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Würzburg
Mit dem Gummihammer im Würzburger Ringpark: Wird diese Buche wieder gesund oder bricht da bald was ab?
Holger Brandt vom Gartenamt Würzburg hat einen verantwortungsvollen Job: Er prüft, ob ein Baum noch standfest ist oder gefällt werden muss. Wie der Baumkontrolleur vorgeht.
Baumkontrolle im Würzburger Ringpark: Holger Brandt vom städtischen Gartenamt klopft mit  dem Hammer auf einen Stamm und überprüft einen Baum auf seine Gesundheit. 
Foto: Patty Varasano | Baumkontrolle im Würzburger Ringpark: Holger Brandt vom städtischen Gartenamt klopft mit  dem Hammer auf einen Stamm und überprüft einen Baum auf seine Gesundheit. 
Manuela Göbel
 |  aktualisiert: 06.09.2024 02:32 Uhr

"Zuerst schaue ich ihn mir mit etwas Abstand an." Holger Brandt steht auf der Wiese im Pleicher Glacis am Röntgenring und sucht in der Krone einer 22 Meter hohen Eiche nach lichten Stellen, Spechtlöchern und Baumpilzen. Dann blickt er nach unten auf den Rechner in seiner Hand.

Im elektronischen Kataster steht die Krankheitsgeschichte von circa 45.000 Würzburger Bäumen in Parks, auf Grünflächen, Spielplätzen und an Straßen. Brandt sieht, dass die Eiche schon bei der Kontrolle vor neun Monaten einige dürre Äste hatte. Inzwischen ist noch mehr abgestorben. "Den Hauptstämmling müssen die Kollegen der Baumkolonne in den nächsten Wochen einkürzen", sagt Brandt. Das Risiko, dass der dicke Ast abbrechen und jemanden verletzen könnte, sei zu groß. Verkehrssicherheit ist ein großes Thema im Gartenamt. Dazu später mehr.

Risse, Wölbungen, Ausfluss: Täglich 50 bis 60 Bäume im Blick

Brandt ist einer von derzeit drei Baumkontrolleuren im Gartenamt. Täglich schaut sich er sich zwischen 50 und 60 Bäume an. Inzwischen steht er vor dem Stamm der Eiche. "Risse in der Rinde, Wölbungen und Ausfluss wären Anzeichen für Krankheiten", erklärt Brandt. Doch dieser Baum sieht fit aus. Er wird erst in neun Monaten wieder kontrolliert werden.  

Baumkontrolleur Holger Brandt vom städtischen Gartenamt überprüft im Würzburger Ringpark einen Baum auf seine Gesundheit. Im ersten Schritt prüft er den Baum mit der Sichtung von außen.
Foto: Patty Varasano | Baumkontrolleur Holger Brandt vom städtischen Gartenamt überprüft im Würzburger Ringpark einen Baum auf seine Gesundheit. Im ersten Schritt prüft er den Baum mit der Sichtung von außen.

"Gerade im Ringpark sind leider nur noch wenige Bäume ohne Defekte und vital", sagt Peter Nembach, Sachgebietsleiter Stadtbäume im Gartenamt und für die Baumkontrollen verantwortlich. Da Schäden häufig schnell voran schreiten würden, versuche man die bis zu 180 Jahre alten Bäume dort spätestens alle neun Monate zu kontrollieren. Die Bäume im übrigen Stadtgebiet werden wegen der Verkehrssicherheitspflicht im Abstand von 15 Monaten, einzelne auch alle zwei Jahre, überprüft.         

Radfahrerin getroffen: Tödlicher Unfall trotz der regelmäßigen Kontrolle

Dass man trotzdem nicht alle Unglücke verhindern kann, zeigt der tragische Unfall im vergangenen August: Eine 25 Meter große Buche war im Ringpark plötzlich umgefallen und hat eine Radfahrerin tödlich verletzt. Der Baum war ein halbes Jahr vor dem Unfall kontrolliert worden. Weil er zwar von einem Pilz befallen war, aber keine Einschränkung der Vitalität zeigte, gab es laut Staatsanwaltschaft Würzburg keine Veranlassung, an der Verkehrssicherheit zu zweifeln.

Ein Pilz hat auch die Eiche befallen, die Brandt jetzt untersucht. Mehrere fußballgroße Fruchtkörper wachsen an ihrem Stammfuß. Das eigentliche Problem ist aber unsichtbar: Denn Pilze wie Schillerporling, Zunderschwann oder Ochsenzunge wachsen im Inneren des Baumes und zersetzen sein Holz, um sich zu ernähren.

Ein Baum wird angebohrt: Holger Brandt vom städtischen Gartenamt untersucht, wie stabil der Stamm der Eiche im Ringpark noch ist. Am Stammfuß ist der Pilz zu sehen, der die Eiche befallen hat.  
Foto: Patty Varasano | Ein Baum wird angebohrt: Holger Brandt vom städtischen Gartenamt untersucht, wie stabil der Stamm der Eiche im Ringpark noch ist. Am Stammfuß ist der Pilz zu sehen, der die Eiche befallen hat.  
Der Fruchtkörper des 'Tropfenden Schillerporlings' wächst am Stammfuß. Die Pilzfäden durchziehen das Holz.
Foto: Patty Varasano | Der Fruchtkörper des "Tropfenden Schillerporlings" wächst am Stammfuß. Die Pilzfäden durchziehen das Holz.

Befallene Stämme können also innen längst verfault sein, bevor der Fruchtkörper außen zu sehen ist. Behandeln kann man die kranken Bäume nicht. Brandt muss herausfinden, wie stark die 120 Jahre alte Eiche durch den "Tropfenden Schillerporling"schon geschädigt ist. Ist sie noch standfest oder muss sie aus Gründen der Verkehrssicherheit gefällt werden?

Mit dem Gummihammer klopft er den Stamm ab 

Dazu klopft er mit einem Gummihammer an den Stamm - es klingt dumpf. Wäre schon viel Holz weich, würde sich der Ton wie von einer Trommel anhören. Der Stamm dieser Eiche scheint noch stabil zu sein. "Der Schillerporling ist kein besonders aggressiver Pilz, er wächst relativ langsam", erklärt der Baumkontrolleur. Seit 20 Jahren kümmert er sich um Würzburger Bäume. 

Baumkontrolleur Holger Brandt klopft mit dem sogenannten Schonhammer den Stamm ab.
Foto:   Patty Varasano | Baumkontrolleur Holger Brandt klopft mit dem sogenannten Schonhammer den Stamm ab.

Weil der Baum aber auch Totholz in der Krone hat, will Brandt es genauer wissen: Er setzt einen Spezialbohrer an den Stamm. Dessen feine Nadel wird gleichmäßig und langsam immer tiefer in den Stamm getrieben und der Widerstand gemessen. An der ausgedruckten Grafik erkennt Brandt: "Die Festigkeit des Stamms lässt erst nach und nach etwa 20 Zentimetern wird das Holz wieder hart".

Auf der Bohrkurve ist zu sehen, ab wo der Widerstand des Holzes abnimmt. 
Foto:      Patty Varasano | Auf der Bohrkurve ist zu sehen, ab wo der Widerstand des Holzes abnimmt. 

Gibt es weitere Hinweise auf mangelnde Standfestigkeit, schaltet das Gartenamt externe Sachverständige für einen Zugversuch ein. Diese befestigen in der Krone ein Stahlseil, woran mit einer bestimmten Kraft gezogen und gleichzeitig die Dehnung der Faser sowie die Neigung am Stammfuß gemessen wird. "So lassen sich noch detailliertere Aussagen zu Stand- und Bruchsicherheit ermitteln", erläutert Baumsachverständiger Nembach. Falls sich zeigt, dass der Baum nicht mehr standfest ist, müsse man sofort handeln. "Entweder die Krone wird massiv gekürzt oder der Baum gefällt." 

Die Anzahl an gefällten Bäume schwankt - 2019 waren es 603, 2022 nur 209. Aber in den vergangenen zehn Jahren ist ihre Zahl deutlich gestiegen. "Das liegt am Klimawandel", sagt Brandt. Krankheiten wie Rußrindenpilz, Buchenkomplexkrankheit oder Eschentriebsterben habe er früher an Würzburger Bäumen nicht gesehen. Seit fünf Jahren würden immer mehr daran erkranken. 

Baumkontrolleur Brandt: "Buchen wird es im Ringpark nicht mehr lange geben"

"Bergahorn oder Buchen, die mit steigenden Temperaturen und Trockenheit nicht zurechtkommen, wird es im Ringpark nicht mehr lange geben", prophezeit der Baumkontrolleur. 80 Prozent der Buchen dort seien krank.  Oft ginge es wahnsinnig schnell. Im Herbst würde eine Buche noch vital aussehen, im Frühjahr sei sie kaputt. Brandt:  "Die Bäume kennt man, man hat sie geschnitten und jetzt sterben sie einem unter der Hand weg." 

Peter Nembach, Leiter des Sachgebiets Stadtbäume, dokumentiert im Würzburger Ringpark den Zustand eines Baumes.
Foto: Patty Varasano | Peter Nembach, Leiter des Sachgebiets Stadtbäume, dokumentiert im Würzburger Ringpark den Zustand eines Baumes.

Mit Bewässerung von Altbäumen, Maßnahmen wie Rückschnitt oder weißen Anstrich als Hitzeschutz, kämpft das Gartenamt gegen das Baumsterben. Nembach: "Auch wenn der Pflegeaufwand hoch ist, versuchen wir dennoch, die Bäume so lange wie möglich zu erhalten". 

Die gerade von Brandt per Bohrkernmessung untersuchte 120 Jahre alte Eiche gehört zu den Exemplaren, die gehegt und gepflegt werden. Der Baumkontrolleur notiert, dass die Kollegen von der Baumkolonne die Krone um zehn Prozent einkürzen sollen und dass in drei Monaten erneut kontrolliert werden muss. Dann geht es weiter zum nächsten Baum.

 
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