Wenn es um Gesundheit in der Welt geht, sind die Herausforderungen gigantisch. Das zeigt aktuell das grassierende Coronavirus, das zeigen viele vernachlässigte Tropenkrankheiten – und auch die Lepra ist noch nicht ausgerottet. Von Würzburg aus hätte die 1957 gegründete Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) also alle Hände voll zu tun. Das frühere Deutsche Aussätzigen-Hilfswerk versteht sich als internationales Gesundheitswerk, tätig in 20 Ländern, mit einem Jahresetat von zuletzt rund 14 Millionen Euro.
Nachwahlen bei außerordentlicher Mitgliederversammlung
Doch derzeit ist an der Spitze der Hilfsorganisation Sand im Getriebe: Die beiden Finanzverantwortlichen im fünfköpfigen, ehrenamtlichen Vorstand sind zum Jahreswechsel zurückgetreten – was Fragen aufwirft. Es rumort in der Zentrale in der Würzburger Raiffeisenstraße. Bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 15. Februar sollen zwei Nachfolger für den Vorstand gewählt werden.
Über die Gründe für ihren Rückzug wollen sich Banker Stefan Mack aus Würzburg und Jochen Schroeren aus Viersen (Nordrhein-Westfalen) wegen der gebotenen Vertraulichkeit von Vorstandsangelegenheiten nicht näher äußern. Von Schroeren – technischer Betriebswirt, 53 Jahre alt und seit dem zehnten Lebensjahr für die DAHW aktiv – erfährt man zumindest soviel: "Ich kann meinem eigenen Anspruch an die Vorstandsarbeit nicht gerecht werden und will daher die mittelfristige Planung der DAHW nicht mittragen.“
Das lässt sich wohl nur wie folgt übersetzen: Hier ist jemand mit dem Einsatz von Geld und Personal nicht mehr einverstanden. Seit 2010 hat Schroeren im Vorstand mitgearbeitet. Von ihm weiß man, dass er möglichst viel an Spendenmitteln in die Länder für die dortige Projektarbeit lenken will. Dieser Anteil ist jedoch seit 2013 von knapp 82 Prozent stetig auf 75 Prozent (2018) gesunken, dagegen der Aufwand für Verwaltung, Informations- und Öffentlichkeitsarbeit von 18 auf fast 25 Prozent gestiegen.
Der "Spenden-TÜV", das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI), erteilt der DAHW zwar weiterhin das Spendensiegel. Mit ihrem Verwaltungsanteil von einem Viertel rangiert das Würzburger Hilfswerk allerdings nur im Bereich von 20 bis 30 Prozent, den das DZI noch als "vertretbar" bezeichnet. Als "angemessen" gelten weniger als 20 Prozent. Nach Zahlen des letzten Jahresberichtes (2018) beschäftigt die DAHW neben Geschäftsführer Burkard Kömm 51 Mitarbeiter in Vollzeit, sechs in Teilzeit und drei in Altersteilzeit – ein vergleichbarer Stand wie zehn Jahre zuvor.
Richtungsstreit: Sparen oder investieren?
Als Finanzfachmann wurde Stefan Mack erst im Juni 2018 neu in den ehrenamtlichen Vorstand gewählt, vier Jahre würde die Amtszeit eigentlich dauern. Wie sein scheidender Kollege Jochen Schroeren zweifelt auch Mack nicht grundsätzlich an der Arbeit der DAHW in den Ländern, die sei "wichtig und erfolgreich". Aber auch er will die Entwicklung des Hilfswerkes nicht mehr mitvertreten.
Wie im Umfeld zu erfahren ist, wollten die beiden Finanzvorstände einen Richtungswechsel – mit mehr Mitteln für die Projektarbeit und deren Absicherung durch Rücklagen. Auf Zinsrisiken hatten sie bereits im Jahresbericht 2018 hingewiesen.
Ordentlich geknirscht hat es offenbar im Zusammenspiel mit dem hauptamtlichen Geschäftsführer Burkard Kömm. Er gehört dem ehrenamtlichen Vereinsvorstand nicht an, ist aber als "Besonderer Vertreter" bestellt und hat damit die volle Verantwortung über das operative Geschäft. Haben sich für seinen Geschmack die zwei Finanzleute im ehrenamtlichen Vorstand zu sehr eingemischt? Gar ein Machtkampf?
So könnten Hinweise zu verstehen sein, die der neue DAHW-Präsident Patrick Miesen den Mitgliedern mit der Einladung zur außerordentlichen Versammlung geschickt hat. Er verweist darin unter anderem auf die starke Rolle des Geschäftsführers, auf ein Risikomanagementsystem und eine gültige Zehn-Jahres-Strategie bis 2025.
Geschäftsführer Kömm spricht auf Anfrage von Misstrauen bei einzelnen Vorstandsmitgliedern. Externe Revisoren wurden von ihnen eingeschaltet. Ja, es habe unterschiedliche Vorstellungen gegeben. "Aber die Budgets, die der Vorstand beschlossen hat, wurden immer eingehalten", beteuert Kömm. Auch die Gründung einer nigerianischen Hilfsorganisation ("Red Aid") unter dem Dach der DAHW – und mit führender Aufgabe für Kömms nigerianischen Schwager – sei im Vorstand transparent gemacht worden. Der Geschäftsführer: "Ja, wir brauchen mehr Verantwortung in den einzelnen Ländern."
Der ebenfalls im Juni 2018 gewählte neue DAHW-Präsident Patrick Miesen bestätigt "kontroverse Diskussionen" im Vorstand. Während die beiden Finanzvorstände "deutliche Sparmaßnahmen" bei Personal, Verwaltung und Öffentlichkeitsarbeit gefordert hätten, hätten sich die drei anderen Vorstandsmitglieder zusammen mit den hauptamtlichen Führungskräften für "kluge Investitionen" ausgesprochen. Mit drei zu zwei Stimmen habe man den Etatplan 2020 verabschiedet.
Sparen oder investieren – diese Frage habe viele Sitzungen dominiert, so Miesen in einer schriftlichen Antwort gegenüber der Reaktion. Er bestätigt die gestiegenen Personalkosten für Verwaltung und Öffentlichkeitsarbeit in den letzten zehn Jahren. Damit liege man allerdings unterhalb der Tarifsteigerung im Öffentlichen Dienst. Dennoch solle sich der Anteil der Werbe- und Verwaltungsausgaben in den nächsten drei Jahren von derzeit 23,74 Prozent "wieder Richtung 20 Prozent" bewegen.
Schroeren will als Mitglied weiter mithelfen
Trotz Rückzug aus dem Vorstand will Jochen Schroeren von seiner Heimat Viersen aus weiterhin ehrenamtlich für die Organisation tätig bleiben. Mit einer örtlichen Gruppe pflegt er den direkten Kontakt zu einer Leprastation in Bolivien.
Schließlich ist die Gründungsaufgabe der DAHW noch lange nicht erledigt. Erst Ende Januar war Weltlepratag, zu dem Geschäftsführer Burkard Kömm feststellte: "Wie bei vielen anderen vernachlässigten Tropenkrankheiten fehlt es auch bei der Lepra an Aufmerksamkeit und in der Folge an finanziellen Mitteln."
Das besagt ja schon alles, Vetternwirtschaft, GF sollte sofort zurück treten.