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Würzburg
Wegen Schwarzfahren im Gefängnis: Wer eine Geldstrafe nicht bezahlt, kann im Knast landen und verursacht hohe Kosten
Expertinnen und Experten fordern, dass Fahren ohne Fahrschein entkriminalisiert wird, weil dadurch vor allem sozial benachteiligte Menschen betroffen sind.
Wer ohne Fahrschein erwischt wird, begeht eine Straftat und kann am Ende dafür im Gefängnis laden. Dies verursacht dem Staat viel Aufwand und hohe Kosten.
Foto: Uwe Zucchi, dpa | Wer ohne Fahrschein erwischt wird, begeht eine Straftat und kann am Ende dafür im Gefängnis laden. Dies verursacht dem Staat viel Aufwand und hohe Kosten.
Autorenköpfe Volos       -  Die neuen Volos sind da: Peter Schlembach startet am 1. April 2023 in ihr zweijähriges Volontariat.
Peter Schlembach
 |  aktualisiert: 07.09.2024 02:29 Uhr

Immer wieder landen Menschen im Gefängnis, die nicht zu einer Haftstrafe, sondern zu einer Geldstrafe verurteilt worden sind. Wer die nicht bezahlt oder abarbeitet, muss ersatzweise hinter Gitter. Im August forderten über 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, das sogenannte "Erschleichen von Leistungen", worunter auch das Fahren ohne Fahrschein fällt, zu entkriminalisieren. Eine der Erstunterzeichnerinnen war Alexandra Appel vom Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität, die zuvor akademische Rätin auf Zeit an der Universität in Würzburg war und dort auch zum Thema Mobilität forschte.

Für die Wissenschaftlerin treffe die Kriminalisierung des Schwarzfahrens vor allem sozial benachteiligte Gruppen, die von Geld- und Freiheitsstrafen besonders hart getroffen werden. Mobilität ist laut Appel Voraussetzung für die gesellschaftliche Teilhabe, um Arzttermine wahrzunehmen oder soziale Kontakte zu pflegen. "Studien zeigen, dass ein Großteil der Betroffenen, die wegen Fahrens ohne Fahrschein inhaftiert werden, arbeitslos, obdachlos oder von psychischen Erkrankungen betroffen sind. Die Bestrafung verschärft somit bestehende soziale Ungleichheiten, anstatt sie abzubauen", so Appel. 

Hohe finanzielle Belastung des Staates durch geringfügige Straftaten

Laut dem offenen Brief ist das "Fahren ohne Fahrschein eine der häufigsten Bagatellstraftaten". 2023 machte das "Erschleichen von Leistungen" rund drei Prozent der Gesamtkriminalität aus. Neben dem Fahren ohne Fahrschein sind häufig auch geringfügige Diebstähle von zum Beispiel Lebensmitteln Grund für Ersatzfreiheitsstrafen. 

Laut dem Bayerischen Justizministerium liegen allein die Kosten, die pro Gefangenen in Bayern anfallen, bei rund 185 Euro pro Tag. Im vergangenen Jahr kamen in Bayern über 250.000 Hafttage durch die Ersatzfreiheitsstrafe zusammen. Somit kostete die Unterbringung der Menschen, die zu einer Geldstrafe verurteilt wurden über 46 Millionen Euro. In Unterfranken saßen Ende Juli 35 Menschen wegen einer Geldstrafe im Gefängnis, das entsprach etwa 4,8 Prozent der insgesamt inhaftierten Menschen.

Verschiedene Projekte sollen Ersatzfreiheitsstrafen verhindern

Bayern setze sich seit langem dafür ein, dass die Ersatzfreiheitsstrafe möglichst nicht vollstreckt werde, so das Justizministerium. Durch das Projekt "Schwitzen statt Sitzen" können Verurteilte seit dem Jahr 2005 die Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit abwenden. Außerdem gibt es auch Vermittlungsstellen, die den Verurteilten bei der Organisation von Ratenzahlungen unterstützen.

Durch diese Maßnahmen konnten im Jahr 2023 bayernweit 41.000 Hafttage vermieden werden, so das Justizministerium. Seit Februar hat sich zudem die Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe halbiert, da ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe nun der Geldstrafe von zwei Tagessätzen entspricht und nicht mehr nur einem Tagessatz.

Die "Initiative Freiheitsfond" kauft Gefangene frei

Die "Initiative Freiheitsfonds" sammelt Spenden, um bundesweit die Geldstrafe von Menschen zu bezahlen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe wegen Fahrens ohne Fahrschein verbüßen. Nach dem Bezahlen werden die Inhaftierten sofort freigelassen. Seit 2021 hat die Initiative nach eigenen Angaben bereits über 1000 Menschen freigekauft. Darunter eine Person aus Unterfranken, die eine Strafe von 90 Tagen absitzen musste. Durch die Zahlung von 100 Euro habe man der Person zehn Hafttage ersparen können.

 
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  • Dietmar Eberth
    Problem ist ganz einfach lösbar: 9-Euro-Ticket für sozial benachteiligte Menschen.

    Wegsperren ohne Hilfe hat noch nie geholfen. Wahnsinn welchen Aufwand (200 Millionen Euro) Deutschland dafür betreibt.
    https://www.tagesschau.de/inland/ersatzfreiheitsstrafen-101.html
    https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/ersatzfreiheitsstrafen-100.html
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  • Roland Rösch
    48 und bringt ihr Kind zur Schule is irre und macht mir sorgen für die
    Zukunft dieser
    Kinder deren Mütter sowas vorleben.
    Wer kein
    Geld hat läuft oder fährt
    Fahrrad. Armut oder zu wenig
    Geld rechtfertigen Schwarzfahren keines Falles sonst macht bald keiner mehr den Finger krumm im Lande etwas zu Erwirtschaften und führt zum Selbstbedienungsladen für die Gesellschaft.
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  • Christiane Schmitt
    Die Einzelfälle sollten berücksichtigt werden. Vielleicht sollten bei Bedürftigkeit Freifahrscheine ausgestellt werden oder eine Rückerstattung durch Sozialämter oder die entsprechende Stelle, die meisten müssen ja nicht jeden Tag zum Arzt. Bei Arbeitslosigkeit bekmmt man für Vorstellungsgespräche schon immer von der Arbeitsagentur einen Teil der Fahrt- und auch Bewerbungskosten. Man muss es halt einreichen. Genauso können Sprachschüler von BAMF-Kursen ihre gekauften Fahrkarten einreichen, die oft ja sogar Sozialtickets sind. Zu große Freizügigkeit lädt aber sicher viele ein, vielleicht nicht in Würzburg, die das Schwarzfahren als Sport oder Mutprobe ansehen oder die Verkehrsbetriebe austricksen, weil sie einfach gegen jede Regel/das System sind. Die anderen zahlen es ja.
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  • Emilie Krenner
    Allein für die genannten 46 Millionen Unterbringungskosten könnte man 78230 Deutschlandtickets im Jahr bezahlen. Rechnet man noch die vorgelagerten Verfahrenskosen dazu- das beginnt meist schon mit einem Polizeieinsatz zur Feststellung der Personalien bis hin zum Gerichtsprozess- würde es wahrscheinlich für alle Sozialhilfeempfänger eines reichen.
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  • J. E. Körner
    Diese Rechnung erscheint logisch. Allerdings könnte ich mir ein Modell vorstellen, bei dem ein Freifahrtschein an das Einbringen einer bestimmten Sozial- oder Arbeitsleistung gebunden ist, vorausgesetzt, die betreffende Person ist dazu in der Lage.
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  • Thilo Endrich
    Der Artikel erscheint wie die Einladung zum Schwarzfahren - nur irgendwer muss diese Wohltaten auch bezahlen
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  • Jo Schmitt
    "Die Kleinen hängt man, die Großen läßt man laufen"

    Wenn ich zu diesen Kleindelikten (die ich nicht verharmlosen möchte, bei denen man aber an die Ursachen ranmüßte) an die ganzen Steuerbetrügereien (100 Mrd. EUR Schaden in Deutschland lt. OECD-Studie) denke bekomme ich einen mächtigen Wutanfall.
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  • Helga Scherendorn
    wer kein Geld hat, soll zuhause bleiben. es gibt keinen Grund schwarz zu fahren!
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  • Jo Schmitt
    Sehr geehrte Frau Scherendorn,

    könnte es sein daß Sie in der glücklichen Lage sind keine finanzellen Sorgen haben zu müssen? Das ist schön für Sie.

    Das Beispiel mit dem Arztbesuch interessiert Sie nicht?
    Es gibt Menschen, die an ihrer (eingeschränkten) Lebenssituation nur sehr bedingt etwas ändern können (siehe das Beispiel von Personen mit beeinträchtigem Gesundhsitszustand).

    Kommen Sie bitte 'mal von ihren Wolkenkuckucksheim herunter ...
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  • Helga Scherendorn
    die Menschen, die sie beschreiben sind aber nicht das Problem!
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  • Dominik Temming
    Bin ganz bei Frau Scherendorn. Das Bürgergeld ist mehr als üppig, für ein Ticket sollte es in jedem Fall reichen. Dann halt weniger Rauchen oder aufs Netflixabo verzichten. Hier muss keiner schwarz fahren!
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  • Christa Bullmann
    Leider verstößt der Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • Dietmar Eberth
    Ich kenne keinen Einzigen der das Arbeiten aufgehört hat um nur noch vom "üppigen" Bürgergeld zu leben.

    563 Euro pro Monat für Nahrung, Kultur, Verkehr, Kommunikation, Bekleidung, Gesundheitspflege, Bildung, uvw. sind verdammt wenig. Versuchen Sie mal 2 Monate mit 1000 Euro zu "überleben".
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  • Roland Rösch
    563 Euro haben die meisten Rentner nicht Netto zum Leben weil beim Bürgergeld einige zusätzlichen Nebenkosten übernommen werden die bei Rentnern einen kleinere Summe wie 563 ausmachen .
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  • Dietmar Eberth
    "563 Euro haben die meisten Rentner nicht Netto zum Leben"

    Mal abgesehen davon das das nicht stimmt - oder haben Sie für diese Behauptung eine Quelle - ist doch nicht das Problem das Bürgergeld sondern für diese Rentner die zu niedrigen Renten. Daneben gibt es auch noch Grundsicherung und Wohngeld für Rentner.
    Fragen Sie mal solche Rentner, ob's denen besser geht wenn sie eine höhere Rente bekommen, oder wenn das Bürgergeld um ein paar Euro gesenkt wird.

    https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1336998/umfrage/monatliches-nettoeinkommen-von-rentnern/
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  • Jo Schmitt
    > 563 Euro haben die meisten Rentner nicht Netto zum Leben

    Das nächste Armutszeugnis für dieses Land ...

    Eintreiben hinterzogener Steuern könnte helfen das zu ändern ...
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  • Roland Rösch
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  • Matthias Braun
    Sie müssen den Artikel lesen. Teilweise müssen die Menschen mobil sein, z.B für Arzt Termine usw. Wegen Schwarzfahrens im Knast zu landen ist nicht zielführend.
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  • Roland Rösch
    Auch da hab ich kein Recht schwarz zu fahren .
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  • Christa Bullmann
    Dein Kommentar lässt sich an Ignoranz überhaupt nicht mehr überbieten.

    Mit freundlichen Grüßen

    Johannes Bullmann MPA
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