Schon wieder: Zum dritten Mal in den vergangenen Wochen ist es auf dem Main bei Würzburg zu einem Beinaheunfall gekommen. Ein führerscheinfreier Motorkatamaran kam einem Gütermotorschiff gefährlich nahe. Eine Kollision konnte nur durch das professionelle Eingreifen des Berufsschiffers vermieden werden.
"Das Gedränge auf dem Main hat zugenommen", bestätigt der Leiter der Wasserschutzpolizei, Sven Zimmermann. Da sind Standup-Paddler unterwegs, Kanuten, Grillboote, Wasserskiläufer. Jüngst gab die ÖDP auch noch die Anregung, Wassertaxis einzuführen. Und: Wer möchte kann seit vergangenem Jahr sogar ein Hausboot ausleihen und auf dem Main entlang schippern. Dazu braucht es noch nicht einmal einen Bootsführerschein. Denn: Nach der Führerscheinreform von 2012, darf im See- und Binnenbereich ein Sportboot mit einer Motorisierung bis zu 15 PS (vorher waren es nur fünf PS) führerscheinfrei gefahren werden. Dafür muss der Bootsführer mindestens 16 Jahre alt sein. Doch genau mit einem solchen Hausboot ereignete sich der Unfall vom vergangenen Dienstagabend.
Gerade im Bereich bei Würzburg lauere durch die räumliche Enge und die – vor allem an den Wochenenden – starke Frequentierung durch Freizeitverkehr sowie Hotel- und Güterschiffe ein nicht zu unterschätzendes Gefahrenpotential, so Zimmermann. Gegenseitige Rücksichtsnahme und Verständnis seien da gefragt. "Die Fahrzeuge der Berufsschifffahrt dürfen von Sportbooten nicht behindert oder gefährdet werden, ausreichend Abstand muss eingehalten werden." Insbesondere warnt die Wasserschutzpolizei vor Fahrten bei Dunkelheit mit führerscheinfreien Fahrzeugen, da hier das nötige Wissen um die Besonderheiten wie etwa Lichterführung oft gänzlich fehlt.
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"Es stimmt, dass die Nutzung des Flusses durch Formen des Freizeitverhaltens und klassischen Wassertourismus in Würzburg zugenommen hat", bestätigt auch der Tourismus-Leiter der Stadt Würzburg, Björn Rudek. Dieses Phänomen sei derzeit in den meisten Städten festzustellen, die am Fluss liegen und in den vergangenen Jahren ihre Uferbereiche attraktiver gestaltet haben.
"Formal betrachtet ist der Main eine wichtige Wasserstraße im Europäischen Schifffahrtsstraßennetz, das heißt mit jeder auf dem Wasser ausgeübten Freizeitaktivität bewegen sich die Nutzer auf einer 'Straße' und sollten es vermeiden, sich und andere in Gefahr zu bringen", warnt Rudek.
Während der Wassertourismus ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor ist, der das Angebot für Touristen in der Region noch attraktiver macht, ist die Berufsschifffahrt weniger begeistert vom steigenden Ausmaß an Freizeitaktivität auf dem Wasser. Durch die Ansammlung auf dem Fluss – gerade bei Würzburg – ist vermehrte Wachsamkeit angesagt.
Es komme schon mal zu Situationen, in denen die Führer der Berufsschiffe genervt oder gestresst sind, berichtet Heinrich Schoppmann, Leiter des Amtes für Wasserstraßen- und Schifffahrt Schweinfurt (WSA) und zuständig für den Bereich des Mains von Marktheidenfeld bis Bamberg. "Meist entstehen gefährliche Situationen durch unbedarfte Menschen auf dem Fluss, die die Gefahren etwa durch Strömungen des Unterwassers oder den toten Winkel eines Schiffes nicht abschätzen können."
Die Beinahe-Unfälle in den vergangenen Wochen regen zum Nachdenken an. So hatte kürzlich eine Gruppe von Wasserskiläufern auf dem Main nahe Eibelstadt ein motorisiertes Schlauchboot gemietet. Die Gruppe übersah aber, dass sich von Würzburg kommend ein Fahrgastkabinenschiff in voller Fahrt näherte. Da der Bootsführer nicht auf Schallsignale reagierte, wurde das Kreuzfahrtschiff zu einem "Voll-zurück-Manöver", dem sogenannten Not-Stopp, gezwungen.
Schon in den Tagen zuvor war es zu einer gefährlichen Begegnung zwischen einem so genannten Grillboot und einem Gütermotorschiff gekommen. Die Mieterin des führerscheinfreien Bootes hatte offenbar Probleme mit der sicheren Führung des auch als Grill-Donut bekannten runden Bootes.
Typ Standup-Paddler: Der Naturgenießer
Nicht bestätigen kann der Leiter der Wasserschutzpolizei, dass aufgrund der PS-Regelung ohne Führerschein mehr Unfälle passieren. Vielmehr ließen sich die Menschen auf dem Wasser in verschiedene Kategorien einordnen: Da sei zum Beispiel der Typ Standup-Paddler, der eher ein Naturgenießer ist und vorsichtig und unauffällig im Wasser agiert. Das Konträr sei der Typ Speed-Boot-Fahrer, der sogar den Boots-Führerschein in der Tasche hat und für den Adrenalin und Schnelligkeit zählten, so Zimmermann.
Für Gerhard Braun, Vorsitzender des Wassersportclubs Eibelstadt (WSC), liegt das Problem in der fehlenden Rücksichtnahme seitens der Bootsführer. "Das scheint mir schon fast ein gesellschaftliches Problem zu sein", sagt er etwas betrübt. "Der ganze Main ist wie eine Autobahn, es gibt Verkehrsregeln, und an die muss man sich halten."
Bootsführer sollten Gefahren auf dem Main kennen
Als Bootsführer bezeichnet Braun auch den Standup-Paddler auf dem Main. "Ich wünsche mir, dass sich die Bootsführer ihrer Verantwortung bewusst sind und auch der Gefahren, die auf dem Fluss lauern." Oft, so Braun, werde beispielsweise die Sogwirkung vorbeifahrender großer Schiffe unterschätzt. Das sei ihm gerade bei den Grill-Donuts aufgefallen. "Da heißt es vorausschauend fahren."
Und nicht zu vergessen: Der Bootsführer ist nicht nur für die sichere Steuerung seines Fahrzeuges, sondern auch für die Sicherheit aller Mitfahrer verantwortlich, sagt der für die Boots-Fahrschule in Eibelstadt zuständige Bernhard Huth. Auf keinen Fall dürfe dieser Alkohol konsumieren. Im Falle des beinahe verunfallten Hausbootes hatte der Bootsführer laut Polizei das Ruder kurzzeitig einer alkoholisierten Mitfahrerin überlassen. Ermittlungen wegen Gefährdung des Schiffsverkehrs sind im Gange.
Wassersportlern, die das Motorbootfahren bis 15 PS ausprobieren möchten, raten die Experten, sich vorher gut über die Strecke und die Regeln auf dem Wasser zu informieren, Schwimmwesten zu tragen und nicht allein unterwegs zu sein. Außerdem sollte das Handy mit dabei sein, damit im Zweifel Kontakt zur nächsten Schleuse aufgenommen werden kann. Und: "Wem das Bootsfahren Spaß macht, der sollte schnell den Binnen-Führerschein machen, um sein Wissen zu vertiefen", so Huth.