Das größte internationale Hilfswerk in Mainfranken steht vor einem Umbruch. Die derzeit in 22 Ländern tätige Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) mit Sitz in Würzburg reagiert damit auf einen zunehmend umkämpften Spendenmarkt und auf interne Spannungen.
Beschäftigte hatten gekündigt, Ehrenamtler sich aus dem Vorstand zurückgezogen – man rang und ringt um die Ausrichtung. Zur Jahresmitte verlässt nun nach 13 Jahren auch Geschäftsführer Burkard Kömm die DAHW, die 1957 als "Deutsches Aussätzigen-Hilfswerk" gegründet worden war. Er habe sich schon länger mit dem Gedanken getragen, wieder ins Ausland zu gehen, sagt der 56-Jährige im Gespräch.
Geschäftsführer hört zur Jahresmitte auf und geht nach Tansania
Kömm war vor seiner DAHW-Zeit bereits in Kenia und Nigeria tätig. Im Juli übernimmt er im Auftrag der bundeseigenen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) die Leitung eines Pandemieprogramms der Ostafrikanischen Gemeinschaft in Arusha (Tansania). Dass sein Wechsel mit der geplanten Umstrukturierung bei der DAHW und einer Teil-"Entmachtung" des Geschäftsführers zusammenhängen könnte, weist der Gesundheitsökonom zurück.
Er selbst habe seit Jahren eine weitere Professionalisierung der Arbeit gefordert, sagt Kömm. Ein rein ehrenamtlicher Vorstand sei mit den Aufgaben eines mittelgroßen Hilfswerkes samt Jahresetat von rund 14 Millionen Euro überfordert. Die Fragen seien komplex und "die Risiken teils erheblich, weil die Vorstandsmitglieder für Entscheidungen letztlich auch mit ihrem Privatvermögen haften".
Eine Einschätzung, die der 2018 ins Amt gewählte ehrenamtliche DAHW-Präsident Patrick Georg grundsätzlich teilt. Er treibt systematisch eine Reform der Führungsstruktur voran, setzt dabei auf Analyse, Argumente und Diskussion. Beschließen soll die Neuaufstellung eine Mitgliederversammlung voraussichtlich im Mai. Die Auflösung des ehrenamtlichen Vorstandes ist Teil der Reform.
Georg wäre damit der letzte Präsident der DAHW, er würde sich praktisch selbst abschaffen. Für den 44-jährigen Religionslehrer ist das nur konsequent. Künftig soll – statt eines einzelnen Geschäftsführers – ein hauptamtliches Vorstandsduo das Hilfswerk leiten, kontrolliert durch den Aufsichtsrat. Ihm sollen neben Ehrenamtlichen auch externe Fachleute angehören.
Offensichtlich ging man davon aus, dass Kömm als einer von zwei Vorständen weitermacht. Doch nun räumt er das Feld. "Damit kann die neue Führung ganz frei aufgestellt werden", sagt der Geschäftsführer, der auch mit internen Widerständen und Kritik zu tun hatte. So äußerten vor einem guten Jahr 20 der aktuell 53 Beschäftigten in der Würzburger Zentrale in einem offenen Brief ihren Unmut über die DAHW-Entwicklung. Ziele würde nicht konsequent verfolgt, die Strategie wurde hinterfragt.
Anteil für Verwaltung und Öffentlichkeitsarbeit soll gesenkt werden
Bei steigenden Kosten im Hauptquartier bleibe immer weniger Geld für die eigentliche Projektarbeit. Insider befürchteten sogar den Verlust des prestigeträchtigen Spendensiegels. Der scheidende Geschäftsführer dementiert eine solche Gefahr. Man sei dabei, die Ausgaben für Verwaltung und Öffentlichkeitsarbeit unter 20 Prozent zu bringen. Zuletzt lagen sie laut Jahresbericht bei rund 23 Prozent.
Die Kritik an der Höhe war einer der Gründe, warum die beiden ehrenamtlichen Finanzvorstände vor zwei Jahren ihre Ämter niederlegten. Kömm ist überzeugt: "Lepra und Tuberkulose sind schwer zu vermittelnde Themen. Da braucht es ein gewisses Maß an Öffentlichkeitsarbeit, um Spenden einzuwerben."
Kontraproduktiv sind Negativnachrichten wie im vergangenen Jahr aus Tansania: Hier hatten sich nach Informationen dieser Redaktion drei Angestellte mit gefälschten Belegen bereichert. Dass sie aufflogen, ist für den Geschäftsführer ein Beweis, "dass die Kontrolle funktioniert". Wichtig sei, "dass man reagiert", so Kömm, was hier geschehen sei. Der Fall zeige aber auch, mit welchen Herausforderungen ein ehrenamtlicher Vorstand befasst sei. Als weitere Beispiele nennt Kömm heikle Zahlungsmodalitäten in Sanktionsländern wie Afghanistan oder das neu geschaffene Lobbyregister.
Mit der neuen, vom Präsidenten forcierten Struktur würde sich die DAHW an anderen Hilfsorganisationen und den Vorgaben von VENRO orientieren, dem Dachverband der entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen in Deutschland.
Das reine Spendenaufkommen der DAHW und damit die frei verfügbaren Mittel sind mit derzeit rund 6,5 Millionen Euro jährlich seit längerem leicht rückläufig. An Bedeutung gewonnen haben Erbschaften (knapp zwei Millionen Euro laut Jahresbericht 2020) und gebundene Drittmittel von Projektpartnern (rund 4,6 Millionen Euro).
Künftig Konzentration auf weniger Schwerpunktländer?
Weil neben dem langjährigen Geschäftsführer auch eine wichtige Abteilungsleiterin ihr Ausscheiden zur Jahresmitte angekündigt hat, ist Noch-Präsident Patrick Georg in nächster Zeit gefordert. Laut alter Satzung muss er sich bis zur Besetzung der beiden geplanten Vorstandsposten übergangsweise um die Geschäftsführung kümmern. Er will dies gemeinsam mit dem bisherigen Stellvertreter des Geschäftsführers tun.
Und zu alledem steht auch eine inhaltliche Neuausrichtung an. Details dazu sind noch nicht öffentlich. Aber dem Vernehmen nach will die DAHW die Zahl ihrer Einsatzländer reduzieren und sich auf die ärmsten Regionen konzentrieren. Gut möglich, dass sich das Gesundheitshilfswerk ein Stück weit gesund schrumpft.