Wie fühlt Würzburg, genau ein Jahr nach dem schrecklichen Messerangriff, bei dem ein 31-jähriger Somalier drei Frauen mit einem Messer ermordet und weitere verletzt hatte? Diese Frage schwebte am Samstag für aufmerksame Beobachterinnen und Beobachter durch die Innenstadt. Abschließend und pauschal beantworten lässt sie sich nicht. Würzburg trauert, Würzburg hält zusammen – das machten verschiedene zurückhaltende Gedenkversammlungen deutlich.
Doch auch Hass und Spaltung bleiben – das zeigte die politische Instrumentalisierung der Tat, die auch am Jahrestag nicht ausgeblieben war.
"365 Tage sind seitdem vergangen, aber heute kommt es mir beinahe so vor, als sei die schreckliche Tat erst gestern geschehen, so tief sitzt der Schock, so lebendig sind die Erinnerungen und so intensiv die damit verbundenen Empfindungen", sagte Oberbürgermeister Christian Schuchardt (CDU) in einer Rede während des Gedenkgottesdienstes in der Marienkapelle.
Während der Kranzniederlegung am Tatort um 17 Uhr – sie war der wohl wichtigste Teil des öffentlichen Gedenkens – blieb er stumm – ebenso wie die Würzburgerinnen und Würzburger, die zahlreich gekommen waren.
Politische Instrumentalisierung auf Versammlungen in Würzburg
Melancholische Blasmusik, symbolische Kranzniederlegung, dann Schweigen – so lief das öffentliche Gedenken am Barbarossaplatz vor dem Woolworth-Kaufhaus. Kaum gegensätzlicher hätte die politische Instrumentalisierung der Tat sein können. Die AfD hatte – wie schon vor einem Jahr – eine Kundgebung in Tatortnähe angezeigt. Mit rund 50 Teilnehmenden war es die größte politische Versammlung in Würzburg an diesem Tag. Der unterfränkische AfD-Chef Richard Graupner war gekommen, genau wie der Thüringer Rechtsextremist Björn Höcke.
Höcke setzte gegen 14 Uhr gerade dazu an, nahe des Tatorts mit Lautsprecher von einer "fehlgesteuerten Einwanderungspolitik" zu sprechen, als er von Gegenprotest mit dem Ruf "Gedenken, nicht hetzen" übertönt wurde. "Gegen diese Hetzerei, gegen Ausländerfeindlichkeit" sei sie auf der Straße, sagte dazu die 61-jährige Anne Gräber von den "Omas gegen rechts", die sich unter die Protestierenden gemischt hatte.
Auch gegen eine Versammlung am Unteren Markt der rechtspopulistischen Organisation "Pax Europa", die gegen eine unterstellte Islamisierung Europas kämpft, gab es Protest. "Pax Europa" setzt sich vorgeblich gegen den "politischen Islam" ein. Man habe nichts gegen Musliminnen und Muslime, so ein Redner. Der Messerangriff in Würzburg zeige jedoch die Auswirkungen des "politischen Islam". Tatsächlich gibt es laut Ermittlungen keine Hinweise auf ein islamistisches Motiv des Täters. Stattdessen habe dieser in Folge einer wahnhaften Psychose gehandelt.
Würzburger Polizei zieht positive Bilanz vom Versammlungsgeschehen
Wenig bis gar nicht besucht waren die Kundgebungen der Grünen Jugend, der Würzburger Jusos und des Würzburger Bündnisses für Zivilcourage. Die Jusos hatten eine Gegenkundgebung zu "Pax Europa" am Oberen Markt angesetzt – nach eigener Aussage, um den prominenteren Platz zu blockieren. Das Bündnis für Zivilcourage hatte ein schweigendes Gedenken mit Schildern vorm Woolworth organisiert.
Im Anschluss an das öffentliche Gedenken ehrte OB Schuchardt schließlich noch die Helferinnen und Helfer gegen den Messerangreifer und anwesende Rettungskräfte im Rathaus. "Der 25. Juni 2021 ist aber nicht nur mit Bildern der Gewalt verbunden, sondern auch mit Bildern einer beeindruckenden Zivilcourage und Mitmenschlichkeit", wird Schuchardt in einer zugehörigen Pressemeldung zitiert.
"Positive Bilanz" des Gedenktags zieht die Würzburger Polizei, die mit zahlreichen Kräften in der Innenstadt Präsenz gezeigt hatte, in einer Pressemitteilung: "Die Versammlungsteilnehmer machten störungsfrei von ihrem Recht auf Versammlungsfreiheit gebrauch."