
Länger als geplant. Komplizierter. Und teurer sowieso. Jeder Häuslebauer kennt die Tücken der Bauplanung. Was aber, wenn es statt um die eigenen vier Wände um vielbefahrene Autobahnen geht? "Man überlegt sich über Monate und Jahre, wie so ein Projekt realisiert werden kann", sagt Bauingenieur Tobias Bäumler, Brückenbauexperte bei der Autobahndirektion Nordbayern (ABDNB) in Nürnberg. Gemeinsam mit Felix Stadelmaier (Planungsabteilung ABDNB) ist er unter anderem für den Neubau der A3-Talbrücke Heidingsfeld bei Würzburg zuständig. Ein Gespräch über Brücken-Unikate, protestierende Anwohner und die "herausragende Aufgabe" Heidingsfeld.
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Frage: Egal ob A3-Talbrücke oder Schraudenbach-Brücke an der A7: Solche Baustellen sind millionenschwere Großprojekte. Wo liegt für Planer die Herausforderung?
Tobias Bäumler: Jede Brücke ist ein Unikat. Wir bauen keine Produkte, die sich wiederholen. Das betrifft sowohl die Umgebung – zum Beispiel Verkehrswege, die unter der Brücke kreuzen – als auch die Bodenverhältnisse oder das Fundament. Jede Baustelle ist für sich eine neue Herausforderung. Das ist nicht zu vergleichen mit der Autoindustrie beispielsweise, bei der ein Modell am Fließband produziert wird. Das gibt es im Brückenbau nicht.
Wie plant man das?
Felix Stadelmaier: Die Planung ist in verschiedene Phasen aufgeteilt. Grundsätzlich wird zwischen Neubaumaßnahmen wie beispielsweise der A71oder Ausbauprojekten wie an der A3 bei Würzburg unterschieden. Beim Neubau geht es los mit der Vorplanung: Da werden verschiedene Linien untersucht – abhängig von Naturschutz-Fragen, von der Bebauung oder vom Gelände. Man wählt eine Streckenführung aus und danach geht es an den Entwurf. Das wäre auch der Einstieg bei Ausbauprojekten. Da prüft man zunächst technische Fragen sowie Kosten des Projektes. Liegt so ein Vorentwurf vor, muss er vom Bundesverkehrsministerium genehmigt werden.
Entspricht der Vorentwurf quasi dem Bauplan eines Hauses?
Stadelmaier: Genau. Und die nächste Parallele zum Hausbau ist, dass natürlich ein Genehmigungsverfahren erforderlich ist. Das ist das Planfeststellungsverfahren. Daran werden alle betroffenen Behörden beteiligt, das Wasserwirtschaftsamt etwa oder der Denkmalschutz, aber die Pläne liegen auch öffentlich aus. Jeder Privatmann, jeder Anwohner, kann dazu seine Belange vorbringen. Am Ende mündet das Ganze in einen Planfeststellungsbeschluss. Das ist für uns die Baugenehmigung.
Rund um den A3-Ausbau bei Würzburg gab es während der Planung massive Proteste von Anwohnern. Kommt das häufig vor, dass man seine Projekte quasi erstreiten muss?
Bäumler: Es wäre schöner, wenn es keine Proteste gäbe, ganz klar. Aber natürlich ist Infrastrukturplanung immer mit Beeinträchtigungen für die Anwohner verbunden. Gleichzeitig ist der Nutzen für sie nicht unmittelbar greifbar. Von daher ist man Protest bei uns ein Stück weit gewohnt. Beim Häuslebauer wird ja maximal der Nachbar gestört – bei uns gibt es viel mehr Betroffene, von der Umwelt über Anwohner bis zu Verkehrsteilnehmern. All diese Interessen in Einklang zu bringen, ist manchmal nicht einfach.
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Häufig geht es bei Protesten um das Thema Lärmschutz. Gewinnt das an Relevanz?
Stadelmaier: Lärm und Luftschadstoffe sind schon länger sehr wichtig. Was heute stärker betont wird, ist der Artenschutz. Das liegt an Vorgaben der EU.
Ist Planen von Autobahnbaustellen also schwieriger geworden?
Bäumler: Man kann das nur mutmaßen. Die alten Genehmigungen aus den 1960er Jahren, als die A3 gebaut wurde, die sind doch etwas dünner als heute. Damals ging es allerdings um die Aufgabe, neue Verkehrsverbindungen zu bauen. Jetzt müssen wir uns im Bestand bewegen. Man kann den Brückenbau damals und heute nicht eins zu eins vergleichen. Aber es ist sicher anspruchsvoller als vor 50 Jahren.
Wie viele Aktenschränke füllt Ihre Planung für den A3-Ausbau bei Würzburg?
Stadelmaier: Für diese Baustelle sind es sicher so zwischen 50 und 100 Aktenordner allein zur Straßenplanung.

Und wie lange dauert es, die zu füllen – sprich eine Baustelle von solchem Umfang zu planen?
Stadelmaier: Das dauert auf jeden Fall Jahre. Hier in Würzburg gab es 2003/2004 die ersten Überlegungen, zum Planfeststellungsbeschluss kam es 2009. Wobei das A3-Projekt natürlich sehr komplex ist. Es kann auch schneller gehen.
Wenn sie Sie schon so lange begleitet, ist die Talbrücke Heidingsfeld mittlerweile Ihre Lieblings-Baustelle?
Bäumler: Es ist sicher eine Baustelle, die in Erinnerung bleibt. Von der technischen Seite, von der Dimension und der Komplexität, ist Heidingsfeld eine herausragende Aufgabe.
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Ganz generell: Kalkuliert man als Planer vorab Folgen für die Autofahrer wie beispielsweise die Staugefahr?
Stadelmaier: Die versucht man auf jeden Fall zu minimieren. Ein wichtiger Punkt ist dabei, dass man die Zahl der Fahrstreifen aufrechterhält und ausreichend breite Fahrstreifen zur Verfügung stellt. Wir versuchen Baustellen so leistungsfähig und verkehrssicher wie möglich zu planen. Aber wenn eine halbe Autobahn neu gebaut wird und der Verkehr gleichzeitig auf der anderen halben weiterlaufen muss, sind die Möglichkeiten einfach begrenzt.
Wie versucht man, Unfälle in einer Baustelle zu vermeiden?
Stadelmaier: Das ist im Prinzip das gleiche Thema. Man kann nur die Fahrstreifen möglichst breit halten. Die absoluten Mindestbreiten sind hier zweieinhalb Meter auf dem linken und 3,25 Meter auf dem rechten Fahrstreifen. Und: Normalerweise wird eine Baustelle bereits zwei Kilometer vorher zum ersten Mal angekündigt. So können sich Autofahrer darauf einstellen.

In Unterfranken war zum Beispiel die Baustelle auf der A3 bei Geiselwind lange Zeit ein Unfallschwerpunkt. War das falsch geplant?
Stadelmaier: Über Geiselwind weiß ich nichts Näheres. Allgemein gibt es Vorgaben, wie Baustellen zu planen sind. Zum Beispiel für die Linienführung in sogenannten Verschwenkungsbereichen, sprich an den Stellen, wo man von einer Fahrbahn auf eine andere geleitet wird. Da muss man Radien und Ausrundungen beachten, es darf keinen zu starken Knick in der Überleitung geben. Solche Regeln machen die Verkehrsführung grundsätzlich verkehrssicher.
Kann man als Planer nachjustieren, wenn sich Unfälle in seiner Baustelle häufen?
Stadelmaier: Gibt es eindeutige Ursachen für die Unfälle, beseitigt man sie natürlich. Wenn es beispielsweise in einer Autobahn-Auffahrt im Baubereich immer wieder kracht, wäre ein Stoppschild vielleicht eine Lösung.
Und wer richtet eine Autobahn-Baustelle schließlich ein?
Stadelmaier: Grundsätzlich gibt es dazu von der Autobahndirektion eine verkehrsrechtliche Anordnung. Die regelt etwa die genaue Beschilderung und nach diesen Vorgaben errichtet die Baufirma die Baustelle. Je nachdem wie viel Platz zur Verfügung steht oder wie viel Verkehr ist, kann das auch nachts passieren.
Identifiziert man sich als Planer mit seiner Baustelle?
Bäumler: Ich denke, das ist ganz natürlich. Man überlegt sich ja über Monate und Jahre, wie so ein Projekt realisiert werden kann und versucht, die beste Lösung umzusetzen. Allerdings treffen dabei immer unterschiedliche Interessen aufeinander. Dass sich die des Bauherren nicht unbedingt mit denen der Baufirmen decken, das ist oft auch beim Hausbau so. Der Handwerker versucht gute Arbeit zu machen und dafür gutes Geld zu verdienen. Und wir wollen das bezahlen, was wir vereinbart haben. Und gute Leistung.
Was passiert, wenn sich eine Planung als unmöglich herausstellt?
Bäumler: Den Fall hatten wir noch nicht. Es ist ja nicht so, dass man alleine im stillen Kämmerlein plant. Es gibt viele Projektbeteiligte, die sich abstimmen. Der Prozess der Planung ist so aufgebaut, dass man am Ende sicher eine Lösung hat, die funktioniert.
Als Autofahrer hat man aber oft das Gefühl, jede Baustelle dauert länger als geplant.
Stadelmaier: Die Dauer kann man nicht immer genau vorhersagen. Die hängt zum Beispiel auch mit der Leistungsfähigkeit der Firmen zusammen.
Und mit dem Wetter?
Bäumler: Das Wetter kann die Planung tatsächlich verschieben. Wenn es länger regnet oder Frost herrscht, können manche Arbeiten nicht durchgeführt werden. Aber im Großen und Ganzen hat man die Bauzeit im Griff.
Ihr Fazit: Muss man als Baustellenplaner eher flexibel oder dominant sein?
Stadelmaier und Bäumler: Beides.