Wie läuft der Entwicklungsprozess der "Pastoralen Räume"? Wo "klemmt" es noch beziehungsweise muss nachgebessert werden? Unter anderem diese Fragen beschäftigten die Delegierten des Diözesanrats der Katholiken im Bistum Würzburg auf der jüngsten Vollversammlung. Im Gespräch berichtet der Diözesanratsvorsitzende Michael Wolf, wo es noch Reibungsflächen bei der Strukturreform "Gemeinsam Kirche sein – Pastoral der Zukunft" gibt. Außerdem sagt der 61-Jährige aus Schmerlenbach (Lkr. Aschaffenburg), der seit Oktober 2018 an der Spitze des höchsten Laiengremiums im Bistum Würzburg steht, warum Laien nicht mehr Laien genannt werden möchten.
Michael Wolf: Das ist der Diözesanrat natürlich noch. Aber wir bezeichnen uns jetzt bevorzugt als freiwillig Engagierte. Dazu gab es einen Antrag bereits in einer vorhergehenden Vollversammlung, denn heute verstehen die Leute unter Laien eher Amateure. Ich sage jedoch gerne mit einem Augenzwinkern: Die katholische Kirche ist die einzige Organisation, die ihre Spezialisten als Laien bezeichnet. Ich stoße mich aber nicht an diesem Begriff, weil es in der Kirche den Unterschied gibt zwischen Laien, also den nicht Geweihten, und Klerikern, den Geweihten. Zudem bin ich mir bewusst, was ich kann und was ich nicht kann, auch als Laie.
Wolf: Es gibt noch eine Ungleichzeitigkeit in der Umsetzung der strukturellen Veränderungen - also Räume, die sehr schnell unterwegs sind, weil sie zum Teil Testgebiete und damit Vorreiter waren. Dazu gehört der Pastorale Raum "Schwarzach am Main - Sankt Benedikt" im Dekanat Kitzingen. Er ist der erste Raum, der vor kurzem mit Eröffnungszeremonie ins Leben gerufen wurde. Es gibt aber auch Räume, wo es noch sehr langsam läuft - etwa "Aschaffenburg Ost", speziell in der Gemeinde Hösbach, wo ich herkomme. Die Gründe dafür sind wohl so unterschiedlich wie die einzelnen Pastoralen Räume. Es braucht Zeit, bis sich alles einschwingt.
Wolf: Wir haben mit den Pastoralen Räume eine Idee formuliert. Wir haben Probleme besprochen und Kompromisse erreicht. Was wir nicht wissen, ist: Wie funktioniert es im richtigen Leben? Jede Strukturänderung bringt Unruhe und Verunsicherungen. Und jede Theorie muss sich in der Praxis bewähren. Wir kommen nun in ein Stadium, wo wir in die Umsetzung gehen und erneut experimentieren, uns fragen müssen: Sind die Ideen tragfähig? Wo müssen wir ausbauen? Oder wo müssen wir uns von etwas verabschieden, das wir damals ganz toll gefunden haben? Das wissen wir alle noch nicht.
Wolf: Den Vorbereitungsgruppen, die die Pastoralen Räume betreuen, bis sie final errichtet sind, sollen nicht nur Hauptamtliche, sondern auch Ehrenamtliche angehören. Das ist noch nicht überall der Fall. Deshalb haben wir jetzt Briefe an die Vorsitzenden des Dekanatsrats geschrieben, um sie darauf aufmerksam zu machen. Denn es ist eine Notwendigkeit, dass nicht über uns, sondern mit uns entschieden wird. Diesen Anspruch haben wir. Die Frage der Augenhöhe findet sich auch beim Synodalen Weg, dem deutschen wie dem weltweiten.
Wolf: Wir haben eine monarchische Struktur in der Kirche. Ein Blick in die Kirchengeschichte zeigt: In der Frühzeit des Christentums gab es diese nicht. Im Römischen Reich passten sich die frühen Christen dann schnell dem imperialen Stil an. Der Pfarrer entsprach dem weltlichen niederen Adel, der Bischof dem Fürsten. Heute sind wir demokratisch sozialisiert und diskutieren über die Fragen: Was können wir? Was dürfen wir? Wie sieht die Struktur aus? Wir haben bei den Laien wie bei den Klerikern die extrem Progressiven und auf der anderen Seite die extrem Traditionellen. Und in der Mitte die vielen, die weder das eine noch das andere sind. Aber die meisten Gläubigen wollen nicht mehr von oben herab bevormundet werden.
Wolf: Das klingt ketzerisch und ist provokant – aber auch sehr interessant. Denn das Weiheamt gibt es im Christentum nicht seit ewigen Zeiten. Die Frage ist jedoch: Wie werden die Bischöfe Beschlüsse des Synodalen Wegs umsetzen? Sie müssen es nicht. Sie haben die Macht.
Wolf: Nicht nur im Priesterseminar zeigt sich diese Realität. Auch die Pastoralkurse an der Universität Würzburg haben kaum noch Interessenten. In den vergangenen beiden Semestern wollte sogar niemand Pastoralreferentin oder Pastoralreferent werden. Wir wissen also, was auf uns zukommt. Die Idee der Pastoralen Räume ist: Hilfe zur Selbsthilfe. Ich begreife das als Chance. Der Umgang auf Augenhöhe wird sich auch in der Emanzipation zeigen: Wenn die Zahl der geweihten Hauptamtlichen immer mehr abnimmt, wird die Verantwortung auf die Laien beziehungsweise freiwillig Engagierten übertragen werden müssen, damit Kirche vor Ort weitergeht. Wir müssen künftig also vieles selbst auf die Beine stellen. Das wird nicht einfach sein. Wir fordern als Ehrenamtliche gerne, wir müssen dann aber auch bereit sein zu liefern.
Stellen in der Pastoral vor Ort werden nicht oder nur teilweise neu besetzt - egal, ob Pfarrsekretariat (= erste Anlaufstelle!); Jugendpastoral (Verbände, aber auch Schul-Angebote) oder Vor-Ort-Personal wie Pfarrer, Gemeinde- und Pastoralreferent*innen (Leitungsstellen im Ordinariat werden nach wie vor mit Priestern oder zumindestr Theologen besetzt - warum?)
Bildungshäuser werden geschlossen, Bildungsangebote heruntergefahren - gerade eher offene Angebote waren/sind oft Anker, um Menschen wieder für Kirche zu interessieren.
Kurz:
Eine Organisation schafft sich ab.
Ehrenamtliche - also wir Spezialisten - dürfen die Lücken stopfen.