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UNTERFRANKEN
Wie der Verkehr auf Ausweichrouten Anwohner belastet und nervt
Bei Stau auf den Autobahnen in Unterfranken weichen viele Autofahrer auf Nebenstrecken aus. Zum Leid der Anwohner. Was tun, um die Straßen in kleinen Orten zu entlasten?
Auf der A3 bei Kist gibt es regelmäßig Staus. Viele Auto- und Lkw-Fahrer nutzen deshalb Ausweichrouten.
Foto: Berthold Diem | Auf der A3 bei Kist gibt es regelmäßig Staus. Viele Auto- und Lkw-Fahrer nutzen deshalb Ausweichrouten.
Lara Wantia
Lara Wantia
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:31 Uhr

Ein roter Topf mit zwei Holzstäben und einem Seil hindert Autofahrer daran, auf der Hofeinfahrt dem Gegenverkehr auszuweichen. Die Straße hier in Reichenberg ist eng, zu eng für zwei Autos. Wenn es sich auf der A3 bei Kist staut, sind hier ungezählt viele Fahrzeuge unterwegs. Die Fahrer nutzen die Route über Kist und Reichenberg (Lkr. Würzburg) als Alternative zur Autobahn. Die Anwohner leiden unter dem Verkehr. So wie Helmut und Irmgard Marstaller, die ihre Einfahrt an der "Steige" deshalb provisorisch abgesperrt haben.

"Das geht morgens um halb sechs los und dauert bis abends um zehn", sagt Helmut Marstaller. Unter der Woche seien oft Autos zum Beispiel aus Tauberbischofsheim unterwegs, spätestens ab Freitag mehren sich Kennzeichen aus den Niederlanden oder Belgien. Auch Lkw würden auf der Straße fahren, auf der mit Ausnahme der Anlieger für Fahrzeuge über 7,5 Tonnen ein Fahrverbot gilt. "Man muss wirklich am Wochenende wegfahren, weil es sonst gar nicht geht. Wir haben einen Balkon, den können wir nicht nutzen", sagt Irmgard Marstaller. "Am liebsten würde ich eine Metallstange rein machen, aber die macht mir ja den Beton kaputt."

Lkw dürfen über die Steige nicht fahren

Die Geschichten, die auch andere Anwohner erzählen, sind nahezu identisch: Ab Donnerstag ist der Verkehr besonders schlimm, die Belastung durch Lärm sehr hoch, die Straßen sind viel zu voll. Barbara Wimmer-Kupferschläger arbeitet im Supermarkt in Reichenberg. "Da können Sie jeden fragen, weil sich alle hier im Ort aufregen. Wir haben keine Ampeln, keine Zebrastreifen, darauf warten wir schon seit Jahren", sagt Wimmer-Kupferschläger. "Die Leute fahren in Kist ab und über die Steige wieder auf, auch Lkw, die das gar nicht dürfen." In einem anderen Geschäft erzählt eine Mitarbeiterin: "Wenn man hier geparkt hat, hat man keine Chance, wieder auf die Straße zu kommen. Es ist zu voll und es gibt viele, die zu schnell fahren. Das ist der Wahnsinn, es ist einfach zu viel hier."

Ähnlich ist die Situation an der A7 bei Werneck (Lkr. Schweinfurt). Dort nehmen viele die B19 durch Bergtheim und Unterpleichfeld, um die Autobahn zu umfahren. "Teilweise kommt hier ein Auto nach dem nächsten, ohne Pause", ärgert sich ein Anwohner aus Bergtheim. Auch Menschen aus den umliegenden Gemeinden kennen die Situation. Martina Becker aus Schwanfeld fährt ab und zu zum Einkaufen nach Bergtheim. Dass die Anwohner genervt sind? "Das kann ich nachvollziehen. Das kommt von beiden Seiten, hier fahren so viele Lkw durch. Wenn man aus einer Seitenstraße auf die Hauptstraße möchte, steht man oft fünf Minuten oder länger. Das ist schon ein Chaos."

Wie der Verkehr auf Ausweichrouten Anwohner belastet und nervt

Das Navi führt Autofahrer durch Reichenberg

Die Strecke über die B19 ist laut Autobahndirektion eine offizielle "Bedarfsumleitung". Diese Umleitungen gibt es zum Beispiel bei Staus auf den Autobahnen. Bei der A7 führt sie vom Kreuz Schweinfurt/Werneck über den Gramschatzer Wald nach Würzburg-Estenfeld. Im Bereich der A3 werden Autofahrer offiziell zwischen Kist und Heidingsfeld über die B27 und die B8 umgeleitet. Die Route über Reichenberg ist also keine offizielle Umleitung. Wieso kommen die Autos und Lkw dann dorthin?

Oft führe das Navigationsgerät die Fahrer bei Staus über diese Strecke, sagt Roland Zinn, der Bauamtsleiter im Markt Reichenberg: "Wenn Sie sich über Google navigieren lassen, lotst es Sie automatisch von Kist nach Reichenberg – unabhängig davon, was Sie für ein Fahrzeug haben." Dabei schlage das Gerät schon dann eine Umleitung vor, wenn sich der Verkehr nur teilweise staue: "Wenn die rechte Spur blockiert ist, heißt das für Navis: Der ganze Verkehr auf der Autobahn bewegt sich nicht mehr." Die Straße im Ort sei dadurch "schwer in Mitleidenschaft gezogen, Lkw sitzen regelmäßig auf oder bleiben stecken". Geschwindigkeitsmessgeräte im Ort, die auch die Anzahl der Fahrzeuge erfassen, wiesen während eines Autobahnstaus eine Steigerung um 300 Prozent nach, so Zinn.

15 000 Fahrzeuge am Tag

"Wir sind leidgeplagt. Auch wenn ich dankbar bin, wenn ich irgendwo fremd bin und mein Navi habe, bei uns ist das ein Fluch", sagt Volker Faulhaber, Bürgermeister in Kist. Das Navigationsgerät leite die Autofahrer nicht nur auf direktem Weg nach Reichenberg, sondern auch durch Wohnstraßen. "Die werden zugeparkt, anders kann man es fast nicht sagen. Egal ob bei Ferien oder Baustellen, danach können Sie die Uhr stellen."

Auch auf der Strecke über die B19 sind immer mehr Autos und Lkw unterwegs. Bei einer Verkehrszählung der Gemeinde im Jahr 2015 sei man auf 800 bis 900 Lkw und 12 000 bis 13 000 Pkw pro Tag gekommen, sagt Konrad Schlier, Bürgermeister in Bergtheim. Nach einer aktuellen Schätzung seien es heute etwa 1000 Lkw und 14 000 Pkw pro Tag. Im kommenden Jahr soll die nächste Erhebung stattfinden. "Zum Beispiel bei einer Baustelle nutzen natürlich viele diese Strecke", sagt Schlier. "Die stehen dann auch mal vor dem Ort, da geht es dann im Schritttempo vorwärts." 

Termin beim Oberbürgermeister

Ideen zur Entlastung der Nebenstrecken in Unterfranken gibt es viele. "Wir wissen, dass wir was machen müssen. Wir überlegen beispielsweise, die Straße baulich so zu verändern, dass sie nicht mehr mit großen Fahrzeugen befahren werden kann", erklärt der Reichenberger Bauamtsleiter Zinn. Mehr Parkplätze, mehr Blumenbeete oder eine deutliche Beschilderung der "richtigen" Umleitung seien ebenfalls denkbar. Der Kister Bürgermeister Faulhaber hat mittlerweile um einen Termin beim Würzburger Oberbürgermeister gebeten, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. 

Ausbau der A7 soll helfen

Die Ortsumgehung, die in Bergtheim und Unterpleichfeld viele schon seit Jahren fordern, "wird nicht kommen", sagt Bürgermeister Schlier. Die Trassenführung sei nicht realistisch. "Eine Umgehung westlich von Unterpleichfeld ist nicht möglich. Östlich haben wir die Bahnlinie und ein Wasserschutzgebiet, das heißt, man müsste die Richtung wechseln. So eine Zickzacktour baut Ihnen niemand." Stattdessen hoffe er auf eine "spürbare Entlastung" durch den Ausbau der A7 auf sechs Spuren und den Neubau der B26n. Er sei aber skeptisch, wie schnell das geht, er gehe von 2030 frühestens aus.

Bis dahin bleibe also, die Ortsdurchfahrt weiter auszubauen und Flüsterasphalt zu verlegen. Das schütze die Anwohner vor Lärm, der Kreisverkehr aus Richtung Opferbaum senke zudem die Geschwindigkeit. "Die Anwohner sind natürlich unzufrieden, weil der Verkehr immer noch rollt, weil wir immer noch die Masse des Verkehrs haben", sagt der Bergtheimer Bürgermeister. "Sie geben aber zu, dass es ruhiger geworden ist."

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  • Karesa
    In Theilheim ist es nicht viel anders, ein Stau auf derA3 Randersacker Biebelried und alles fährt durch Theilheim. Dazu kommen noch die LKW, die das Erdreich zur Autobahnbrücke bringen. Oft fahren diese so dicht an den Häusern, man traut sich kaum auf die Straße. Fenstersimse und Spiegel für eine Ausfahrt wurden schon mitgenommen.
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  • jebusara@web.de
    Wie will man Autofahrer daran hindern die Strassen zu benutzen die sie mit ihren Geldern finanziert haben? Das sind öffentliche Strassen! Privatstrassen sind so gut wie nirgends vorhanden und wenn dann eher als Sackgasse und nicht als Durchgangsstrasse.
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  • Markustan
    An der Steige "Anlieger frei" aufstellen, einen Mitarbeiter für die Verkehrskontrolle einstellen und abkassieren. Bei dem Verkehr haben sich die Kosten für Schilder und den Mitarbeiter nach einem Jahr amortisiert.
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  • Reinshagen153@t-online.de
    Ein Systemfehler, der nicht mehr behoben werden kann!

    Es liegt an der Struktur. Es gab eine Nordvariante der A 3 zwischen WÜ & SW. Warum kam die Südvariante? Vielleicht kann das die MP recherchieren. War es eine WÜ-Lobby? Die hätte dann der Stadt einen Bärendienst erwiesen.

    Im Artilkel ist ja der schlimmste Abkürzungsverkehr (PKW & Kleinlaster?) von SW Richtung Frankfurt & Stuttgart via WÜer Stadtring noch gar nicht erwähnt. Dabei spart man zudem viel Sprit (ca. 20 km weniger Strecke als übers Kreuz Biebelried plus langsameres Fahren). Für SWer ist das angenehm. Bei der A3-Nordvariante hätte es auch dieses Problem nicht gegeben. So aber sitzt aufgrund der Autobahn-Linienführungen der Raum WÜ in der Tinte und wird es bleiben. Bei sechsspurigen Ausbau A 3 & A 7 bleibt die Abgasbelastung.

    Wegen des Westwinds gibt's das Sprichwort: "Ludwigshafen hat die BASF und Mannheim den Dreck". In Mainfranken könnte man das abwandeln in: Schweinfurt hat die Autobahnen und Würzburg den Verkehr.
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  • saf.wuerzburg@t-online.de
    Anstatt sich über die Nachbarn in Tirol und Salzburg zu beschweren, die meiner Meinung nach vollkommen korrekt handeln, sollten sich die Verantwortlichen in Bayern ein Beispiel an die Straßensperrungen in Österreich nehmen und diese hier im Raum Würzburg auch mal einführen!

    Die Anwohner in Kist, Reichenberg und Andernorts werden es ihnen danken!

    Denn es kann ja nicht sein, dass Autos aus allen Herren Ländern diese schmalen Ortsdurchfahrten nutzen, die für diesen Ausweichverkehr gar nicht ausgelegt sind.

    Also München, nicht über Österreich motzen, sondern handeln!
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  • saf.wuerzburg@t-online.de
    Anmerkung:

    Und wenn schon Schilder aufgestellt werden müssen, wie in Baustellenbereichen oder bei einer neuen, geändertern, Verkehrsführung bereits geschehen, welche darsuf hinweisen, dass man nach der Beschilderung fahren soll und nicht nch Navi, dann zeigt dies, wie verblödet die Gesellschaft mittlerweile geworden ist, weil sie sich nur noch auf das Navi verlässt und auf nichts anderes mehr.
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  • Auch im Würzburger Stadtgebiet herrscht Chaos und dicke Luft, wenn A3 oder A7 staubedingt blockiert sind. Da würde man sich wünschen, unsere Politik würde ähnlich mutig handeln wie Österreich. Einfach mal ohne viel Diskussion was für die eigenen Leute tun.
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  • lausdeandl@yahoo.de
    Was tun? Na, von Österreich lernen und auch alle Stauumfahrungen dicht machen.

    Damit könnte vielleicht auch das Stickoxydproblem auf dem Nordring gelöst werden.
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