildert bei einem Treffen von schwerer körperlicher Gewalt. Rita Rossa, die ihrer gesamte Kindheit und Jugend in dem Würzburger Kinderheim verbrachte, hat andere Erinnerungen. Das sind ihre Geschichten.
Ganz Grombühl hätte gewusst, dass in "der Wickenmayer" geprügelt wurde. Bekannte, die seit vielen Jahren in dem Würzburger Stadtteil wohnen, hätten ihr das gesagt, sagt die Schwester von Roland Fischer. Der 68-Jährige ist eigens aus Sulzbach-Rosenberg angereist, um von seinen Erfahrungen zu erzählen. Und von denen seines eineinhalb Jahre älteren Bruders Wolfgang. Auslöser war ein Anruf seiner Schwester. Sie wohnt in der Region Würzburg und hatte ihren Bruder über die Berichte über die Wickenmayersche Kinderpflege informiert.
Die Schwester wusste nicht, was ihren Brüdern im Kinderheim widerfahren ist
Während der Zugfahrt seien ihm viele Erinnerungen an seine Kindheit vor über 60 Jahren durch den Kopf gegangen, sagt Fischer. Er hält einen Zettel in der Hand. Darauf hat er Namen von Mädchen und Jungen geschrieben, mit denen er im Heim war. Sein Blick ist ernst und traurig. Seine Schwester schaut freundlich. Wenn sie zu ihrem Bruder blickt, verändert sich ihr Gesichtsausdruck. Mitleid spiegelt sich in ihren Augen wider. Sie will anonym bleiben. Als Kind habe sie nicht gewusst, was ihren Geschwistern im Heim widerfuhr. Berichten kann jetzt nur noch Roland Fischer. Der ältere Bruder ist vor Jahren gestorben.
Prügel in "der Wickenmayer"? Das scheint ein offenes Geheimnis in Würzburg gewesen zu sein. Und zugleich eine Drohung für Kinder, dass sie ins Heim geschickt werden, wenn sie nicht folgen. So schreibt es ein Leser aus Grombühl in einem Brief an diese Redaktion.

Was Roland Fischer im Heim erlebte, lässt ihn bis heute nicht los. Er habe deswegen nicht das Leben leben können, das er sich wünschte, erhoffte. Geborgenheit, Behütetsein, liebevolle Zuwendung: All das habe er als Kind nicht erfahren, sagt Fischer, vielmehr Demütigungen, Gewalt. Eine ständige Angst sei geblieben, ein Gefühl der Ohnmacht. Verantwortlich macht er die Erlöserschwestern. Er nennt mehrere Namen und sagt: "Das waren die Schlimmsten."
Das ehemalige Heimkind Rita Rossa spricht von Struktur und Überforderung
Rita Rossa hat andere Erinnerungen. Als ehemaliges Heimkind bestätigt sie, dass die Schwestern "sehr streng" waren, auch dass es körperliche Gewalt gab – und dass Mädchen und Jungen unterschiedlich behandelt worden seien. Rossa spricht zugleich von Struktur, die viele Kinder erst in der Wickenmayerschen Kinderpflege kennengelernt hätten. "Das war für manche eine Überforderung, einige sind damit nicht klargekommen." Manche hätten auch "hinterher", nachdem sie aus dem Heim entlassen worden waren, "keinen Fuß auf den Boden bekommen".
Rita Rossa sagt, dass alle Kinder auf Veranlassung des Jugendamts ins Heim geschickt wurden. "Es gab immer einen familiären Grund." Bei Roland Fischer war es die Trennung der Eltern. Damals war er vier Jahre alt, das Nesthäkchen der Familie. Die Brüder kamen gleichzeitig ins Heim. Seine Schwester wurde von einer Tante aufgenommen und lebte später während ihrer Ausbildungszeit im Würzburger Elisabethenheim. Die ältesten Geschwister waren bereits erwachsen.
Die Mutter hatte wenig Geld und konnte sich nicht um ihre Kinder kümmern
"Es war die Zeit damals", sagt Roland Fischers Schwester. Eine vom Mann getrennt lebende Frau mit vielen Kindern habe in den 1950er Jahren keine Wohnung gefunden. Zudem habe die Mutter wenig Geld gehabt. "Sie konnte sich nicht um uns kümmern."
Im Gespräch wird deutlich: Für die Kinder brach von heute auf morgen die Familie auseinander. Dazu eine fremde Umgebung, keine vertrauten Gesichter. Ein Schockerlebnis für Roland und Wolfgang.
Rita Rossa, die schon im Alter von einem Jahr in "die Wickenmayer" kam, weiß noch heute genau den Tagesablauf: 6.30 Uhr war der Gottesdienst für die Schwestern zu Ende, danach wurden die Kinder geweckt. Waschen, Bettenmachen, Beten, Frühstück, Spielen oder Schule, Mittagessen, Spüldienst, Spielen oder Hausaufgaben machen, Abendessen, Spül- oder Kehrdienst, Fernsehgucken, Bettgehen, Wecken um 22 Uhr um noch einmal auf Toilette zu gehen. Eine Erlöserschwester sei für 20 Kinder zuständig gewesen. Unterstützung gab es von jeweils einer Erzieherin für die einzelnen Gruppen: Säuglinge und Kleinkinder, Kindergartenkinder, Schulkinder, Auszubildende. "Es war immer Stress wegen der vielen Kinder."
Rita Rossa war von 1952 bis 1972 im Heim, später kam sie wieder zurück als Erzieherin. Das einzige, was sie bedauert, ist: "Ich war begabt, wurde aber nicht gefördert." Sie habe jedoch vieles im Heim ausgelebt - Musik, Theater, Singen, Basteln - oder sich später selbst beigebracht. Ihre musikalische und künstlerische Ader ist in ihrer Wohnung erkennbar. Dort hängt ein selbst gemaltes Bild des über 110 Jahre alten stattlichen Wickenmayer-Gebäudes. Am Boden stehen im Ständer mehrere Gitarren.
Auch Roland Fischer schildert wie Rita Rossa einen festen Tagesablauf. Besuche habe es nur alle 14 Tage am Sonntag gegeben. "Holt mich hier raus!", habe er gebeten. Es sei aufgrund der familiären Verhältnisse nicht gegangen.
Eine Abwechslung waren Tagesausflüge, etwa nach Frankfurt zum Flughafen, in den Zoo. Aber festgebrannt in seinem Kopf sind andere Vorfälle. Er hat Tränen in den Augen, als er von seinem schrecklichsten Erlebnis im Heim berichtet, schaut dabei in die Ferne und erzählt mit leiser Stimme: "Alle Kinder mussten sich im Kreis aufstellen und zuschauen. Mein Bruder wurde verprügelt, halbtot geschlagen. Eine halbe Stunde lang. Selbst als er schon am Boden lag, hat sie ihn noch mit den Füßen getreten. Wir Kinder durften nicht eingreifen."
Weshalb die Schläge? "Mein Bruder hat ins Zimmer der Mädchen geschaut", sagt Fischer, in deren Schlafsaal. Elf, höchstens zwölf Jahre alt sei der Bruder gewesen und kurz danach in ein anderes Heim nach Oberfranken gebracht worden. "Plötzlich war er weg. Ich konnte mich nicht von ihm verabschieden und wusste nicht, wo er war." Der nächste Schock für den damals neunjährigen Buben.
Wurde auch er selbst bestraft? "Alle Kinder", sagt Fischer. Wenn jemand ins Bett machte, folgten Beschimpfungen und Demütigungen: "Wir mussten uns dann vor allen nackt ausziehen." Auch wenn die Kinder, die Familie oder Verwandte hatten, sonntags nach ihrem Besuch dort wieder ins Heim zurückkehrten. So sei kontrolliert worden, ob sie von zu Hause Geld mitgebracht haben. "Eigentlich war es für die Spardose gedacht, die jedes Kind hatte." Für die Gartenarbeit hätte es eine Mark pro Tag als Lohn geben sollen. Eigentlich. "Als ich nach zehn Jahren endlich das Heim verlassen konnte, war nichts da."
1967 war das, er war 14. "Ich war körperlich kaputt, hatte 25 Kilogramm Untergewicht."

Nicht nur in seinen Erinnerungen gibt es Gewalt, auch in seinem Gesicht sind Spuren davon sichtbar. "Als ich acht oder neun Jahre alt war, hat eine Schwester meinen Stiefel nach mir geworfen. So wurde meine Nase gebrochen." Warum? "Weil der Stiefel auf meinem Bett lag." Aber es habe auch gute Nonnen gegeben, "die für die Küche oder für den Garten zuständig waren". Und es habe Kinder geben, die keine Strafen erhielten, die die Lieblinge der Schwestern waren.
Missbrauch in der Sakristei?
Dass jetzt ein Mann in "report München" von sexuellem Missbrauch berichtete, wundert Fischer nicht. Er habe von zwei Heimkindern gehört, dass einer der Priester, die täglich zur Frühmesse kamen, sie in der kleinen Sakristei der Kapelle "angelangt" habe. Sie seien Ministranten gewesen und mussten früher als die anderen aufstehen. Darüber gesprochen hätten sie nur untereinander und verschämt - und es den Schwestern verheimlicht. "Die hätten das nicht geglaubt." Eher wären die Jungen dafür sogar vor allen bestraft worden, sagt Fischer. So hätten sie geschwiegen, auch über die "Belohnung" des Ordensbruders, dessen Namen er kennt: "Sie haben hinterher immer Schokolade bekommen."
Roland Fischer und Rita Rossa sind sich in einem Punkt einig. Beide glauben nicht, dass es in dem Würzburger Kinderheim rituellen Missbrauch gab. "Unmöglich", sagt Rossa, sie sei "richtig wütend" über den Vorwurf im "report München"-Bericht. "Die Kapelle war im zweiten Stock, die alte Holztreppe des Hauses hat laut geknarzt. Niemand hätte sich nachts hochschleichen können." Zudem seien die Türen zu den Schlafsälen nicht verschlossen gewesen. "Das hätten wir gehört."
Roland Fischer hat ebenfalls Zweifel. "Vier Priester waren niemals gleichzeitig im Haus", schon gar kein Bischof, der beim rituellen Missbrauch dabei gewesen sein soll. Er kann sich an die Patres erinnern, die abwechselnd zur Frühmesse kamen. Aber immer nur einer. Nur zu den Ausflügen hätten zwei Ordensmänner die Heimkinder begleitet.
Auch andere Männer hatten Zugang ins Heim, Männer vom Jugendamt. Wenn es den Erlöserschwestern zu viel geworden sei und sie nicht selbst bestrafen wollten, hätten sie dort angerufen, sagt Fischer. "Dann kam einer und hat das für sie erledigt." Rita Rossa erwähnt schmale Schlagstöcke, mit denen auf Finger und Handflächen geschlagen wurde. Auch sie selbst, "dabei war ich ein braves ängstliches Kind".
Roland Fischer würde auch der Oberin der Erlöserschwestern seine Geschichte erzählen
Er habe viel geweint im Heim, sagt Fischer, "ich war oft krank als Kind". Auch heute noch leidet der 68-Jährige, hatte Probleme mit dem Magen. Mehrmals war Fischer in psychosomatischer Behandlung, seit einigen Jahren ist er schwerbehindert. "Ich hatte einen guten Therapeuten, ihm habe ich alles erzählt."
Würde er es auch der Generaloberin der Erlöserschwestern erzählen? "Ja, das würde ich!", sagt Fischer. Es gehe ihm nicht um Entschädigung. Sondern darum, alles mitzuteilen. "Meine seelische und körperliche Vergewaltigung kann man nicht mehr gut machen."
Tut mir leid, aber sowas kann ich leider nicht ernst nehmen!
Die knarzen nicht, weil das Schuhwerk Geräusche produziert, sondern die knarzen, weil das Holz durch die Belastung des Auftretens Geräusche macht! Da ist es vollkommen egal, ob derjenige grobe Stiefel oder "fein gearbeitete Schuhe" trägt, es liegt am Holz.
Und wenn - wie vlading schreibt - er es schon mehrfach geschafft hat, auf einer knarzenden Treppe ohne Geräusche zu verursachen, hinauf oder hinab gegangen ist - und es (wie hier ja von ehemaligen Heimkindern geschildert) in diesem Fall nicht möglich war, diese Treppe sozusagen auszutricksen und zu überlisten, dann können Sie das auch ruhig glauben. Kinder sind in solchen Fällen sehr kreativ und einfallsreich!
Und was dann wirklich abenteuerlich wird, ist die Idee mit der Leiter! Im Grombühl, einem sehr geschäftigen Viertel Würzburgs, wo immer jemand unterwegs ist, soll ein Priester unerkannt über eine Leiter in den ersten Stock gekommen sein? Niemals
wo haben Sie denn diese Information her?
Viele Grüße aus der Redaktion,
Benjamin Stahl
als Reporter gehört es sogar zu meinen Aufgaben, die Diskussionen zu verfolgen und daran ggf. teilzunehmen. Und wir nehmen Kontakt auf, wenn wir hinter gewissen Kommentaren neue Rechercheansätze vermuten.
Ich habe den Kommentar, auf den Sie sich beziehen, so verstanden, dass die Erlöserschwestern eine "angekündigte Aussprache" mit dem Bischof abgesagt haben sollen. Das wäre eine Fehlinformation, wie unsere Folgeberichterstattung zeigt: www.mainpost.de/10633669
Freundliche Grüße
Benjamin Stahl
Übrigens würde ich als verantwortlicher Redakteur rügen, wenn jemand mit „zum Kotzen“ oder mit „so ein Schmarrn“ kommentiert. Vielleicht sollte ich Ihre Redakteursaufgabe übernehmen? Lassen Sie es mich wissen!
Der Kommentar an Frau Oetken war am 15.7. - die Nachfrage der Redaktion am 19.7. - und daraufhin der Bericht über ein stattgefundenes Gespräch zwischen Bistums- und Ordensleitung am 20.7. in der Mainpost!
Und mal so nebenbei - mein "So ein Schmarrn" bezog sich nicht auf die Diskussion, ob es hier Missbrauch gegeben hat oder nicht, sondern einzig auf die Schlussfolgerung: Alle Schwestern austreten, den Orden auflösen und das Geld den Betroffenen auszahlen.
Ich weiß, jeder Vergleich hinkt, aber das wäre so, wie wenn Sie nach dem Diesel-Skandal bei VW alle Beschäftigten von VW dazu auffordern würden zu kündigen, die komplette Firma einzustampfen um dann das Geld den betrogenen Autokäufern auszuzahlen. -
und bei dieser Argumentationskette und Schlussfolgerung bleibe ich dabei: Das wäre ein Schmarrn!
Glauben Sie denn im Ernst, ich machte den Nonnen ein Angebot, in sich zu gehen, alles hinzuwerfen und ein neues Leben zu beginnen? Für wie doof halten Sie mich? Können Sie keine Texte lesen? Schon mal was von Satire oder gar Realsatire gehört?
Sie machen sich lächerlich. Lernen Sie erst mal verschiedene Stilebenen in einem Text unterzubringen, bevor Sie grob herumschmarren. Außerdem: Wischen Sie sich, bevor Sie schreiben, den Schaum vom Mund. Dieser Orden hat viel zu viel zu verlieren und wird sich doch nicht in Luft auflösen, nur weil ich ihn auf den Sankt-Jakobsweg schicken will. Des is nur Humor, verstehen Sie: Humor! Sie erzeugen in mir Ungeduld.
Gab es einen zweiten Zugang zur Kapelle? Bzw. einen weiteren Ort der als Stätte für sadistische Gruppenrituale hätte dienen können?
"Das hätten wir gehört."
In vielen der Kinderheime wurden den InsassInnen damals Schlaf- und Beruhigungsmittel verabreicht, manchmal auch im Zusammenhang mit Medikamentenversuchen. Dass viele TäterInnen und MittäterInnen ihren Opfern und auch evtl. ZeugInnen Betäubungsmittel verabreichen, um umgestört sexuell missbrauchen zu können, ist seit Langem bekannt und wird seit Jahrhunderten praktiziert.
Unter den Erlöserschwestern werden sich Krankenpflegekräfte befunden haben und sicher hatte der Heimträger Kontakt zu Ärzten, Apothekern und der Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Ohne irgend eine Ahnung, ohne jedweden Anhaltspunkt - unterstellen Sie hier den Schwestern, dass sie mit Betäubungsmitteln und Ähnlichem gehandhabt haben "weil das ja anderswo auch so passiert ist!"
Ganz ehrlich - das Wort "kriminell" habe ich vorhin durchaus bewusst und nicht metaphorisch, sondern wörtlich gemeint. Hier solche Unterstellungen in die Welt zu setzen, ohne den geringsten Anhaltspunkt der Wahrheit in diesem Fall, ist mindestens üble Nachrede!
So funktioniert organisierter sadistischer Missbrauch. Die Opfer werden willkürlich beschuldigt und der Sadismus als "Strafe" getarnt. Perverse Schuldumkehr.
Unter einem ähnlichen Vorwand ermöglichten die Mallersdorfer Schwestern, wie die Erlöserschwestern eine Nardini-Gründung, Bischof Mixa das Quälen der von ihnen internierten Heimkinder. Quelle: "Bischof Mixa: Vom ersten Vorwurf bis zum Rücktritt" Augsburger Zeitung, 8.5.2010