
Zum Frühstück ein Blick in die Tageszeitung, im Büro ein schneller Check im Internet und am Abend die Tagesschau. So sah das Medienverhalten noch vor einigen Jahren aus. Das hat sich grundlegend gewandelt. Nach dem Aufwachen surfen die meisten noch im Bett schon auf ihren Handys, hören Podcasts beim Zähneputzen und durchforsten im Bus Facebook und Instagram.
Die Main-Post macht bei der Web Week mit
Nachrichten müssen ständig aktuell sein. Über Push-Nachrichten auf dem Handy oder soziale Netzwerke bleiben die Nutzer informiert – das hat auch Folgen für Medienhäuser und deren Arbeit. Um diese ging es beim Vortrag „Journalismus im digitalen Wandel“, der im Zuge der ersten Würzburger Web Week im Main-Post-Verlag am Heuchelhof stattfand.
Ivo Knahn, stellvertretender Chefredakteur, Andreas Kemper, Leitender Redakteur in der Chefredaktion, und Roland Schmitt-Raiser, Themenchef Digital, sprachen über die Veränderung in der Medienlandschaft und wie die Main-Post darauf reagiert. „Die tiefgreifendste Veränderung ist, dass wir vorher immer an der Produktion der Tageszeitung orientiert waren“, sagte Schmitt-Raiser, der einen Überblick über die Mediennutzung im digitalen Zeitalter gab.
Das Publikum kann Nachrichten erzeugen
Diese habe sich fundamental verändert. Brauchte man früher Produktionsmittel wie beispielsweise eine Druckerei, um Nachrichten zu verbreiten, sind diese Anforderungen obsolet geworden. „Das Publikum kann plötzlich selber von überall auf der Welt Nachrichten produzieren, konsumieren und teilen“, so Schmitt-Raiser.

Nutzer erwarten zudem Echtzeit-Aktualität – und Medien müssen sich damit auseinandersetzen, wann sie Inhalte veröffentlichen. „Den richtigen Zeitpunkt zu erwischen ist eine große Herausforderung für uns“, so Schmitt-Raiser. Gerade da Aktualität sich im Laufe eines Tages verändert. „Ein Stau hat zum Beispiel eine hohe Lesequote, wenn er über einen Live-Ticker läuft. Am nächsten Tag in der Zeitung ist nur eine kurze Meldung abgedruckt.“
Die Main-Post stellt sich auf den Wandel ein
Durch den mobilen Zugriff auf Nachrichten wollen die Nutzer heute relevante Inhalte auf unterschiedlichen Medien ständig zur Verfügung und dabei aktiv in den Kommunikationsfluss eingebunden werden. Diese veränderte Medienrezeption im Tagesverlauf hat auch eine veränderte Nachrichtenproduktion zu Folge – ein Wandel, auf den sich die Main-Post eingestellt hat, wie der stellvertretende Chefredakteur Ivo Knahn erklärte.
Knahn, der als Transformationsmanager für den Veränderungsprozess innerhalb der Main-Post-Redaktion verantwortlich ist, ging darauf ein, wie sich journalistische Arbeit verändern muss. In einer Analyse der Redaktion wurde 2016 festgestellt, dass medienneutrales Arbeiten durch veraltete IT-Systeme nicht möglich ist, in den einzelnen Redaktionen unterschiedlich gearbeitet wird, diese zu dezentral organisiert sind und keine eindeutigen Tätigkeiten bei den Journalisten liegen. „Jeder macht alles“, so Knahn.
Änderungen durch die Kollegen
In der Main-Post schlossen sich daraufhin 50 Kollegen aus sieben Abteilungen in acht Teams zusammen, um verschiedene Themen anzugehen. „Es war uns wichtig, dass die neue Struktur von den Leuten, die den Alltag gestalten, auch entwickelt wird“, sagte Knahn.
Auch wenn das Berufsbild des Journalisten ein kreatives sei, brauche es dennoch Strukturen und eindeutige Arbeitsabläufe, so der Transformationsmanager. „Es ist ein Kulturwandel, der radikal ist“, sagte Knahn. Mittlerweile wurden alle Redakteure des Medienhauses geschult und arbeiten komplett in neuen Strukturen. Und nicht nur Strukturen, sondern auch Stellen und Aufgabenbereiche vieler Kollegen haben sich im Zuge der Neuerungen verändert.
Medienneutrales Arbeiten
Redakteure befassen sich nur noch mit rein journalistischen Inhalten und arbeiten in festen Strukturen, die das Planen und Ausspielen von Nachrichten besser ermöglichen. Reporter im Themenmanagement ordnen diese zum Beispiel ein und entscheiden auf welchen Kanälen sie ausgespielt werden. Sobald eine Geschichte in der Redaktion fertig bearbeitet wurde, geht diese online – unabhängig davon, wann der Artikel in der gedruckten Zeitung erscheint. „Es wird nicht mehr in Artikeln gedacht, sondern in Themen“, so Knahn.
„Das ist prozessorientierter Journalismus“, erklärte Andreas Kemper die neue Arbeitsweise innerhalb der Redaktionen. Dass diese Veränderung aber auch Zeit braucht, wisse er, so Knahn. Deshalb strebe das Medienhaus mehr Transparenz an.
Die Würzburg Web Week bietet die Chance, sich in einzelnen Themen rund um die Digitalisierung bei Experten zu informieren. „Das sind keine Massenveranstaltungen, aber intensive und gute Diskussionen, weil interessierte Menschen kommen“, schloss Kemper den Abend – begeistert von „Niveau und Tiefe der Diskussion“ rund um die Veränderungen im Journalismus.
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