
Jedes Jahr erhalten rund 510.000 Menschen in Deutschland laut Deutscher Krebshilfe die Diagnose Krebs. Tendenz steigend. "Es ist ein Schock. Es zieht einem den Boden unter den Füßen weg", sagt Krebspatientin Ulrike S. aus Würzburg. Viele Betroffene würden sich nicht trauen, offen über ihre Diagnose zu sprechen: "Krebs ist immer noch ein Tabuthema." Auch Angehörige und Freunde tun sich oft schwer, darüber zu reden.
In den nächsten Wochen wird sich diese Redaktion in einer Serie mit der Volkskrankheit Krebs auseinandersetzen: neue Therapieformen vorstellen, Angebote zur Beratung und Unterstützung zeigen, über Vor- und Nachsorge informieren. Vor allem aber will sie Patienten und Angehörigen helfen, sie unterstützen und positiv begleiten.
Krebs ist in Deutschland die zweithäufigste Todesursache
Statistisch gesehen erkrankt jeder zweite Deutsche in seinem Leben an einer Krebsart. In Deutschland ist Krebs die zweithäufigste Todesursache. Rund 230.000 Menschen, ein Viertel aller Verstorbenen, erlagen nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes 2018 einem Krebsleiden.
"Bei vielen Krebserkrankungen bieten die klassischen Therapie-Möglichkeiten Chirurgie, Strahlen- und Chemotherapie Heilungsoptionen. Bei etwa 50 Prozent der Krebserkrankungen ist aber nach wie vor keine Heilungsmöglichkeit gegeben. Hier müssen Forschung und neu entwickelte Therapien ansetzen", sagt der Würzburger Krebsforscher Prof. Hermann Einsele.
Männer erkranken an der Alterskrankheit Krebs im Durchschnitt mit 69 Jahren, Frauen mit 68 Jahren. Bei den meisten Krebsarten steigt das Risiko, an ihren zu erkranken, mit dem Alter an. Nur wenige Arten wie etwa Gebärmutterhals- oder Hodenkrebs treten häufiger im jüngeren oder mittleren Lebensalter auf. "Erworbene genetische Veränderungen nehmen mit dem Alter zu. Daher gibt es einen klaren Zusammenhang zwischen Alter und Krebs", sagt Einsele.
Eine steigende Zahl an Krebsneuerkrankungen in einer alternden Gesellschaft ist für die Medizin eine große Herausforderung. Experten gehen bis 2040 von einem Anstieg auf 600.000 Neuerkrankungen im Jahr aus. Zudem können Therapien für ältere Patienten belastender sein.
40 Prozent der Krebserkrankungen könnten vermieden werden
Prävention und Früherkennung können Krebs im Alter verhindern. Neue Behandlungsansätze, personalisierte Medizin, Datensammlungen und Künstliche Intelligenz sollen beim Kampf gegen Krebs helfen. "In der Vorbeugung liegt die große Chance für alle, die heute jung und gesund sind", sagt Prof. Otmar Wiestler vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Mit einer jährlichen Präventionswoche im September, die auf Risiken aufmerksam machen soll, verfolgen das DKFZ und die Deutsche Krebshilfe das Ziel, Krebs gar nicht erst entstehen zu lassen.

Prävention beginnt mit dem Wissen um Ursachen. Rauchen, Alkohol, fehlende Bewegung, ungesunde Ernährung und starkes Übergewicht gelten laut der Weltgesundheitsorganisation als Risikofaktoren. Sie schätzt, dass bis zu einem Drittel der häufigsten Krebsarten durch einen gesundheitsfördernden Lebensstil vermieden werden könnte.
Neben solchen vermeidbaren Faktoren kann die Veranlagung für eine Krebserkrankung auch vererbt werden. Je früher sie entdeckt wird, desto höher sind die Behandlungschancen. Rund 90 Prozent aller Darmkrebsfälle könnten sich laut Studien durch eine aktive Vorsorge vermeiden lassen. Jedoch nutzen nur 20 Prozent der Versicherten derartige Angebote.
Würzburger Stiftung will Patienten Hoffnung schenken
"Wir haben ein riesengroßes Angebot bei der Früherkennung. Trotzdem sind viele Krebsdiagnosen immer noch Zufall", sagt auch Gabriele Nelkenstock. Die Würzburgerin gründete vor vielen Jahren den Verein "Hilfe im Kampf gegen Krebs" und sammelt außerdem seit 2017 mit einer gemeinnützigen Stiftung Spenden, um die Krebsforschung an der Universität Würzburg zu unterstützen: "Unser Ziel ist es, allen Patienten mit der Diagnose Krebs Hoffnung zu schenken."
Dass heutzutage mehr an Krebs erkrankte Menschen geheilt werden können, ist ein Verdienst der erfolgreichen Krebsforschung. Überlebenschancen und Lebensqualität krebskranker Menschen haben sich in den vergangenen 40 Jahren deutlich verbessert. Noch vor 1980 starben mehr als zwei Drittel aller Patienten an dieser Erkrankung, 2020 überlebt jeder zweite den Krebs. Eine langfristige Genesung sei aber noch nicht die Regel, betont Nelkenstock.
Eine Spitzenforschung, wie sie an der Universität Würzburg geleistet wird, hat ihren Preis. Jedoch wirken sich die Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie auch auf die Stiftung aus: "Wir haben einen dramatischen Spendenrückgang, da uns die Veranstaltungen fehlen", sagt Nelkenstock. "Hoffentlich ist unsere Arbeit nicht gefährdet."
Erfolgreiche Krebsforschung in Würzburg und Unterfranken
Um weitere Fortschritte im Kampf gegen Krebs zu erzielen, gründeten sechs Universitätskliniken das Bayerische Zentrum für Krebsforschung (BZKF). Ziel ihres Zusammenschlusses ist es, Krebs besser erkennen sowie behandeln zu können und Patienten einen besseren Zugang zu moderner Forschung und innovativen Therapien zu ermöglichen. Würzburg ist mit dem Comprehensive Cancer Center Mainfranken, einem von zwei onkologischen Spitzenzentren in Bayern, dabei.

Die Würzburger Krebsforscher haben sich auf frühe klinische Studien, auf die Immuntherapie und die Entwicklung neuer Medikamente spezialisiert, um wirksamere und zugleich an Nebenwirkungen ärmere Therapieansätze zu entwickeln. Auf dem Gebiet der Immuntherapeutika sei Würzburg sogar international führend, hebt Prof. Einsele hervor.
Diese Methode könnte die Krebsbehandlung revolutionieren: "Weil wir mit neuen Verfahren gelernt haben, dass Immunsystem eines Patienten so umzuprogrammieren, dass die neu ausgerichteten Immunzellen die Tumorzellen nicht nur erkennen, sondern diese auch ausschalten können", erklärt Einsele. Diesen Forschungsschwerpunkt wollen die Würzburger als einer von bundesweit vier neuen Standorten in das nationale Tumorzentrum einbringen.
Unterstützung für Patienten und Angehörige ist wichtig
Von der Diagnose, über Aufklärung, Therapie und Nachsorge bis zum möglichen Rückfall erleben Patienten verschiedene Phasen der Erkrankung. "Die Diagnose Krebs kann helfen, das eigene Leben zu überdenken, auf sich selbst zu schauen und eigene Bedürfnisse zu erkennen. Es kann aber auch ganz anders sein: Viele laufen Gefahr, sich zurückzuziehen und zu vereinsamen, aus Angst, Familie oder Freunde und Verwandte zu belasten", sagt Ulrike S.
Psychoonkologisch geschulte Berater bieten Patienten und Angehörigen Unterstützung und Hilfe bei einer Krebserkrankung an. In Unterfranken betreibt die Krebsgesellschaft in Würzburg, Schweinfurt und Aschaffenburg Beratungsstellen. Auch Selbsthilfegruppen, Gespräche mit anderen Betroffenen und niedrigschwellige Betreuungsangebote können helfen.
"Mutmachergeschichten anderer Patienten helfen einem sehr", weiß Ulrike S. Der Charakter und die eigene Lebenseinstellung spielen für sie eine große Rolle, wie ein Patient nach einer Diagnose mit der Krankheit umgehe. Es sei hilfreich, sich seinen Ängsten zu stellen, denn: "Alles ist besser, als sich zu ducken und der Diagnose Krebs zu ergeben."
Spenden zugunsten der Stiftung "Forschung hilft" zur Förderung der Krebsforschung an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg an das Konto der Stiftergemeinschaft der Sparkasse Mainfranken Würzburg, IBAN DE19 7905 0000 0000 0655 65, BIC BYLADEM1SWU.