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Würzburg
Würzburger Ukraine-Tagebuch: Warum wir oft mit den Tränen kämpfen
Claudia und Matthias Görde vom Würzburger Heuchelhof haben zwei ukrainische Frauen aufgenommen, die vor dem Krieg aus ihrer Heimatstadt Charkiw geflohen sind. Wie sie zueinander fanden.
Wochen-Tagebuch: Die ukrainische Familie Claudia (Zweite von rechts) und Matthias Görde mit Tochter Fanny und Hund Ava vom Heuchelhof haben zwei ukrainische Frauen, Mutter Valentyna Stepanenko  (68) und Tochter Masha Stepanenko (46), aufgenommen.
Foto: Thomas Obermeier | Wochen-Tagebuch: Die ukrainische Familie Claudia (Zweite von rechts) und Matthias Görde mit Tochter Fanny und Hund Ava vom Heuchelhof haben zwei ukrainische Frauen, Mutter Valentyna Stepanenko (68) und Tochter Masha ...
Claudia Görde
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:58 Uhr

Unsere Geschichte beginnt an einem Sonntag, als wir ein WhatsApp Foto der Hilfsorganisation SIMPLY HELP von Masha (46) und ihrer Mutter Valentyna (68) aus Charkiw erhalten. Vale, wie wir sie nennen, in einem roten Kleid, Masha mit zerrissener Jeans und schwarzem Pferdeschwanz, cool an einer Hauswand lehnend. Seit dem 15. März sind sie nun schon Teil unserer Familie und wohnen in der Einliegerwohnung unseres Hauses. Mit eigenem Bad und Küche und Zugang zum Garten.

"Charkiw bumm. Mehr braucht es nicht, um zu verstehen."
Claudia Görde - Sie hat mit ihrem Mann Matthias zwei Ukrainerinnen aufgenommen

Als wir uns zum ersten Mal treffen, hat jede einen Rucksack und eine Tasche dabei. Es liegen vier Tage Reise hinter ihnen. Im neuen Zuhause angekommen, schlafen sie fünf Stunden, bis sie abends bei uns im Wohnzimmer stehen. Masha spricht zum Glück Englisch. Was sie gerne essen, frage ich. Masha und Vale lieben Fleisch und Wein. Und Bier. Da sind sie bei uns genau richtig.

Tief sitzt das Trauma, es gibt vieles, worüber die beiden Ukrainerinnen nicht sprechen wollen

Wir leeren eine Flasche Silvaner und erfahren: Masha ist Tanzlehrerin, Vale war Sportlehrerin und gibt Schwimmkurse. Neun Tage haben sie die Bombardierung ausgehalten, dann war alles kaputt und sie sind geflohen. "Charkiw bumm". Mehr braucht es nicht, um zu verstehen. Tief sitzt das Trauma, es gibt vieles, worüber sie nicht sprechen wollen. Mashas 22-jährige Tochter, Journalistin, ist geblieben. Der Bruder will auch bleiben und kämpfen. Alle schütteln nur den Kopf.

Jeden Abend bekommen wir ukrainische Hausmannskost: Krautwickel, Suppen, Pfannkuchen

In den nächsten Tagen erledige ich viel Bürokratiekram und Emails. Vieles geht online, aber nicht alles. Ich bin überrascht wie unkompliziert und vor allem freundlich die Mitarbeiter der Stadt helfen. Die größte Sorge der Frauen: Sie haben kein Bargeld, denn das ukrainische Geld wird nicht getauscht.

Wir helfen gerne aus. Freunde spenden Geld. Zusammen gehen wir einkaufen, ich erkläre Straba und Mülltrennung (ziemlich erfolglos), Masha fährt Fahrrad, Vale geht mit Wanderstöcken mit unserem Hund Gassi und bringt unseren Garten auf Vordermann. Nach zwei Tagen sieht es bei uns aus wie im Hofgarten. Jeden Abend bekommen wir ukrainische Hausmannskost: Krautwickel, Suppen, Pfannkuchen. Wir platzen bald, trauen uns aber nicht, abzulehnen.

Viele wollen helfen und ich muss die Angebote dosieren, damit es nicht zuviel wird. Ich weiß auch: Die Hilfsbereitschaft wird abnehmen und es liegt vielleicht noch eine lange Zeit vor uns.

"Es ist einfach nur Glück, wo man geboren ist oder wo man lebt."
Claudia Görde - Sie hat mit ihrem Mann Matthias zwei Ukrainerinnen aufgenommen

Jeden Tag erzählen sie ein wenig mehr und wir erfahren von Urlauben, Restaurants, Hobbies, Alltag. Alles wie bei uns. Bis zum 24. Februar. Oft kämpfen wir mit den Tränen. Es ist einfach nur Glück, wo man geboren ist oder wo man lebt.

Wie es weiter gehen wird, wissen wir alle noch nicht

Masha liebt den Main, will bald dort schwimmen gehen. Vale geht morgen zum 1. Mal ins Adami Bad. Wir sind seit zehn Tagen Taxifahrer, Sekretäre, Übersetzer, Organisierer, in-den-Arm-Nehmer. Aber vor allem eines: Zuversichtsgeber.

Wie es weiter geht, wissen wir alle nicht. Masha sagt, solange es kaltes Bier gibt und die Sonne scheint, geht es immer weiter. Das finden wir auch.

Wochen-Tagebuch: Claudia Görde, ihr Mann Matthias mit Tochter Fanny und Hund Ava haben derzeit Valentyna und Masha Stepanenko aus Charkiw zu Gast. Die beiden sind vor dem Krieg in ihrem Heimatland Ukraine geflohen und haben eine vorübergehende Heimat bei den Gördes gefunden. Sie kannten sich vorher nicht. Claudia Görde, Autorin der Kinderbücher "Fritzi und Lulu", wird unseren Leserinnen und Lesern immer samstags berichten, wie es der Familie und ihren Gästen in der Woche ergangen ist.

 
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