
Nix darf man mehr. In Urlaub fliegen, dicke Autos fahren, mit Öl oder Gas heizen, Fleisch essen. Alles strikt verboten. Noch nicht ganz, aber bald. Weil schlecht fürs Klima. Jetzt aber schon als moralisch höchst verwerflich eingestuft.
Wie geht's weiter? Zwangsfußgängerisierung, Zwangsumtausch Auto gegen Lastenfahrrad, Zwangsvegetarisierung von Amts wegen? Glaubt man der Aufregung um das Würzburger Festival Hafensommer, stehen wir kurz davor. Zumindest in der Essensfrage.
Was ist passiert? Auf einer Sitzung des Würzburger Stadtrats Mitte April wird bekanntgegeben, dass das Speisenangebot beim städtischen Festival in diesem Jahr rein vegetarisch sein wird. Nicht nur, aber auch aus Klimaschutzgründen. Ein fleischloses Festival in der Heimat der Bratwurst, der Blauen Zipfel, des Schäufele und des Kesselfleischs? Der Aufschrei ist vorhersehbar, und er kommt.

"Eine gewaltige Einschränkung", kritisiert Stadtrat und Alt-Bürgermeister Adolf Bauer, der selbst vermutlich eher nicht zum Zielpublikum des Hafensommers gehört. Aber als gewählter Volksvertreter hat man ja auch die Interessen anderer zu vertreten. Der "gestandenen Männer" etwa, um die sich seine Fraktions-Kollegin Annette Hollerbach sorgt, weil "gestandene Männer" offenbar notwendigerweise Karnivoren sind, die Vegetarisches ablehnen und nun den einen oder anderen Abend hungrig durchstehen müssen.
Würzburg knüpft an die glorreichen Zeiten des "Weinfasses an der Autobahn" an
Aber es gibt Hoffnung: Ein Antrag von CSU, Freien Wählern und FDP/Bürgerforum im Stadtrat soll die "Sortimentsbeschränkung" beim Hafensommer verhindern. Die Beschränkung sei "übergriffig im Hinblick auf die persönliche Lebensführung", heißt es in dem Schreiben, das unter anderem auch Oberbürgermeister Christian Schuchardt unterschrieben hat. Der gebürtige Frankfurter kann damit für sich in Anspruch nehmen, sich endgültig von der – vegetarischen – "Grie Soß" seiner Geburtsstadt emanzipiert zu haben.

Inzwischen hat sich der Knatsch ausgeweitet und dank eines etwas schnoddrigen Interviews des Kulturreferenten Achim Könneke im "Spiegel" und weiterer überregionaler Berichterstattung zum "Würzburger Wurststreit" gemausert.
Wer bedauert hatte, dass der bundesweite Nimbus ein wenig verblasst war, den Würzburg einst durch das Label "Das Weinfass an der Autobahn" erlangt hatte, kann jetzt mit neuer Zuversicht in die Zukunft blicken: Würzburg bleibt sich treu, auch und gerade in Zeiten behördlicher Übergriffe.
Das Narrativ des Staates, der seine Bürgerinnen und Bürger angeblich bevormundet
Lassen wir mal alle praktischen Aspekte beiseite. Denn sie zählen nicht. Dass es beim Hafensommer vornehmlich darum geht, Musik zu hören. Dass der Mensch erwiesenermaßen bis zu vier Stunden überleben kann, ohne Fleisch zu sich zu nehmen. Dass jede und jeder vorher und nachher so viel Fleisch essen darf, wie er oder sie will. Dass man, will man sich klimatisch verbessern, irgendwo anfangen muss. Dass es für den Anbieter logistisch einfach praktischer ist, kein Fleisch anzubieten. Dass es schon im vergangenen Jahr kein Fleisch gab, sondern nur Fisch, der aber angeblich nicht besonders gefragt war.
Es geht um etwas anderes. Eine Stadt habe nicht "zwanghaft erzieherisch tätig zu sein", heißt es im Gegenantrag. Dies ist nun ein Vorwurf, der schwerer wiegt als manch anderer. Er passt in das Narrativ des Staates, der seine Bürgerinnen und Bürger permanent bevormundet und belehrt.
Die Republikaner in den USA haben dieses Narrativ erfolgreich zu ihrer Hauptideologie gemacht, und auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder leistet es im Wahlkampf ausgezeichnete Dienste. Sofern ihm das Posten von Grilltellern und Wurstplatten auf Instagram die Zeit dazu lässt.
Die Grünen haben sich mit vollen Segeln in die Ecke der Verbotspartei manövriert
Ist ja auch einfach, nachdem die Grünen sich mit vollen Segeln selbst in die Ecke der "Verbotspartei" manövriert haben. (Umso tragischer, dass sie dabei nicht mal ein Tempolimit hinbekommen.)
Auf jeder Lehrlingsfreisprechung, jeder Abiturfeier wird zu "lebenslangem Lernen" aufgerufen. Unwidersprochen, übrigens. Aber wehe, wir sollen gegen unseren Willen belehrt werden. Möglicherweise mit Inhalten, die wir nicht hören wollen. Dann ist umgehend Schluss mit dem Gerede vom "lebenslangen Lernen". Dann verteidigen wir mit Zähnen und Klauen unser Unwissen. Als gäbe es neben dem Recht auf Bratwurst auch ein Recht auf Unbelehrbarkeit.
Aber warum so dünnhäutig? Wir haben es im Ignorieren von wohlmeinenden Belehrungen doch inzwischen zu einiger Meisterschaft gebracht. Da sollte uns der behördlich verordnete temporäre Verzicht auf eine Bratwurst nicht ernsthaft aus dem Konzept bringen. All denen aber, die sich trotz aller Entbehrungen überwinden können, den Hafensommer zu besuchen, sei versichert: Die Pommes dort sind ausgezeichnet.
Einfach eine Provinzposse und nach Kurt Tucholsky.. "viel Lärm um NICHTS"
"Würzburg macht Spaß" ........immer weniger!
Was aber zutiefst stört und verärgert, ist die moralische Überhöhung dieser Entscheidung durch den Stadtrat, die letztlich zu den entsprechenden Reaktionen geführt hat. Das hat nichts mit Lernfähigkeit zu tun.
Schade, dass man das jetzt verbieten will.
Gehen Sie doch auf Nummer Sicher und bringen zu dem Konzert, das Sie besuchen, z.B. ein Schnitzel mit Hackfleisch-Sauce im Tupper mit. Dann wird's bestimmt ein gelungener Abend. Dass die Musik inzwischen völlig in den Hintergrund getreten ist, ist den meisten offenbar egal. Vor lauter Schmatzen und Lippenlecken wird man eh nichts mehr hören...
Lasst doch die Veranstaltungsreihe umbenennen in "Bratensommer" !
Das könnte auch für andere eine Lösung sein, um die Gemeinschaft nicht sterben zu lassen und zu vereinsamen. Unsere Clique findet das ok. sie entscheidet selbstständig und wird auch so akzeptiert, auch von den gastgebenden Wirtsleuten.
Sie fordern von Vegetariern, sich gefälligst vorher satt zu essen, aber fordert man das gleiche von Fleischessern, dann geifern Sie rum.
P.S.: Ich esse selber gerne Fleisch. Ich kann diese künstliche Empörerei langsam echt nicht mehr hören. Das ging schon letztes Jahr die ganze Zeit, als man meinte, „Man wird ja wohl noch ein sexistisches, frauenfeindliches Lied mitgrölen dürfen!“