Es ist das größte internationale Hilfswerk der Region. Mit gut 50 Mitarbeitern und einem jährlichen Spendenaufkommen von zuletzt rund elf Millionen Euro ist man derzeit weltweit in 19 Ländern tätig. Seit ihrer Gründung 1957 in Würzburg (als Deutsches Aussätzigen-Hilfswerk) ist die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) eine Konstante unter den deutschen Hilfsorganisationen. Seit Juni vergangenen Jahres hat sie einen neuen ehrenamtlichen Präsidenten.
Betont "präsidial" gibt sich der Neue an der DAHW-Spitze nicht. Patrick Miesen ist ein kommunikativer Typ, durchaus locker im Ton - aber klar in seiner Überzeugung. Mit dem 41-jährigen Religionslehrer aus Wiesbaden hat ein Generationswechsel im Hilfswerk stattgefunden.
Als DAHW-Präsident Nachfolger von Gudrun von Wiedersperg
Miesen trat im Juni 2018 die Nachfolge von Gudrun von Wiedersperg an, die neun Jahre Präsidentin war. Im operativen Bereich hält seit einer Dekade Geschäftsführer Burkard Kömm die Zügel in der Hand. Organisiert ist man weiterhin als eingetragener Verein, mit einem ehrenamtlichen fünfköpfigen Vorstand und einem Aufsichtsrat.
Die DAHW steht vor großen Herausforderungen: Zwar blieb das Spendenvolumen in den vergangenen Jahren wie generell bei den Hilfsorganisationen recht stabil. Allerdings schrumpft altersbedingt die Zahl der Spender. Junge Unterstützer zu finden - dafür muss auch eine DAHW neue Kanäle und Ideen entwickeln.
"Junge DAHW" als Jugendorganisation gegründet
Patrick Miesen hat dazu vor einem Jahr die "Junge DAHW" als Jugendorganisation auf den Weg gebracht. Mit einigen seiner aktuellen und ehemaligen Schüler gründete er die Gruppe unter dem DAHW-Dach. Und er denkt das Projekt noch größer: Mitstreiter der "Jungen DAHW" sollen sich mit Anti-Lepra-Aktivisten aus Tschechien treffen und sogar mit Jugendlichen aus Äthiopien in Kontakt treten. Miesens Vision: ein internationales Jugendnetzwerk zur Unterstützung im Kampf gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten.
Denn es geht nicht nur um Lepra und Tuberkulose. In der Entwicklung hin zu einem internationalen Gesundheitswerk will sich die DAHW weiter öffnen - für andere Krankheiten und für humanitäre Nothilfe wie aktuell im Jemen. Der beständige Umbau im Hilfswerk, formuliert in einer Zehn-Jahres-Strategie, gefällt nicht jedem im derzeit 80 Mitglieder zählenden Verein und bei den Beschäftigen. Auch kritische Stimmen waren in den vergangenen Jahren zu vernehmen.
In den Projektländern hat sich einiges verändert. Dort setzt man weniger auf deutsche Experten, sondern verstärkt die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern, um Synergien zu schaffen. Patrick Miesen steht für diesen Kurs. Die Leitung der Regionalbüros auf den verschiedenen Kontinenten liegt nun weitgehend in den Händen ortsansässiger Mitarbeiter. Perspektivisch wolle das Hauptquartier in Würzburg flankierend unterstützen und stehe im Bedarfsfall als Backup bereit.
Der 41-Jährige setzt auf Modernisierung und Professionalisierung, sagt aber auch: "Ich möchte keinesfalls vergessen, wo wir herkommen. Als eine der größten humanitären Bürgerinitiativen der Welt haben wir unseren Ausgangspunkt in Würzburg." Mit Würzburger Bürgern, voran dem Ehepaar Hermann und Irene Kober, habe das Engagement vor 62 Jahren begonnen.
Vier Tage pro Woche Lehrer, ein Tag DAHW-Präsident
Die DAHW sieht Miesen nicht nur historisch und emotional, sondern auch strukturell in Würzburg verankert - nicht zuletzt durch die Zusammenarbeit mit dem Missionsärztlichen Institut. Trotzdem müsse das Hilfswerk über den lokalen Tellerrand schauen: "Mit dem Standbein in Würzburg, der Ausrichtung ins gesamte Bundesgebiet und der internationalen Vernetzung stehen wir gut da." Miesen selbst hat als Religionslehrer und Schulseelsorger in Wiesbaden eine Vier-Tage-Woche. Jeden Freitag kommt er für seinen "Präsidententag" in die DAHW-Zentrale in der Würzburger Raiffeisenstraße.
Der Organisation ist er seit 25 Jahren verbunden, engagierte sich schon als Schüler mit dem Verkauf von Weihnachtskarten und dann als Theologiestudent. Zusammen mit "Lepra-Pater" Richard, einer der ersten DAHW-Ehrenamtlichen überhaupt, zog er durch Städte und Gemeinden am Rhein, an der Mosel, im Westerwald und im Taunus - und "predigte", unter anderem vom Kampf gegen die Armutskrankheiten.
In zehn Jahren: vom ehrenamtlichen Mitarbeiter zum Präsidenten
Bei der DAHW-Zukunftswerkstatt im Jahr 2008 war Patrick Miesen einer von acht Ehrenamtlichen aus ganz Deutschland, die zu der Strategiekonferenz nach Würzburg eingeladen wurden. Von da an ging es schnell: 2011 wurde er Mitglied im DAHW-Verein, seit 2013 ist er im Vorstand, seit 2015 Vize-Präsident und seit Juni 2018 nun Präsident, gewählt für eine fünfjährige Amtszeit.
Im Wettbewerb der Organisationen um den großen Spendenkuchen will sich Miesen gerne von Idealismus, nicht aber von Brotneid und Konkurrenzdenken leiten lassen. Natürlich, sagt der Rheinland-Pfälzer, werbe er für das eigene Hilfswerk. Aber als Theologe sehe er das große Ganze: "Wir arbeiten alle an einer gerechteren Welt."