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Würzburg
König der Löwen: Günther Beckstein, der Mann mit der Maske
Kein Politiker liebt den fränkischen Fasching so sehr wie er: ein Gespräch über Maskeraden, Veitshöchheims Flair, ein blaues Kleid, Madame Pompadour und den Smoking von Edmund Stoiber.
„An diesem einen Abend im Jahr, vergesse ich alle Pflichten“: Günther Beckstein hat in seinem Frankenbuch just jene Seiten aufgeblättert, die ihn beim Fasching in Veitshöchheim zeigen.
Foto: FOTO DPA | „An diesem einen Abend im Jahr, vergesse ich alle Pflichten“: Günther Beckstein hat in seinem Frankenbuch just jene Seiten aufgeblättert, die ihn beim Fasching in Veitshöchheim zeigen.
Das Gespräch führte Achim Muth
 |  aktualisiert: 22.06.2022 09:18 Uhr
Günther Beckstein hat auch nach seiner Zeit als bayerischer Ministerpräsident einen proppenvollen Terminkalender. Doch nach einem Industriebesuch und vor der abendlichen Geburtstagsfeier seiner Frau Marga nahm sich Beckstein in seiner Nürnberger Anwaltskanzlei reichlich Zeit, um mit glänzenden Augen über seine Leidenschaft zu sprechen: den Fasching.

Bei der Prunksitzung „Fastnacht in Franken“, in diesem Jahr am Freitag, 5. Februar (19 Uhr/live im Bayerischen Fernsehen), gehört der CSU-Politiker mittlerweile fast zum Inventar und seine Verkleidungen sind längst einer der Höhepunkte des Abends.

Frage: Wie ist Ihre Leidenschaft für die Maskierung, für die Fastnacht entstanden?

Beckstein:
Das hat mit der Fastnachts-Sitzung in Veitshöchheim zu tun. Ich habe mich als Kind zwar gerne verkleidet, aber nicht unbedingt im Fasching. Ich war sogar im Studium und bis zur Anfangszeit meines Berufslebens ein absoluter Faschingsmuffel. Eine Annäherung gab es dann zu meiner Zeit in der Kommunalpolitik, als ich viele Prunksitzungen besucht habe. In Veitshöchheim hat es mich dann fasziniert, mich nicht einfach als Pirat oder Indianer zu verkleiden, sondern das Kostüm in einen Zusammenhang mit der Politik zu bringen.

So wurden Sie zum Fastnachter.

Beckstein:
Das Gefühl ist im Lauf der Zeit entstanden. Das erste Mal, als ich mich richtig verkleidet habe, wollte ich den Anti-Beckstein geben. Da habe ich mich zum Weiberfasching als Madame Pompadour verkleidet, damit mich möglichst niemand erkennt.

Was bei Ihrem Bekanntheitsgrad schwierig sein dürfte . . .

Beckstein:
Sie sagen es. Die Anonymität, die die Maske bietet, ergibt sich bei mir nicht. Die habe ich mal mit meiner Frau bei einem Maskenball in Venedig erlebt. Es war ein schönes Gefühl, mal völlig unerkannt zu sein. Aber diese Anonymität gelingt mir in Veitshöchheim nicht.

Mit Ihren phantasievollen Kostümen gelten Sie als Attraktion der Veitshöchheimer Sitzung. Sind Sie auch woanders im Fasching aktiv?

Beckstein:
Fasching ist nicht nur Veitshöchheim, aber Veitshöchheim ist der Höhepunkt. Bei dieser Veranstaltung gebe ich mir besonders viel Mühe mit dem Kostüm.

Wie wichtig ist Ihnen dieser Abend?

Beckstein:
Dieser Termin ist als einziger in meinem Kalender unumstößlich.

Kribbelt es bei Ihnen bereits?

Beckstein:
Einerseits freue ich mich sehr auf diesen Abend, andererseits ist da dieser unheimliche Druck, eine Maske zu haben, die ankommt. Im Jahr 2002 etwa wollten wir die Kanzlerfrage darstellen. Ich habe die Fragen verkörpert und meine Frau die Antworten. Wie es halt im Leben so ist: Die Männer dürfen nur fragen, die Frauen wissen alles besser. Aber das hat niemand verstanden.

Die Frage der Verkleidung wird im Hause Beckstein lange diskutiert?

Beckstein:
Ja, über viele, viele Stunden.

Und wenn das Ergebnis feststeht, lassen Sie das Kostüm nähen?

Beckstein:
Da gibt es keine feste Regel, aber manchmal lasse ich mir schon professionell helfen. Beispielsweise als ich Löwe war, da hat das Kostüm meine Frau genäht. Aber das Gesicht hat eine Maskenbildnerin des BR aus dem Studio Franken gemacht. Das war wunderbar. Schon als sie damit begonnen hat, mich um den Mund herum weiß zu machen und die Schnurrhaare zu malen, habe ich mich wie verwandelt gefühlt.

Was geht in Ihnen vor, wenn Sie ein anderer werden?

Beckstein:
Das ist spannend. Wenn ich in die Maske schlüpfe, fühle ich mich anfangs ganz fremd. Gerade als Löwe, das war unangenehm heiß und komisch. Meine normale Kleidung ist der Anzug und schon ein gestreiftes Hemd ist bei mir eher ungewöhnlich. So erzeugt eine Maskerade bei mir zunächst ein ungewöhnliches Gefühl und ist damit auch ein Stück unangenehm. Aber schon nach wenigen Minuten lebe ich in der Maske. Ich spüre noch genau, wie das als Löwe war. Ich habe geschwitzt wie ein Schwein, trotzdem habe ich mich gefühlt wie der König der Tiere. So richtig schön Löwe.

Sie scheinen den Fasching richtig zu genießen.

Beckstein:
Wissen Sie, ich arbeite das Jahr über wirklich knallhart. Nur wenige können sich vorstellen, welches Maß an Intensität, an Arbeit, an Zeit hinter diesen Ämtern gestanden ist. In dem Jahr als ich Ministerpräsident war, bin ich zwischen dem 1. Mai und 28. September keinen Tag später als 7.30 Uhr aus dem Haus gegangen und früher als Mitternacht zurückgekommen. Wahlkampf, Interviews, bei denen jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird. Das ist ein enormer Druck, und der Fasching ist da ein Ventil. Wenn ich unter der Maske bin, bin ich ein anderer. Da lebe ich nicht in den Zwängen des Politikers, sondern da lebe ich als Löwe.

Sie können dabei richtig abschalten?

Beckstein:
Ich führe mich da nicht auf, das würde auch schon meine Frau unterbinden. Aber mal raus aus dem Normalen, das gefällt mir. Der Veitshöchheimer Fasching mit all seiner Kreativität und seinem Niveau kann es mit jeder anderen deutschen Faschings- oder Karnevalssitzung aufnehmen, ob das nun Aachen oder Mainz ist. Veitshöchheim bietet eine Summe des fränkischen Faschings, in der es ganz selten ordinäre Auftritte gibt. Ich bin konservativ erzogen worden. Bei uns hieß es, über Sexualität redet man nicht. Ich gestehe, dass ich auch im Fasching Zoten nicht als lustig empfinde, sondern als peinlich. In Veitshöchheim ist das überwiegend anders. Nehmen Sie nur den Peter Kuhn aus Schweinfurt, der politisch sicher anders tickt als ich. Er ist ein geistreicher Kopf mit tollem Wortspiel. Davor habe ich hohen Respekt.

Können Sie über sich selbst lachen?

Beckstein:
Ja, natürlich.

Ein Politiker, der die Öffentlichkeit sucht, muss also auch mal einstecken können?

Beckstein:
Natürlich. Wenn das geistreich gemacht ist, ist das völlig in Ordnung. Da kann ich von Herzen lachen. Natürlich lacht man über andere lockerer als über einen selbst. Aber die Maske hilft einem ja. Da lacht dann der Löwe über den Beckstein.

Für Ihren Vorgänger als Ministerpräsident schien der Besuch in Veitshöchheim immer eine Qual zu sein. Haben Sie je mit Edmund Stoiber über Fasching gesprochen?

Beckstein:
Sie werden nicht erleben, dass ich schlecht über Edmund Stoiber rede. Aber Fasching, das war nicht seine Welt. Aber meine. Da hat er mich nicht einschätzen können. Er hat immer gesagt, 'Du bist doch sonst ein preußischer Pietist und da führst du dich so auf'. Er war im Fasching immer auf Distanz. Aber ich habe es toll gefunden, dass er trotzdem immer gekommen ist und akzeptiert hat, dass man sich über seinen Smoking lustig gemacht hat.

Im Fasching scheint Ihnen Barbara Stamm da schon wesensverwandter?

Beckstein:
Aaahhhh, die Barbara und ihr blaues Kleid sind ja schon legendär. Sie gehört mit ihrer Herzlichkeit einfach zur Fastnacht in Franken. Auch wie sie mit den Kabarettisten umgeht und die Kabarettisten mit ihr, das ist etwas, was mir sehr gut gefällt. Hier werden nicht einfach die teuersten Künstler eingeladen, sondern die mit dem meisten Herzblut.

Die Maskerade, das Anderssein, mussten Sie das erst lernen?

Beckstein:
Ja. Zumal man sich als Politiker überlegen muss, welche Missdeutungen möglich sind. Ich darf noch mal das Beispiel Madame Pompadour zitieren. Ich habe damals sehr sorgfältig überlegt, ob mir mit diesem Kostüm eine Aussage untergeschoben werden kann, für die ich nicht stehe. Etwa ein Statement gegen Transvestiten.

Es gehört also auch Mut zur Kostümierung?

Beckstein:
Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin nicht eitel und habe nicht das leiseste Verständnis dafür, wenn sich jemand einer Schönheitsoperation unterzieht. Aber ich will nicht, dass Bilder entstehen, die mir an anderer Stelle untergeschoben werden können. Insofern gehört schon etwas Mut dazu.

Ist es nicht schade, dass Sie das Kostüm nur wenige Stunden anhaben werden?

Beckstein:
Aber das Gefühl von Veitshöchheim lässt sich nicht multiplizieren. Es gehört die Stimmung dazu. Ich habe einmal dieselbe Maske außerhalb Bayerns bei einer Faschingsveranstaltung angezogen und bin mir komisch vorgekommen. Die Maske lebt vom Moment. Ich genieße es dann lieber, mir ab und zu die Bilder anzusehen.

Was macht die fränkische Fastnacht zu etwas Besonderem?

Beckstein:
Sie ist herzlich. Manchmal derb, aber nie bösartig. Es ist ein Humor, der niemanden verletzt. Selbst der, der durch den Kakao gezogen wird, steht nachher nicht nackt und entblößt da. Es herrscht immer eine gewisse Grundfreundlichkeit. Dazu gefällt mir der spontane Charakter der Sitzung, obwohl alles höchst professionell aussieht.

Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Narr und Politiker?

Beckstein:
Sich mit anderen Menschen zu beschäftigen, beispielsweise. Dann müssen beide sehr stark auf ihre Wirkung achten. Eine Gefahr allerdings besteht, wenn der Politiker zum Narr wird, aber auch, wenn der Narr meint, er könne Politik machen.

Verraten Sie uns Ihr Kostüm für 2010?

Beckstein (lacht):
Auf keinen Fall! Es gibt kein anderes Staatsgeheimnis im Innenministerium und in der Staatskanzlei, das so gut gehütet wird wie mein Kostüm. Das wissen nur meine Frau und ich. 
 
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