Bernd Kleinschnitz gibt einen Einblick in die digitale Bildungswelt. In einem Klassenzimmer an der Eichendorff-Volksschule in Gerbrunn zeigt der Medienpädagoge, was mit der neuen Technik alles möglich ist. Im Mittelpunkt steht eine Tafel, die auf den ersten Blick genauso aussieht, wie sie schon vor Jahrzehnten ausgesehen haben dürfte: grün und mit Linien. "Darauf kann man ganz normal mit Kreide schreiben", sagt Kleinschnitz.
Doch dahinter verbirgt sich allerfeinste Technik - ein großes, interaktives Whiteboard. Übersetzen lässt sich dieser Begriff am besten mit "elektronischer Tafel". "Die Lehrkraft kann darauf auch mit Stiften einen klassischen Hefteintrag erstellen", erklärt Kleinschnitz. Die unterschiedlichen Farben sind sogar besser zu sehen als mit Kreide – und das alte Leid von der spiegelnden Sicht für die vorderen Außenbänke fällt ebenso weg.
Das Whiteboard reagiert auch auf Fingerberührung. Gekonnt bedient Kleinschnitz die Oberfläche der interaktiven Tafel. Die Tafel ist vernetzt, so dass ein Internetzugriff jederzeit möglich ist – genau wie das Abspielen von Erklärvideos oder hochaufgelösten 4K-Clips. "Die Bildauflösung ist hier um ein Vielfaches besser als bei Full-HD", erklärt Kleinschnitz. So erkennt man sogar die Facetten eines Schmetterling-Auges. Zur Verfügung stehen im digitalen Klassenzimmer auch eine Dokumentenkamera, ein Elektronenmikroskop und Tablets. "Die Beamer werden nach und nach ausrangiert- sie sind von gestern", sagt Thomas Schulz. Und Tageslichtprojektoren? "Von vorgestern."
Zum neuen Schuljahr wird Schulz als Nachfolger des altersbedingt ausscheidenden Rektors Alfred Schäffer der neue Schulleiter an der Eichendorff-Schule, einer rund 320 Schüler zählenden Mittel- und Grundschule. Noch ist er Lehrer in Gerbrunn, aber auch medienpädagogisch-informationstechnischer Berater. In dieser Funktion verantwortet Schulz die staatlichen Schulen in der Stadt Würzburg sowie den Landkreisen Kitzingen und Würzburg. Er berichtet davon, dass in manch einer Schule in der Region noch Steinzeit herrsche, was die digitale Infrastruktur angehe. "Die Politik kündigt vieles an. Doch die Realität sieht häufig anders aus", sagt Rektor Schäffer, der am Donnerstagmittag offiziell verabschiedet wird.
Ein wunder Punkt ist die IT-Systembetreuung
Beispiel "Digitalpakt Bayern": Vor den Landtagswahlen gestartet, hat das bayerische Kultusministerium das auf mehrere Jahre angelegte Förderprogramm zur IT-Ausstattung von Schulen nach nur einem Schuljahr wieder gestoppt. "Wir haben uns bei unserem Konzept darauf verlassen, dass die Mittel wie beabsichtigt weiterfließen", erklärt Schulz. Es liegt nahe, dass Bayern wegen des im Mai gestarteten bundesweiten Digitalpakts auf die Bremse gedrückt hat. Dabei könne man hierfür bislang keine Mittel beantragen, so der Medienexperte, weil die Richtlinien noch nicht öffentlich bekannt seien.
Ein weiterer wunder Punkt ist die IT-Systembetreuung, deren Finanzierung nach wie vor ungeklärt ist. "Die Einrichtung eines Servers ist bei so vielen Rechnern um ein Vielfaches komplizierter, als zu Hause einen Drucker anzuschließen", sagt Kleinschnitz. Eigentlich soll er sein Lehrerkollegium medienpädagogisch beraten, was er auch tut. Doch darüber hinaus übernimmt Kleinschnitz fast alle administrativen Tätigkeiten. "Ich will schließlich, dass unsere digitalen Geräte auch eingesetzt werden." An den Lehrerinnen und Lehrern scheitere es übrigens nicht. "Sie sind bei uns quer durch alle Altersschichten sehr aufgeschlossen, was den Einsatz digitaler Medien angeht."
Generelles Handyverbot
Die Kommunen sind seit jeher Sachaufwandsträger der Schulen, die Länder bestimmen über die Bildungspolitik – und nun mischt auch noch der Bund durch den neuen Digitalpakt mit. Gerbrunns Bürgermeister Stefan Wolfshörndl (SPD) kritisiert dieses Kompetenz-Wirrwarr: "Wir übernehmen gerade bei der Digitalisierung vieles, für was eigentlich der Freistaat zuständig ist. In Gerbrunn können und machen wir das auch. Doch was ist mit den vielen klammen Gemeinden, die dafür kein Geld übrig haben? So kommen auch deren Schüler nicht in den Genuss der digitalen Möglichkeiten. Das läuft dem Ziel der Bildungsgerechtigkeit komplett entgegen."
Die Digitalisierung ist sicher nicht alles, auch an einer solch gut ausgestatteten Schule wie in Gerbrunn nicht. "In den ersten beiden Grundschulklassen sind wir da noch sehr zurückhaltend", sagt Noch-Rektor Schäffer: "Auch herrscht bei uns generell ein Handyverbot, weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass die Smartphones massiv ablenken." Doch mit der Entwicklung der Medienkompetenz müsse man früh beginnen. Und da, betont Schulz, sei es mit ein paar Tablets nicht getan.