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Würzburg
Weltkrebstag: Würzburger Forscher setzen auf Immuntherapie
So viel Hoffnung war selten: An Würzburgs Uniklinik sind Krebsmediziner neuen Therapien auf der Spur. Um sie zum Patienten zu bringen, werden eigene Unternehmen gegründet.
Dr. Thomas Bumm leitet am Würzburger Uniklinikum zusammen mit Prof. Gernot Stuhler eine Arbeitsgruppe zur Erforschung der Hemibody-Technologie.
Foto: UKW | Dr. Thomas Bumm leitet am Würzburger Uniklinikum zusammen mit Prof. Gernot Stuhler eine Arbeitsgruppe zur Erforschung der Hemibody-Technologie.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:42 Uhr

In Zeiten der Corona-Pandemie leidet die Aufmerksamkeit für eine andere Geißel der Menschheit: Allein im Jahr 2018 sind in Deutschland 230 000 Menschen an Krebs gestorben, über eine halbe Million Menschen erkrankt jährlich neu. Laut Deutscher Krebshilfe leben bundesweit rund vier Millionen Betroffene mit einer Krebs-Diagnose.

Der Weltkrebstag an diesem Donnerstag, 4. Februar, mahnt zur Prävention etwa durch Vorsorge-Untersuchungen und eine gesunde Lebensweise. Und er verweist auf große Fortschritte in der Krebsbehandlung. Denn es tut sich Bahnbrechendes in der Forschung – auch am Würzburger Uniklinikum, das seit wenigen Monaten ein weiterer Standort des Nationalen Tumorzentrums (NCT) ist. 

Die größten Hoffnungen ruhen auf der Immuntherapie. Als Alternative zu Chemo und Bestrahlung findet sie zwar schon länger Anwendung, vor allem bei Leukämie, Lymphknotenkrebs und mittlerweile auch Hautkrebs. Diese neuartige Therapien könnten aber bald auch für weitere Tumorarten eingesetzt werden.  Dafür werden die Forschungsaktivitäten an der Würzburger Uniklinik seit August in einem eigenen Zentrum für zelluläre Immuntherapie gebündelt.

Und die Erwartungen dort sind groß: "Die Immuntherapie hat die Möglichkeiten in der Onkologie revolutioniert und in den letzten Jahren Erfolge erzielt, die bislang undenkbar waren", sagt Prof. Matthias Eyrich, Krebsspezialist und Leiter des Bereiches Zelltherapie an der Uni-Kinderklinik.

Das Archivbild zeigt Professor Matthias Eyrich mit den medizinisch-technischen Assistentinnen Judith Gierse (vorne) und Christine Öhrlein bei der Qualitätskontrolle eines im GMP-Zelltherapie-Labor hergestellten Produktes.
Foto: ArchivMatthias Emmert, UKW | Das Archivbild zeigt Professor Matthias Eyrich mit den medizinisch-technischen Assistentinnen Judith Gierse (vorne) und Christine Öhrlein bei der Qualitätskontrolle eines im GMP-Zelltherapie-Labor hergestellten ...

Das Prinzip ähnelt jenem der Corona-Impfung, genutzt werden bei der Immuntherapie die Waffen des eigenen Körpers: Das Immunsystem von Patienten wird so "umprogrammiert", dass Tumorzellen von den neu ausgerichteten Immunzellen aufgespürt und gezielt zerstört werden können. Dafür muss die Immuntherapie in der Regel speziell für den einzelnen Patienten angefertigt werden.

Diese "personalisierte Medizin" gilt Fachleuten als Schlüssel im Kampf gegen Krebs. Man entnimmt dem Erkrankten eigene Zellen, verändert sie und verabreicht sie ihm dann wieder. Am Würzburger Uniklinikum werden viele dieser Manipulationen im eigenen Zelltherapie-Labor durchgeführt. Unter Leitung Eyrichs stellt es pro Jahr rund 120 Produkte her, hauptsächlich für Stammzelltransplantationen. 

So vielversprechend die neue Therapieform klingt – sie hat auch Schattenseiten. Es kommt zu teils lebensbedrohlichen Nebenwirkungen, wenn das veränderte Immunsystem nicht genau genug agiert und neben den entarteten Tumorzellen auch gesunde Zellen vernichtet. Unter Umständen muss dann eine Therapie abgebrochen werden. Ziel der Forschung ist deshalb, den körpereigenen Immunzellen beizubringen, exakt zwischen bösartigen und gesunden Zellen zu unterscheiden. Je präziser, desto geringer die Nebenwirkungen für den Patienten.

Hemibody-Technologie für neuartige Krebstherapie

An der Uniklinik entwickelt ein Team um die Mediziner Prof. Gernot Stuhler und Dr. Thomas Bumm seit über zehn Jahren eine Therapie mit neuen, weltweit einzigartigen Antikörpern: sogenannten Hemibodies. Vereinfacht erklärt: Zwei Bruchstücke von verabreichten Antikörpern vereinen sich erst im Tumorgewebe zu ihrer Wirkung. Sie erkennen gleich zwei verschiedene Antigene auf der Oberfläche einer Krebszelle und geben diese Information an das Immunsystem weiter. Dieses kann die Turmorzellen dann gezielter angreifen, gesundes Gewebe wird verschont.

So arbeiten 'Hemibodies' (rot und gelb), die sich an die Krebszelle binden: Rechts sieht man, wie sich die beiden Hemibodies zusammenfügen, eine Immunzelle (T-Zelle) festhalten und hochpräzise aktivieren. Sie kann die bösartige Krebszelle zerstören.
Foto: Uniklinikum Würzburg | So arbeiten "Hemibodies" (rot und gelb), die sich an die Krebszelle binden: Rechts sieht man, wie sich die beiden Hemibodies zusammenfügen, eine Immunzelle (T-Zelle) festhalten und hochpräzise aktivieren.

Unterstützt wurde das Forschungsprojekt vor drei Jahren mit einer Million Euro an Spenden aus der Region Mainfranken, gesammelt vom Verein "Hilfe im Kampf gegen Krebs" um die Vorsitzende Gaby Nelkenstock. Mittlerweile sind die Würzburger Mediziner einen großen Schritt weiter: Ihre Studien haben gezeigt, dass die Hemibodies das Multiple Myelom, eine bösartige Krebserkrankung des Knochenmarks, effektiv und genau bekämpfen können. Das macht Hoffnung auch für andere Tumorarten.

Für die Forscher geht es nun darum, die neuartige Therapie zur Anwendung bei möglichst vielen Patienten zu bringen. Hierfür haben Stuhler und Bumm 2019 die Cherry Biolabs GmbH gegründet, gefördert vom Bundesforschungsministerium.  Auch die Uni Würzburg unterstützt das Unternehmen über das Servicezentrum Forschung und Technologietransfer und hat ihm die weltweiten Vermarktungsrechte für die Hemibody-Technologie erteilt.

Würzburger Zusammenarbeit mit Biotech-Unternehmen

Erst im  Dezember 2020 hat die Cherry Biolabs GmbH nun den Abschluss einer Lizenzvereinbarung mit der MorphoSys AG bekanntgegeben, ein Biopharma-Unternehmen mit Sitz in Planegg bei München. Es darf die Hemibody-Technologie für sechs exklusive Zielmoleküle nutzen. Cherry-Biolabs-Geschäftsführer Gernot Stuhler ist zuversichtlich, "dass MorphoSys dieses innovative Konzept in die Klinik bringen und einen spürbaren Unterschied für Patientinnen und Patienten bewirken wird“.

Auch das Mainzer Unternehmen BionTech, global bekannt durch seinen Corona-Impfstoff, wurde einst an einer Universität ausgegründet. Im besten Fall machen auch die Würzburger Forscher noch weltweit positive Schlagzeilen. Im Kampf gegen die Geißel Krebs.

 
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