
Die Finanzämter in Unterfranken haben mit der zusätzlichen Belastung durch die Grundsteuerreform zu kämpfen. Matthias Derleth, Ortvorsitzender der Bayerischen Finanzgewerkschaft (bfg) in Würzburg sagt, das Personal am Würzburger Finanzamt arbeite schon nicht mehr am Limit, sondern darüber hinaus.
Das trifft nicht nur Unterfranken: Waschkörbeweise würden Einsprüche gegen die Grundsteuerbescheide bei den Finanzämtern eingehen, berichteten Mitte Juni das "Handelsblatt" und "tagesschau.de". Auch Betriebsprüfer würden von ihrer eigentlichen Aufgabe abgezogen, was den Staat teuer zu stehen komme, kritisierte Florian Köbler, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft (DSTG) im "Handelsblatt".
Und der Würzburger Steuerberater Frank Rumpel, Leiter der ECOVIS-Steuerberatungsgesellschaft, sagt auf Nachfrage: "Wir führen zwar keine Statistiken über die Bearbeitungszeiten der Finanzverwaltung, tendenziell meine ich aber festzustellen, dass die Bearbeitungszeiten länger werden."
Finanzämter haben engen Zeitrahmen für die Grundsteuerbescheide
Insgesamt muss in Bayern für rund 6,5 Millionen wirtschaftliche Einheiten eine Grundsteuererklärung abgegeben werden. 5,8 Millionen Erklärungen seien inzwischen bei den Finanzämtern eingegangen, heißt es vom Bayerischen Landesamt für Steuern auf Nachfrage. Dies seien rund 90 Prozent.
Mit Stand 31. Mai seien 3,2 Millionen Hauptfeststellungen durchgeführt worden. Jeder bekomme dann zwei Bescheide, gegen die bis Ende Mai rund 350.000 Einsprüche eingelegt worden seien. Laut Landesamt ein eher niedriges Niveau. Die Ämter kämen ihrer Verpflichtung der zeitnahen Bearbeitung aller Steuerfälle "bestmöglich nach", auch gebe es keine Einschränkungen bei den Betriebsprüfungen durch die Grundsteuerreform.

Die Grundsteuerreform habe zu einer sehr angespannten Personalsituation in den bayerischen Finanzämtern geführt, sagt hingegen Thomas Wagner, stellvertretender Landesvorsitzender der Bayerischen Finanzgewerkschaft und deren Bezirksvorsitzender für Nordbayern. "Die Ämter müssen rund 6,5 Millionen Grundsteuererklärungen in einem engen Zeitrahmen bearbeiten, weil die Kommunen zum 1. Januar 2025 ihre Grundsteuer festlegen müssen." Dazu würden sie rechtzeitig die Messbescheide benötigen.
Auch die Vorbereitungszeit seit extrem knapp gewesen. Erst Ende 2021 sei das bayerische Grundsteuergesetz veröffentlicht worden und am 1. Juni 2022 habe die Erhebung der neuen Grundsteuererklärungen bereits begonnen.
Einsprüche und Änderungsanträge zur Grundsteuer bringen Finanzämter ans Limit
Die Bayerische Finanzgewerkschaft habe bayernweit mindestens 1000 Leute mehr gefordert, um der Mehrarbeit gerecht zu werden. "Bekommen haben wir 400, mit denen die Bewertungsstellen verstärkt wurden", sagt Wagner.

Hinzu kämen die vielen Einsprüche, weil Immobilienbesitzer aufgrund eines höheren Messbetrages höhere Steuern befürchten oder weil sie grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Reform hätten. Im Finanzamt Würzburg würden pro Tag zwischen 50 und 100 Einsprüche eintreffen, die zusätzlich bearbeitet werden müssten, so Matthias Derleth, bfg-Ortsvorsitzender in Würzburg.
Zusätzlich kämen viele Änderungsanträge an, weil Immobilien-Besitzer erst beim Erhalt des Bescheides feststellen, bei der Grundsteuererklärung einen Fehler gemacht zu haben. Dafür sei das Personal nicht ausgelegt.
Bei der Belastungsgrenze sei man so nicht am Limit, sondern schon darüber hinaus, sagt auch Derleth. Um die Grundsteuererklärungen und die Einsprüche im vorgesehenen Zeitraum zu bewältigen, habe man Personal in den Bereich Grundsteuer verschieben müssen.
Wagners Fazit: "Die Grundsteuer ist eine epochale Zusatzaufgabe, die viel Arbeit macht." Hinzu komme die grundsätzlich schlechte Ausstattung der Finanzämter in Bayern, die vom Landesrechnungshof schon vor zehn Jahren angemahnt worden sei. Seitdem seien gerade einmal 700 Planstellen aufgebaut worden, die Fallzahlen seien im selben Zeitraum aber zwischen 20 und 40 Prozent gestiegen.
Durch Corona-bedingte Fristverlängerungen kämen gerade jetzt Erklärungen zu hunderttausenden auf die Finanzämter zu. Alles zusammen würde zwangsläufig zu längeren Bearbeitungszeiten führen.
Personalrückstand bei den Finanzämtern in Bayern macht jetzt zusätzliche Probleme
Die Grundsteuer sei da nur ein Teil. Obwohl die Finanzämter in den vergangenen Jahren auf Rekordniveau ausgebildet hätten, könnten die Abgänge, die steigenden Fallzahlen und jetzt auch noch die Mehrarbeit durch Corona und die Grundsteuer nicht kompensiert werden.
Dies bestätigt auch eine Ende 2021 gestellte Anfrage der bayerischen Landtags-SPD, wonach der Freistaat mit seinen Finanzbeamten und Mitarbeitern im Vergleich zur Bevölkerungszahl im Vergleich der 16 Bundesländer zwar einen mittleren achten Platz belegt. Im Vergleich zu den Einkommens- und Körperschaftssteuerfällen allerdings nur den vorletzten 15. Platz. Und bei den Betriebsprüfern im Vergleich zu den Betrieben Platz 13.
Allerdings sagen sowohl Wagner als auch Derleth, dass die Grundsteuer nicht zu weniger Betriebsprüfungen führen würde. Wagner: "Uns fehlen mindestens 20 Prozent an Personal, das zieht sich durch alle Bereiche, auch wenn der Innendienst besonders betroffen ist."
Was jetzt durch die Corona-Nachwirkungen und die Grundsteuer zu erleben sei, sei nur ein Vorgeschmack auf die Situation, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gingen, sagt Wagner. Deutschland habe das umfangreichste Steuerrecht weltweit. Diese umfassenden Einzelfall-Betrachtungen könne sich der Staat künftig gar nicht mehr leisten. "Wir brauchen höhere Pauschalen, Quellenbesteuerung und wir müssen die Möglichkeiten der Digitalisierung viel konsequenter nutzen dürfen“, sagt Wagner.
Warum sind Sie kein "armer" Beamter geworden? Einstellungsprüfung zu schwer?
Aushilfskräfte, das kann man in der freien Wirtschaft.
Am Finanzamt sollten es schon Beamte sein, damit alles seinen geregelten Gang geht und auch der nötige Sachverstand da ist. Achtung Ironie