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Würzburg/München
Wie das Gesundheitsministerium den Kühlboxen-Kauf erklärt
In Bayern ist der Corona-Impfstoff teilweise in handelsüblichen Kühlboxen transportiert worden. Nach Kritik von Experten verteidigt das Ministerium jetzt die Anschaffung.
Zum Start der Corona-Impfungen stattete das Gesundheitsministerium die Impfzentren mit Kühlboxen für den Transport des Vakzins aus.
Foto: Hendrik Schmidt, dpa | Zum Start der Corona-Impfungen stattete das Gesundheitsministerium die Impfzentren mit Kühlboxen für den Transport des Vakzins aus.
Benjamin Stahl
 und  Henry Stern
 |  aktualisiert: 09.02.2024 01:25 Uhr

Das bayerische Gesundheitsministerium verteidigt den Einsatz von handelsüblichen Kühlboxen für den Transport des Corona-Impfstoffs zwischen Impfzentren und Senioren- und Pflegeheimen. Wie diese Redaktion und das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichteten, hatte das Ministerium 305 Camping-Kühlboxen beschafft, von denen 93 während des Impfstarts genutzt wurden. Zwar spricht das Ministerium in einer E-Mail an die Redaktion von "ungewöhnlichen Umständen", die zum Einsatz der Boxen geführt hätten. Es sagt aber auch: "Aus fachlicher Sicht" seien die elektrischen Kompressor-Kühlboxen dafür "geeignet, einen ordnungsgemäßen Transport des Impfstoffs über kürzere Strecken sicherzustellen".

Ministerium beruft sich auf Angaben des Versandhandels

Das Gesundheitsministerium beruft sich darauf, dass sich die Kühlboxen "laut der Angaben des Versandhandels, bei dem die Boxen bezogen wurden, auch zum Transport temperaturempfindlicher Medikamente und Impfstoffe sowie zur Aufbewahrung und zum Transport von Insulin" eignen würden. Eine Sprecherin des Herstellers Dometic hatte gegenüber dem "Spiegel" allerdings erklärt: "Dieses Produkt ist nicht für den Transport von Arzneimitteln kreiert worden."

Auch der Chef des Würzburger Isolier- und Logistikspezialisten va-Q-tec, Joachim Kuhn, reagierte mit Unverständnis: "Wer Vakzine mit diesen Boxen transportieren lässt, der zeigt für mich eine erschreckende Ahnungslosigkeit." Nach der Stellungnahme aus dem Ministerium bekräftigt der Würzburger Unternehmer nun seine Kritik: "Ich bleibe dabei: Man kann für den Transport der Impfstoffe keine Campingbox benutzen."

Das Problem mit den Kühlschränken in den Impfzentren

Der Biontech-Impfstoff muss bei rund minus 70 Grad gelagert werden. Er werde aber "im aufgetauten Zustand bei kontrollierten plus zwei bis plus acht Grad aus den Impfstofflagern bei den Impfzentren angeliefert, sodass dort normale Medizinkühlschränke ohne Tiefkühlung genügen", teilt das Ministerium mit. In den meisten Impfzentren seien daher solche Kühlschränke aufgestellt worden, darin könne man dann allerdings keine "tiefgefrorenen Kühlakkus bereithalten", die für andere Boxen notwendig seien.

Für Impfzentren, die etwa aufgrund ihrer Anbindung an ein Krankenhaus eine Tiefkühlmöglichkeit hätten, seien daher 60 Kühlboxen der Firma B Medical beschafft worden, so das Ministerium. Sie seien "durch den Hersteller explizit auch für den Arzneimitteltransport ausgewiesen", würden "dabei jedoch passiv über Kühlakkus die Temperatur regeln". Boxen dieses Typs kamen beispielsweise in Würzburg zum Einsatz. Auch im Landkreis Rhön-Grabfeld will man nun auf diese Boxen umsteigen.

Wie es zur Anschaffung der Kühlboxen kam

Ausführlich erklärt ein Ministeriumssprecher in einer E-Mail nun, wie es zum Kauf der Dometic-Boxen gekommen sei: Die Beschaffung war demnach "Ergebnis einer Marktschau, mit der zwei Fachstellen in bayerischen Behörden beauftragt" worden waren. Dabei seien "zu dieser Zeit verfügbare Geräte" geprüft worden. Die Auswahlkriterien: eine "bestehende Zertifizierung", eine "sofortige sowie vollständige Bestell- und Lieferbarkeit der Kühlboxen, die verschiedene Anbieter nicht gewährleisten konnten" sowie die "Fähigkeit zur Selbstkühlung, die durch eine entsprechende Stromversorgung aus dem Bordnetz des Transportfahrzeugs erfolgen muss".

Während das Ministerium von "einer angespannten Marktsituation" spricht, betont va-Q-tec-Chef Kuhn, es gebe genügend geeignete Medizin-Boxen auf dem Markt. Das Argument, man habe den Dometic-Behälter angesichts eines knappen Marktes angeschafft, sei deshalb "völliger Käse". Auch gebe es genügend geeignete Medizin-Boxen, die wie gefordert an das Bordnetz eines Transportfahrzeugs angeschlossen werden können.

Würzburgs Oberbürgermeister bei va-Q-tec

Unterdessen hat Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt (CDU) die Firma va-Q-tec besucht - um sich "ein umfassendes Bild der temperaturkontrollierten Impfstoff-Logistikkette zu machen",wie es in einer Pressemitteilung der Stadt vom Mittwoch heißt. Das Unternehmen biete auch Transportlösungen für die sogenannte letzte Meile, also bei der Lieferung kleinerer Mengen Impfstoff, "beispielsweise hin zu den Impfzentren oder Seniorenheimen". Während Schuchardts Besuch hätten "mehrere hundert" entsprechende Boxen das Werk verlassen, die vorher auf die notwendige Temperatur gebracht worden seien. "Bis zu zehn Tage lang" könnten die Boxen diese Temperatur halten.

Oberbürgermeister Christian Schuchardt (Dritter von rechts) zusammen mit va-Q-tec-Chef Joachim Kuhn beim Rundgang durch die Halle des Würzburger Unternehmens.
Foto: va-Q-tec | Oberbürgermeister Christian Schuchardt (Dritter von rechts) zusammen mit va-Q-tec-Chef Joachim Kuhn beim Rundgang durch die Halle des Würzburger Unternehmens.

Aus der Sicht von va-Q-tec-Chef Kuhn sollten die Dometic-Boxen nicht weiter benutzt werden: "Das ist vor allem bei winterlichen Temperaturen sehr riskant." Schließlich könne nicht sichergestellt werden, dass die Boxen nicht auch mal draußen stehen. "Man muss auf ein qualifiziertes, validiertes Medizinprodukt umsteigen", fordert Kuhn. Es gebe für den Transport von Medizinprodukten aus gutem Grund klare Richtlinien. Diese Vorgaben müssen auch für die kurzen Wege von Impfzentren zu Einrichtungen eingehalten werden. Von den Dometic-Campingboxen könnten diese Vorgaben - im Gegensatz zu den Impfstoff-geeigneten Boxen von B Medical – in keiner Weise eingehalten werden. Auch nicht mit dem Einsatz sogenannter Temperatur-Logger.

Diese Datenspeicher wurden laut Ministerium zur Dokumentation der Kühlung in die Boxen eingesetzt. Das zeige "das besondere Bemühen, auch bei den sehr kurzen Transportstrecken der Kühlboxen eine gesicherte Übersicht über den Temperaturverlauf in der Box zu haben und damit die Haltbarkeit des Impfstoffs zu gewährleisten". 

Landkreise können sich andere Boxen kaufen

Aus Unterfranken wurden bis jetzt keine Probleme mit den Kühlboxen oder dem Impfstoff bekannt. Das Gesundheitsministerium betont, dass die Boxen "nach allen vorliegenden Erkenntnissen einwandfrei funktioniert" hätten. Einen Anlass, die angeschafften Boxen auszutauschen, sieht das Ministerium daher offenbar nicht. Aber: "Die Kreise und kreisfreien Städte sind grundsätzlich nicht an die Nutzung dieses als Erstausstattung gedachten Kühlsystems gebunden und können jederzeit nach eigenem Ermessen eigene Beschaffungen tätigen."

 
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  • thomashemmerich@web.de
    Warum muss der OB Schuchart dorthin fahren und sich das anschauen? Hat er etwa Fachkenntnisse? Schließt er Verträge? Sollten unnötige Kontakte .... und als solchen sehe ich das....nicht gemieden werden?

    Tolle Vorbildfunktion....
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  • thomashemmerich@web.de
    Muss meinen eigenen Kommentar nochmal ergänzen: Heute hat Hr. Wiehler vom RKI nochmals dazu aufgefordert, nicht zu reisen, mehr Homeoffice und unnötige Kontakte zu vermeiden.

    Er hat mehr als recht, umso mehr ärgert mich aber das Bild und das Verhalten des Oberbürgermeisters. Muss sowas sein? Die MP sollte doch da mal beim OB nachfragen. Kann aber auch sein, dass die MP das nicht tut, haben die Journalisten und Fotografen dann auch nichts mehr zu tun.

    Ach.....da mich das mit den Kühlboxen auch interessiert ( soll ja den Impfstoff auch mal irgendwann bekommen), kann ich mich in der Fa. auch mal von der Qualität überzeugen?
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  • kujuhi
    Unabhängig davon, ob die Box für diese Zwecke taugt, stellt sich mir die Frage wieso der Staat Bayern nicht seine Boxen in Bayern kaufen kann? Ich höre seit Jahren das ich meine Lebensmittel usw. regional kaufen soll um die Wirtschaft hier zu erhalten. Gilt das nicht für den Staat?
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  • Lemmy
    Viel zu viel Stimmungsmache verbunden mit unternehmerischen Interessen - die Frage ist doch, ob die Boxen Ihren Zweck erfüllt haben. Den möchte ich sehen, der ins Krankenhaus transportiert werden muß und das THW oder sonstige Transportmittel ablehnt nur weil er einen RKW Typ x oder y will. Alleine wenn man die feinsten sprachlichen Unterscheidungen im Artikel liest (geeignet versus dafür konzipert worden) ist doch klar welche Spiegelfechterei hier abläuft... ...
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  • MP-Log
    Eher fällt Weihnachten auf Pfingsten, als dass ein Ministerium zugibt, Mist gebaut zu haben.
    In der Logik des Ministeriums kann man sich die ganze Zertifizierung von Medizinprodukten sparen und sich auf Herstellerangaben verlassen. Das erklärt so nebenbei, wie es zum Dieselskandal kommen konnte.
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  • deweka
    Anscheinend hat man sich sogar nur auf die Händlerangaben verlassen.

    Gerade im Versandhandel kommt es immer wieder vor dass Händler bei Problemen nicht greifbar sind oder bei Ansprüchen einfach kein Geld haben.
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  • mainpost@mwolfrum.de
    Das ganze trägt leider nicht dazu bei, die Impfbereitschaft zu erhöhen ....
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  • engert.andreas@gmx.de
    Da wittert jemand ein gutes Geschäft - also sind die anderen Produkte alle Mist!
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  • karlheinz.lottig@gmx.de
    Besser als dieses Kasperle-Geschachere könnte auch ein Kaberettist die Kompetenzen und Prozessabläufe im Gesundheitsministerium nicht parodieren.
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