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Würzburg
Würzburger Virologe: Wie wir die dritte Welle bis Ende Mai überwinden
Angesichts der Corona-Mutationen fordert Virologe Lars Dölken: Viel mehr Menschen müssen viel öfter getestet werden. Wieso er trotzdem vor dem Sommer optimistisch ist.
Prof. Dr. Lars Dölken, Leiter des Institut für Virologie und Immunbiologie an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg, ist optimistisch mit Blick auf den Sommer. 
Foto: Daniel Peter | Prof. Dr. Lars Dölken, Leiter des Institut für Virologie und Immunbiologie an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg, ist optimistisch mit Blick auf den Sommer. 
Folker Quack
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:27 Uhr

Die britische Virusvariante B.1.1.7 dominiert auch in Unterfranken inzwischen die Coronainfektionen. Wie beeinflusst die Mutation die Pandemie? Hilft der Impffortschritt oder rettet uns der Sommer? Prof. Lars Dölken, Leiter des Institut für Virologie und Immunbiologie an der Uni Würzburg, ist trotz des sich verändernden Virus optimistisch mit Blick auf die warme Jahreszeit. Im Interview erklärt er, wie er die aktuelle Situation einschätzt, welche Maßnahmen jetzt nötig sind - und wie wir uns am besten schützen können. 

Wie beurteilen Sie die aktuelle Coronalage?

Lars Dölken: Leider hat sich die englische Mutante inzwischen in Deutschland breit gemacht. Ich hatte im Januar noch gehofft, dass wir diese lange genug aus Deutschland fernhalten könnten, um es unbeschadet in den Sommer zu schaffen. Diese Hoffnung hat sich leider nicht erfüllt. Derzeit macht die englische Mutante gut 90 Prozent aller Coronavirusfälle in Deutschland aus. Anfang Januar waren es noch unter fünf Prozent. Man sieht also klar, wie viel infektiöser als das ursprüngliche Virus diese Mutante ist. Ohne sie läge derzeit der Inzidenzwert in Deutschland bei unter 20 statt bei 130. Die englische Mutante tut uns also derzeit wirklich weh.

Im Jahr 2020 schwächte sich die Pandemie über den Sommer ab. Können wir denn noch mit einer ähnlichen Entwicklung diesen Sommer rechnen?

Dölken: Hier ist die Antwort ein klares „Ja“. Der Grund ist die zunehmende Zahl an geimpften Menschen. Die englische Mutante ist zwar gut 30 Prozent infektiöser ist als das ursprüngliche Virus. Rein rechnerisch haben wir diesen Infektionsvorteil des Virus aber kompensiert, wenn etwa 25 Prozent der Bevölkerung gegen Corona geimpft sind. Derzeit wurden in Deutschland etwa 15 Prozent mindestens einmal geimpft. Eine Impfung bringt hier nach gut zwei Wochen schon ziemlich viel. Bis Ende Juni erwarten wir für Deutschland 77 Millionen Impfdosen. Wir werden den Wachstumsvorteil des Virus in etwa sechs Wochen durch die Impfungen ausgeglichen haben. Allerdings müssen wir die aktuelle Welle noch gebrochen bekommen. Wir haben im Frühjahr gesehen, wie langsam die Infektionszahlen auch bei einem Lockdown sinken. Wenn wir also in Landkreisen mit Inzidenz über 200 diese nicht in den nächsten vier Wochen gesenkt bekommen, wird die Corona-Ruhe diesen Sommer erheblich später beginnen als letztes Jahr. 

Könnte in Städten und Kreisen mit einer niedrigeren Inzidenz dann schneller geöffnet werden?  

Dölken: In Würzburg und Umgebung beispielsweise haben wir derzeit zum Glück noch relativ wenige Infektionen. Leider wird uns dies aber trotzdem nicht mehr Freiheiten erlauben, wenn die benachbarten Landkreise viel höhere Infektionszahlen haben. Die Menschen dort würden dann einfach zu uns in die Geschäfte und Restaurants kommen und das Virus wieder mitbringen. Wir müssen schauen, dass die Infektionszahlen überall im Land schneller abfallen. Ansonsten zieht sich die dritte Welle noch bis weit in den Juni.

Besteht ein Zusammenhang zwischen hohen Inzidenzen und dem Entstehen neuer Mutationen?

Dölken: Bei hohen Fallzahlen bieten wir dem Virus quasi ein Trainingsfeld, um immer neue Mutanten zu generieren. Die erste Aufgabe, die wir dem SARS-CoV-2 stellten, war: Wie vermehrt man sich in der menschlichen Spezies? Für die Lösung hat das Virus nicht lange gebraucht. Die zweite Aufgabe lautete: Wie vermehrt man sich möglichst effizient insbesondere auch bei Kindern? Die Antwort war die englische Mutante. Wenn wir jetzt während der anlaufenden Impfkampagne sehr viele Infektionen zulassen, dann stellen wir dem Virus eine neue Frage: Wie infiziere ich geimpfte Menschen? Je mehr Infektionen wir aktuell zulassen, desto leichter und schneller findet das Virus eine Antwort. Ziel muss es sein, bei möglichst niedrigen Infektionszahlen über den Sommer hinweg die breite Mehrheit der Menschen zu impfen.

Würzburger Virologe: Wie wir die dritte Welle bis Ende Mai überwinden
Derzeit sind immer mehr jüngere Menschen betroffen. Wie groß ist bei ihnen das Risiko, schwer an Corona zu erkranken?

Dölken: Hierzu gibt es inzwischen sehr gute Daten. Das Risiko, an Corona zu versterben, steigt zwar mit dem Alter exponentiell an. Bei den über 80-Jährigen sterben mehr als zehn Prozent an der Infektion, im Alter von 60 Jahren sind es immer noch ein Prozent. Bei den 45-Jährigen ist es dann einer von 1000. Erst unter einem Alter von 25 Jahren fällt das Risiko auf eins zu 10 000. Viele Menschen spielen Lotto mit erheblich geringeren Gewinnchancen. Bereits ab einem Alter von 40 Jahren ist das persönliche Risiko, an Covid-19 schwer zu erkranken oder sogar zu sterben, also bereits erheblich. Leider ist dies den meisten jüngeren Menschen nicht bewusst. Hohe Todeszahlen auch bei Jüngeren werden allein durch die harten Maßnahmen derzeit vermieden. Wenn wir jetzt erheblich höhere Inzidenzen zulassen, wird es hier unweigerlich zu viel mehr schweren Verläufen kommen.

Wäre es da nicht sinnvoll, die Priorisierung anzupassen, um auch Jüngere schneller zu impfen? Man könnte dafür zum Beispiel die Zweitimpfung zeitlich verschieben.

Dölken: Der Abstand zwischen erster und zweiter Impfung wurde inzwischen ja auch für Biontech schon auf sechs Wochen verlängert. Wie auch für den Astrazeneca-Impfstoff beobachtet, ist die Wirkung dann sogar besser. Wichtig ist aber auch, dass keine Impfdosen mehr zurückgelegt werden. Wenn es wirklich dann mal zu Verzögerungen bei der zweiten Impfung kommen sollte, würde ich mir da persönlich keinerlei Sorgen machen.

Testen, testen, testen - und impfen: So könne man der britischen Corona-Mutante zum Sommer beikommen, sagt der Würzburger Virologe Professor Lars Dölken. 
Foto: Peter Endig, dpa | Testen, testen, testen - und impfen: So könne man der britischen Corona-Mutante zum Sommer beikommen, sagt der Würzburger Virologe Professor Lars Dölken. 
Was können wir denn jetzt tun, um die Zahlen schneller zu senken?

Dölken: Neben konsequentem politischen Handeln und vernünftigem Verhalten jedes Einzelnen könnten die Antigenschnelltests extrem hilfreich werden. Leider werden sie immer noch hauptsächlich als Mittel angesehen, um wieder mehr Freiheiten für Kontakte in Innenräumen zu gewähren. Genau dafür sind sie aber nicht geeignet, da sie nur bei etwa der Hälfte aller Infizierten auch positiv anschlagen. Die gleiche leidige Diskussion hatten wir im November bei den Besuchern in den Altenheimen. Ein negativer Schnelltest reicht einfach nicht aus, um sichere persönliche Kontakte in Innenräumen zu erlauben. Alles andere ist Wunschdenken.

Warum sollte er dann trotzdem helfen?

Dölken: Die tatsächliche Stärke der Schnelltests liegt darin, über Massentests schnell die Hälfte aller Infizierten in einer ganzen Region zu entdecken. Die übrigen 50 Prozent der Infizierten, bei denen der Schnelltest negativ ausfiel, können dann über gezielte PCR-basierte Nachtestungen von Familienmitgliedern, Klassenkameraden und Arbeitskollegen der Infizierten ausfindig gemacht werden. In Verbindung mit einem kurzen, harten Lockdown lassen sich so die Infektionszahlen viel schneller senken als ohne solche Tests. Es muss daher jetzt das Ziel sein, in Landkreisen mit einer Inzidenz über 200 alle dort lebenden Menschen zwei Wochen lang zwei Mal pro Woche auf Corona zu testen. Zusammen mit einem zweiwöchigen Lockdown würden die Infektionszahlen so sehr schnell unter 50 fallen. Ende Mai könnten wir dann die dritte Welle komplett überwunden haben.

Alle diese Menschen einer Region zwei Wochen lang zwei Mal pro Woche testen - wie kann das gehen? 

Dölken: Wir müssen die Tests zu den Menschen bringen. Die Testzentren, zum Beispiel in Apotheken, sind hier schon mal ein sehr guter Anfang. Das gleiche gilt für die Testpflicht in den Schulen. Jetzt sind aber insbesondere auch die Unternehmen gefordert, für ihre Mitarbeiter Selbsttests zu beschaffen. Es reicht einfach nicht, die eigenen Mitarbeiter nur dazu aufzufordern, zum Testen zu gehen. Auch wenn das für letztere kostenlos ist. Die Entscheidung der Politik, dass die Unternehmen hier die Kosten tragen zu lassen, ist hier leider nicht hilfreich. Sie führt dazu, dass die Unternehmen sich mit Händen und Füßen gegen eine Testpflicht wehren und dies so den Einsatz der Schnelltest in der breiten Bevölkerung verzögert oder sogar verhindert. Letztendlich kommt das uns als Gesellschaft teurer als wenn der Staat die Kosten übernehmen würde und bei der Verteilung helfen würde.

 
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  • K. F.
    komisch dass bei infzentren die anzahl der dosen so groß sein sollen - unser hausarzt jammert, er bekäme nicht genug! wann sind dann die unter 70,60,50, .... jährigen drann, vielleicht in ein paar wochen oder monaten oder jahren?
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  • J. N.
    Wunderbar! Wann werde ich geimpft?
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  • A. H.
    Wenn se dran sin......😉
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Alles liegt an der Verfügbarkeit von Impfstoff. Wann kommen hier endlich einmal die Liefermengen bei den Impfzentren und Hausärzten an, die den vorher angekündigten Liefermengen entsprechen? So kann keine Planbarkeit und keine Zielsetzung entstehen. Meine Meinung.
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  • F. Q.
    Derzeit wird auch in den unterfränkischen Impfzentren rege geimpft. Es steht deutlich mehr Impfstoff zur Verfügung als noch vor Ostern. Würde man jetzt noch den Empfehlungen von Prof. Dölken oder auch Prof. Lauterbach folgen und weniger Impfstoff für die zweite Impfung zurückhalten, sondern im Notfall die zweite Impfung auch mal ein paar Tage zu verschieben, dürften jetzt sehr schnell sehr viel mehr Menschen zu einer Impfung kommen.
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    Ich musste gerade im entfernten Bekanntenkreis erleben, wie sich mehrere Personen mit dem Virus infizierten (übrigens am Arbeitsplatz; so viel zur Sinnhaftigkeit der dortigen Abstandsregeln!). Sämtliche Schnelltests im Ansteckungszeitraum fielen negativ aus; erst nach Auftreten deutlicher Symptome gab es positive Testergebnisse. Einer der Betroffenen erkrankte schwer. Alle sind unter 30.
    Herr Dr. Dölkens Einschätzungen halte ich für kompetent und realistisch.
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  • D. M.
    Oh, eine logarithmische Skala in der Abbildung... Müssen wir so Panik vor dem Virus schüren? Ohne den Leser: innen zu nahe treten zu wollen, aber eine logarithmisch aufgetragene Sterblichkeit suggeriert -bei "normaler", gewohnter Leseweise - eine nicht gegebene Gefährlichkeit auch für Jüngere.
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  • G. M.
    @mueller: Was heißt hier Panik schüren. Anschaulicher kann man einen logarithmischen Zusammenhang (in Grafik und Text) wohl kaum darstellen. Übertragen Sie die Grafik in ein lineares Diagramm. Dann entstünde optisch der Eindruck, dass es bis 60 praktisch gar Risiko gäbe, schwer zu erkranken. Das kann's ja wohl auch nicht sein, oder?
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  • S. F.
    Panik schüren? Wer das Diagramm lesen kann - so etwas sollte man auf einer allgemeinbildenden Schule gelernt haben- der bekommt keine Panik, sondern ist informiert und kann das Risiko besser einschätzen und damit entsprechend umgehen.

    Ja, leider gibt es auch genug Leute die so ein Diagramm nicht verstehen. Aber warum soll man denen das nicht erklären? Keiner ist so dumm, dass er nicht den Unterschied zwischen 1:1000 oder 1:10.000 versteht.
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  • M. Z.
    Ich könnte den Vorwurf verstehen, wenn da links nur oben und unten Zahlen stehen würden. Aber wer die Grafik so wie sie ist nicht versteht, dem würde ein linearer Maßstab vermutlich auch nicht helfen.
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