Im Sport würde man sagen, Birgit Süß hat einen Lauf: 2021 Kulturpreis der Stadt Würzburg, 2022 Sonderpreis des Deutschen Kabarettpreises (Überreichung ist am 14. Januar). Und das Programm "Best of Inventur" zusammen mit Heidi Friedrich läuft derzeit auch "wie geschnitten Brot", sagt Birgit Süß. Die Vorstellungen im Würzburger Theater am Neunerplatz waren alle ausverkauft, weitere in der Region folgen. Ein Gespräch mit der 1965 in Augsburg geborenen Würzburger Kabarettistin, Sängerin, Schauspielerin, Produzentin über das Leben als freie Künstlerin, den Zwang, ständig neue Programme zu entwickeln, und ihre ganz spezielle Beziehung zum Publikum.
Birgt Süß: (lacht) Ich weiß es nicht. Tatsächlich steht der von der Stadt noch auf dem Boden, weil ich die Wohnung gestrichen habe. Und beim anderen weiß ich noch gar nicht, wie er aussieht. Ich lass' mich überraschen.
Süß: Toll. Es ist ja der Sonderpreis, und es ist schon sehr schön, wenn man auch überregional gesehen wird. Ich freue mich total.
Süß: In der Begründung stand, dass es damit zu tun hat, dass man mich mit meinen verschiedenen Sachen nicht einordnen kann. Also die ganz Großen, die bekommen, glaube ich, keinen Sonderpreis. Das ist eher für die, auf die man noch Hoffnungen setzt. (lacht)
Süß: Ich beneide Leute, die so eine Kunstfigur haben, weil sie damit total viele Sachen machen können. Aber ich habe das nie hingekriegt. Ich muss gestehen, ich kann mich immer nicht entscheiden, was ich machen will. Ich habe viele Interessen und möchte viel ausprobieren.
Süß: Ja, ich sitze immer noch da und überlege: Könnte ich dieses oder jenes auf der Bühne machen? Klappt aber nicht immer. Ich versuche seit Jahrzehnten, Gitarre zu lernen, komme aber über ein paar Akkorde nicht hinaus. Ich habe immer lustige Ideen und manchmal verirre ich mich dabei vielleicht ein bisschen. Aber bis jetzt hat's eigentlich ganz gut geklappt.
Süß: Viel. Aber es macht auch Spaß. Aber es ist trotzdem Arbeit. Ich kann es jetzt nicht in Stunden ausdrücken. Weil es so dahinfließt. Weil ich in allen möglichen Situationen zum Beispiel an einem Text feile. Aber diese Vorstellung, dass man in der Natur ist und einem etwas zufliegt, das funktioniert nicht. Ich muss mich schon hinsetzen und schreiben.
Süß: Das stimmt. Und hinzu kommen die ganzen Bereiche, die man nicht sieht: das Business, Management, Organisation. Das macht auch viel Arbeit.
Süß: Ja, genau. Oder ich rufe an. Es ist immer noch so, dass ich viel selbst anrufe, um einen Job zu kriegen. Inzwischen ist es Halbe-Halbe, aber ich muss schon noch viel machen dafür. Es läuft nicht von selber.
Süß: Negativ formuliert könnte man "Laufrad" sagen. Aber es ist etwas, das einen frischhält. Manchmal fühle ich mich schon geplättet. Aber dann achte ich drauf, dass ich Pausen mache. Ich kann nicht drei Programme im Jahr schreiben – wobei das mit Corona sogar ganz gut ging. Aber meistens ist es einfach schön, wenn man immer wieder neue Ideen hat. Man hat dann halt die Angst, dass es nicht funktioniert. Man denkt, oh weh, da lacht kein Mensch, und dann lachen sie doch.
Süß: (lacht) Das kenne ich auch. Man muss viel schreiben. Wenn ich die Idee zu einer Nummer habe: Erstmal schreiben, schreiben, schreiben. Dann wird es ausgedünnt und die Pointen zeichnen sich ab. Ich habe mit einem Kollegen Textarbeit gemacht, der hat gesagt: Du machst mir jetzt auf diesen Satz drei Pointen. Das ist richtig Arbeit. Am besten merke ich, wenn was hakt, sobald ich die Texte auswendig lerne. Wenn etwas einfach nicht reingeht. Dann wird nochmal umgebaut. Und dann kann man nur hoffen. Beim Programm "Das Graue von Himmel" funktioniert das eigentlich ganz gut.
Süß: Ich versuche immer, eine Einheit mit dem Publikum herzustellen. Ich spule ja nicht einfach mein Programm ab, sondern plaudere viel und erzähle Sachen, die mir gerade so einfallen. Dann dauert's halt länger. Ich kenne auch kein Lampenfieber. Eher eine Freude: Ich gehe raus, und denke, jetzt kuck ich mal, ob wir wieder den gleichen Spaß haben wie letztens auch.
Süß: Das sagen ja viele Künstler, dass ihnen während Corona der Beifall gefehlt hat. Also ich konnte in der Zeit gut daheim auf dem Sofa sitzen. Aber das Miteinander hat mir gefehlt. Es geht nicht um den Applaus, sondern um das gemeinsame Lachen. Wenn ich den Leuten einen schönen Abend bereiten kann. Sofern ihnen der Abend gefällt.
Süß: Ja, da ist so viel Hass unterwegs. Ich rege mich auch gerne auf, aber doch nicht so! Auf der Bühne gendere ich nicht - das wäre zu holprig. Grundsätzlich ist es aber lebensnotwendig für Frauen. Es reicht nicht, nur "mitgemeint" zu sein. Die ganze Welt ist auf Männer ausgelegt. Von der Medizin bis zum Schneeräumen: In Schweden sind sie jetzt draufgekommen, zuerst die Gehwege zu räumen. Dadurch haben die Frauen, die ja eher zu Fuß unterwegs sind, weniger Knochenbrüche.
Die Überreichung des Kabarettpreises findet am 14. Januar in der Tafelhalle in Nürnberg statt. Im Radio zu hören ist sie in den Radiospitzen von BR2, am 20. Januar, 14 Uhr.
Das Programm "Best of Inventur" mit Birgit Süß und Heidi Friedrich (hier nur die noch nicht ausverkauften Termine) läuft noch am 15. Januar Kulturkeller Zell am Main, 1. Februar Casablanca Ochsenfurt, 2. Februar Schafhof Wiesentheid, 4. & 5. Februar Disharmonie Schweinfurt, 10. & 11. Februar Theaterhalle am Dom Würzburg, 17. Februar Musikschule Rottendorf.