
In wenigen Tagen beginnt die Weinlese. Doch vielen fränkischen Winzern dürfte die Freude daran vergangen sein, seit zwei Frostnächte Ende April immense Schäden hinterlassen haben. Wie groß dieser Schaden tatsächlich ist, wird erst jetzt allmählich deutlich, seit Sachverständige der Versicherungen ein zweites Mal in den Weinbergen unterwegs sind und ihre Gutachten abgeben. Diesmal sind Michael Schmitt und Werner Kilian in Röttingen in einem Weinberg von Udo Engelhardt unterwegs. Die beiden sind Sachverständige der Allianz Agrar AG, einer von drei Gesellschaften, die in Deutschland Versicherungen gegen Frostschäden im Weinberg anbieten.
Auf den ersten Blick fällt auf: Die beiden sogenannten Fruchtruten, die normalerweise die meisten Trauben tragen, sind kahl und verdorrt. Die Trauben wachsen stattdessen in den höheren Etagen des Stocks - und sie sehen seltsam aus. Während die einen schon pralle Beeren tragen, sind diese an anderer Stelle kaum erbsengroß und noch hart. Da und dort wächst sogar noch ein sogenanntes Gescheine, das gerade erst verblüht ist, drei Monate nach der normalen Rebblüte.

"Das ganze System ist aus dem Gleichgewicht geraten", sagt Michael Schmitt, selbst Winzer in Markelsheim und Vorsitzender der dortigen Weinbaugenossenschaft. Paradoxerweise sei es die zunehmende Klimaerwärmung, die für die Frostschäden verantwortlich ist. Die sorge nämlich dafür, dass die Reben immer früher austreiben und anfällig werden für Spätfröste.
Wie Sachverständige Frostschäden ermitteln
Gleich nach den beiden Frostnächten im April waren die Sachverständigen ein erstes Mal im Weinberg von Udo Engelhardt und haben gezählt, wie viele der angeschnittenen Triebe erfroren sind. Eine Schadenquote von 80 Prozent haben die Schätzer damals ermittelt. "Kurz vor der Lese schauen wir uns den Weinberg nochmal an, um festzustellen, wie er sich entwickelt hat", so Michael Schmitt. In diesem Fall schätzt Schmitt, dass sich der Schaden auf 70 Prozent reduziert hat. Glück für Udo Engelhardt, der nun 70 Prozent der Versicherungssumme ausgezahlt bekommt. Für seinen ganzen Betrieb mit rund vier Hektar Rebfläche liege der Ertragsverlust vermutlich bei rund 40 Prozent.

Wie hoch diese Versicherungssumme ist, entscheide der Winzer individuell für jeden seiner Weinberge, sagt Martin Heiß, Leiter der Schadensabteilung bei Allianz Agrar. Die Bandbreite liege zwischen 5000 und 30.000 Euro je Hektar. "Die einen wollen nur ihre Kosten gedeckt haben, die anderen versichern sich auch gegen den entgangenen Erlös", sagt Heiß. Entsprechend unterschiedlich sind auch die Versicherungsprämien.
Eingeführt wurde die Frostversicherung nach dem Frostjahr 2011, als der Staat den Winzern mit Millionenbeträgen unter die Arme greifen musste. Inzwischen gibt es keine Nothilfen mehr, dafür beteiligen sich der Freistaat Bayern und das Land Baden-Württemberg zur Hälfe an den Versicherungsprämien.
Für die Winzer wird die Frostversicherung teurer
Die meisten Winzerbetriebe haben inzwischen eine Frostversicherung, sagt Michael Schmitt. "Ohne die Versicherung würden in vielen Betrieben die Lichter ausgehen." Doch das System stößt allmählich an seine Grenzen. "Wir haben damals gedacht, so ein Schaden passiert nur alle heilige Zeit, inzwischen sind Frostschäden zur Regelmäßigkeit geworden", sagt Martin Heiß. "Was sich in den letzten zehn Jahren abspielt, hat es vorher nie gegeben." Für die Gesellschaften sei die Frostversicherung deshalb inzwischen zu einem Minus-Geschäft geworden, so Heiß weiter. Das heißt: Sowohl die Prämien als auch der Eigenanteil der Versicherten im Schadensfall werden steigen müssen.

Martin Geißler, Vorstandsvorsitzender der Winzergemeinschaft Franken GWF, schätzt den Ernteverlust in ganz Franken auf 25 bis 30 Prozent. Das entspreche einem Erlös von rund 70 Millionen Euro, der den Winzerbetrieben dadurch verloren geht. "Für den Traubenerzeuger ist der Schaden nicht so schlimm, wenn er versichert war, aber für die Weingüter und Genossenschaften geht es um Marktanteile, die dadurch verloren gehen", sagt Geißler. "Die Winzer müssen deshalb lesen, auch wenn sie schon entschädigt wurden", appelliert Geißler, "wir brauchen jedes Kilo Trauben."
Das frühere Prinzip, Lagerkapazitäten aufzubauen, um so ein ertragsschwaches Jahr überbrücken zu können, gehe nicht mehr auf, sagt Michael Schmitt. "Heutzutage wollen die Kunden junge Weine, wenn ein Wein einmal zwei Jahre alt ist, lässt er sich kaum noch verkaufen."