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Würzburg
Sauna, Vitaminpräparate oder Impfungen? Würzburger Mediziner erklären, wie unser Immunsystem gut funktioniert
Ohne unser Immunsystem könnten wir nicht leben. Die Mediziner Georg Gasteiger und Wolfgang Kastenmüller erforschen es und geben Tipps.
Sind Inhaber der beiden Lehrstühle für Systemimmunologie an der Uni Würzburg und Leiter der Max-Planck-Forschungsgruppe: Prof. Georg Gasteiger (links) und Prof. Wolfgang Kastenmüller.
Foto: Thomas Obermeier | Sind Inhaber der beiden Lehrstühle für Systemimmunologie an der Uni Würzburg und Leiter der Max-Planck-Forschungsgruppe: Prof. Georg Gasteiger (links) und Prof. Wolfgang Kastenmüller.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 11.05.2024 02:42 Uhr

Das Immunsystem ist ein Wunderwerk des menschlichen Körpers. Aber wie funktioniert es eigentlich? Wie kann es Infektionen und Tumore abwehren und den Körper im Gleichgewicht halten? Dazu forschen an der Universität Würzburg die beiden Mediziner Prof. Georg Gasteiger und Prof. Wolfgang Kastenmüller. Die Fachärzte für Virologie und Mikrobiologie haben seit 2018 das Institut für Systemimmunologie aufgebaut – in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft.

Wir reden wie selbstverständlich vom Immunsystem. Was ist das eigentlich?

Prof. Georg Gasteiger: Wir stellen es uns gerne vor wie eine Polizei oder Feuerwehr vor, die im Körper dort hinkommt, wo etwas nicht stimmt. Dabei haben wir gelernt, dass Milliarden von Immunzellen von Geburt an in allen Geweben sitzen. Da gibt es welche, die sind auf die Leber oder die Lunge spezialisiert, andere auf die Haut. Das Immunsystem ist also auch beim gesunden Menschen überall im Körper aktiv.

Gibt es Organe, die für das Immunsystem wichtiger sind als andere?

Prof. Wolfgang Kastenmüller: Es gibt Organe, die das Immunsystem besonders aktivieren – das sind zum Beispiel die Lymphknoten oder die Milz. Bei anderen Organen hat das Immunsystem deren besondere Anforderungen gelernt. Bei Schäden an der Haut, die schnell heilen können, reagiert es anders als zum Beispiel im Gehirn.

Gasteiger: Ein Unterschied ist auch, wie stark Organe in Kontakt mit der Umwelt sind. Grenzflächen wie die Haut, Lunge oder dem Magen-Darm-Trakt sind ständig Mikroben oder potentiellen Allergenen ausgesetzt, da ist das Immunsystem anders gefordert als zum Beispiel in der Leber oder Niere.

Warum ist das Immunsystem so wichtig für uns?

Gasteiger: Zum einen wollen wir uns vor Infektionen schützen. Während wir jetzt sprechen, könnte ich zum Beispiel irgendwelche Partikel einatmen. Im Körper muss dann jemand entscheidenden, ob es etwas Harmloses, Nützliches oder Schädliches ist. Diese Entscheidung trifft letztlich das Immunsystem in jeder Sekunde, in der wir leben: Soll sich der Körper wehren oder soll er den Fremdkörper tolerieren?

Georg Gasteiger (vorne) und Wolfgang Kastenmüller haben sich der Erforschung des Immunsystems verschrieben. Auf ihren Erkenntnissen ruhen große Hoffnungen unter anderem in der Krebstherapie. 
Foto: Thomas Obermeier | Georg Gasteiger (vorne) und Wolfgang Kastenmüller haben sich der Erforschung des Immunsystems verschrieben. Auf ihren Erkenntnissen ruhen große Hoffnungen unter anderem in der Krebstherapie. 
Eine permanente Kontrollstation also...

Gasteiger: Genau. Und diese Kontrollstationen haben sich weiterentwickelt: Die Zellen übernehmen noch andere Funktionen. Immunzellen im Darm fördern zum Beispiel die Regenerierung der Schleimhaut, oder im Fettgewebe unseren Stoffwechsel. Im Herzgewebe unterstützen sie einen regulären Herzschlag. Wir lernen, dass das Immunsystem ganz vitale Funktionen hat. Es geht also nicht nur um die Abwehr von Eindringlingen.

Was kann das Immunsystem aus dem Gleichgewicht bringen?

Kastenmüller: Es ist eigentlich andersherum: Das Immunsystem hilft dabei, den Organismus im Gleichgewicht zu halten oder ihn wieder ins Gleichgewicht zu bringen – wenn das Immunsystem funktioniert.

Und wann streikt das Immunsystem? Was setzt ihm zu?

Gasteiger: Das sind häufig chronische Zustände, etwa wenn eine Verletzung nicht heilt. Oder bei chronisch-viralen Infektionen, bei einer Hepatitis zum Beispiel. Da kann das Immunsystem schädliche Zellen nicht permanent angreifen, weil sonst die Leber kaputtgehen würde. Da stößt es an Grenzen.

Kastenmüller: Dauerhafte, immer gleiche Schädigungen sind ein Problem. Dann muss dauernd etwas repariert werden, wie bei der chronischen Infektion. Dann kämpft das Immunsystem permanent dagegen an – und erschöpft sich, wenn das Ziel nicht erreicht wird. So etwas Ähnliches kann leider auch bei Krebserkrankungen passieren: Das Immunsystem reagiert nicht mehr richtig. Wir versuchen zu verstehen, wie wir es dann wieder aktivieren können.

Bewegung an der frischen Luft ist wichtig für das Immunsystem. Das Bild zeigt Spaziergänger und Radfahrer am Mainufer in Randersacker.
Foto: Daniel Peter | Bewegung an der frischen Luft ist wichtig für das Immunsystem. Das Bild zeigt Spaziergänger und Radfahrer am Mainufer in Randersacker.
Wie merke ich denn, wenn mit meinem Immunsystem etwas nicht stimmt?

Kastenmüller: Das ist leider nicht so leicht zu erkennen. Probleme mit einem bestimmten Organ können immer auch ein Hinweis sein, dass das Immunsystem nicht funktioniert. Aber weil die Wechselspiele so komplex sind, ist es oft nicht leicht, die eigentliche Ursache zu finden.

Gasteiger: Infektionen wie Herpes können Anzeichen dafür sein, dass das Immunsystem gerade, nur vorübergehend, diese Infektion nicht kontrollieren kann. Wenn Patientinnen und Patienten aber immer wieder bestimmte Infektionen, oder zum Beispiel Hautschädigungen haben, die nicht abheilen – dann kann auch eine Dysfunktion des Immunsystems vorliegen.

Kann ich das am Blutbild erkennen?

Kastenmüller: In jedem Fall die großen Defekte. Oder wenn das blutbildende System nicht funktioniert.

Welche Werte schaut man sich hier an?

Kastenmüller: Die Zahl der weißen Blutkörperchen, also der Leukozyten. Ein zweites ist die Menge der spezifischen Antikörper, die vom Immunsystem produziert werden.

Gasteiger: Man kann im Blutbild bestimmte Erkrankungen feststellen, aber zum Beispiel nicht sehen, was das Immunsystem in den Organen macht.

Kann ich mein Immunsystem eigentlich "stärken"?

Gasteiger: Weil das Immunsystem Teil des ganzen Körpers ist, hilft auch hier eine gesunde Lebensweise mit einer ausgewogenen Ernährung, Bewegung, hinreichend Schlaf. Stärken kann ich mein Immunsystem ganz spezifisch mit einer Impfung, indem ich ihm gewisse Pathogene vorstelle, sodass es besser gegen sie ankämpfen kann.

Kastenmüller: Wir wissen jedenfalls, was ihm nicht hilft: Stress und alles, was ihn auslöst. Deshalb ist es wichtig Strategien zu entwickeln, wie man sinnvoll mit Stress umgeht, wenn man sein Immunsystem stärken will.

Und was ist von all den beworbenen Vitaminpräparaten zur "Stärkung des Immunsystems" zu halten?

Kastenmüller: Was wir in unseren Breiten haben, ist ein Mangel an Vitamin D, vor allem im dunklen Winterhalbjahr. Er trifft besonders ältere Menschen. Hier ist es mit Sicherheit sinnvoll, mit zusätzlichen Präparaten auszugleichen. Bei anderen Mitteln wäre ich extrem skeptisch.

Die Regale sind voll mit Nahrungsergänzungsmitteln zur angeblichen Stärkung des Immunsystems. Was sie wirklich bringen, ist umstritten. Immunologe Wolfgang Kastenmüller ist skeptisch. 
Foto: Thomas Obermeier | Die Regale sind voll mit Nahrungsergänzungsmitteln zur angeblichen Stärkung des Immunsystems. Was sie wirklich bringen, ist umstritten. Immunologe Wolfgang Kastenmüller ist skeptisch. 
Auch bei Vitamin C?

Kastenmüller: Eine Studie aus den 70er Jahren hat auf einen möglichen positiven Effekt von Vitamin C für das Immunsystem hingedeutet. Das wurde im gleichen Jahr widerlegt – aber die Pharmaindustrie hat das damals aufgegriffen und es ist seitdem nicht mehr aus der Welt zu bringen.

Und das Saunieren?

Kastenmüller: Die Sauna sehe ich eher als Kreislaufstärkung, ähnlich wie Bewegung und Sport. Rausgehen und Kontakte haben, hat schon deshalb einen Trainingseffekt für das Immunsystem, weil man mit anderen Viren und Keimen in Berührung kommt. So wird das Immunsystem aktiviert. Das gehört zur Evolution, der Mensch ist kein Einzelwesen.

Und was passiert, wenn sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper wendet?

Gasteiger: Patienten mit Autoimmunerkrankungen haben häufig eine genetische Vorbelastung: Das Immunsystem ist dann leichter aktivierbar, oder kann sich nicht mehr regulieren. Infektionen oder andere Entzündungen können dann manchmal das Gleichgewicht verschieben und als Auslöser dienen. Es kommt zur Fehlregulationen und das Immunsystem greift den Körper an. Es interpretiert etwas als Fremdkörper, der keiner ist. Aber daraus können wir lernen. Umgekehrt passiert es nämlich, dass es einen Tumor nicht als Fremdkörper erkennt. Dies zu ändern, ist ein wichtiges Ziel unserer Forschung.

Ist die Immuntherapie die große Hoffnung im Kampf gegen Krebs?

Gasteiger: Da gibt es wirklich beeindruckende Erfolge, die die Forschung stimuliert haben. Aber auch bei vielen anderen Erkrankungen kann man ansetzen. Das Immunsystem hat eben nicht nur einen Abwehrcharakter. Genauso sind Immunzellen beim Reparieren der Gewebe und der Heilung aktiv.

 
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