Michael Holl bekommt den Aal nicht zu fassen. Sprichwörtlich entwindet sich der glitschige Fisch dem Griff des jungen Fischers aus Randersacker und zeigt dabei seinen silbrig-weißen Bauch, der ihn als erwachsenes Tier kurz vor der Geschlechtsreife ausweist. Blankaal nennt man den Aal deshalb in diesem Lebensstadium. Wenige Wochen noch und er würde dem Meer zustreben und mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Kraftwerksturbine einer Staustufe geschreddert werden.
Dem Blankaal, den Michael Holl gerade zu greifen versucht, bleibt dieses Schicksal erspart. Stattdessen wird er zu einer zentralen Sammelstelle in Harrbach bei Gemünden gefahren und von dort an den Rhein, wo man ihn wieder in die Freiheit entlässt. So wie alljährlich Tausende seiner Artgenossen; in der Hoffnung, dass er seinen Laichplatz östlich der Bermuda-Inseln findet und dazu beiträgt, dass sich die europäischen Aal-Bestände wieder erholen.
13 000 Aale werden auf die Reise geschickt
Seit 2009 gibt es das "Aal-Taxi" bereits, sagt Michael Kolahsa, Fischereifachberater beim Bezirk Unterfranken. Das Schutzprogramm war ins Leben gerufen worden, nachdem man bemerkt hat, dass Jahr für Jahr weniger junge Aale an der Atlantikküste anlanden und versuchen, in die Flüsse aufzusteigen, wo sie den größten Teil ihres Lebens verbringen. Durchschnittlich 6,5 Tonnen Aale aus dem Main, ungefähr 13 000 Stück, wurden seitdem pro Jahr auf die Reise geschickt.
Die Fischerzunft in Randersacker beteiligt sich von Anfang an an dem Programm, sagt ihr Vorsitzender Hubert Holl. Die Zunft hat sich dem Ziel verschrieben, das Fischerhandwerk am Leben zu erhalten, auch wenn längst niemand mehr vom Fischfang leben muss. Der Erhalt der Artenvielfalt sei dabei ein wichtiges Anliegen.
Bedingt durch den Ausbau des Mains zur Schifffahrtsstraße mit zahlreichen Staustufen und Kraftwerken und anderen Einflüssen des Menschen, könnten sich viele Fischarten nicht mehr in ausreichendem Maß natürlich vermehren, sagt Fischer Hubert Holl. In großem Umfang werden deshalb jedes Jahr Jungfische eingesetzt, die zuvor in Zuchtteichen herangezogen wurden.
Neben den bei Anglern beliebten Speisefischen wie Hecht, Zander, Schleie oder Karpfen zählen dazu auch wirtschaftlich unbedeutende Arten wie Nasen, Bitterlinge oder Barben. Auch Rutten sind darunter, die einzige im Süßwasser vorkommende Dorschart, die vom Aussterben bedroht ist und erst in den letzten Jahren dank der Besatzmaßnahmen am Obermain wieder Fuß fassen konnte. "Es geht darum, Fischarten zu erhalten, die es sonst im Main nicht mehr gäbe", sagt Holl.
Fischbesatz im Wert von 20 000 Euro
Finanziert wird der Fischbesatz unter anderem durch den Erlös aus dem Verkauf von Angelkarten und Entschädigungszahlungen des Kraftwerkbetreibers Uniper. So haben die Mitglieder der Randersackerer Fischerzunft in diesem Jahr in der Flussstrecke zwischen Goßmannsdorf und Randersacker Jungfische im Wert von fast 20 000 Euro eingesetzt, darunter 430 Kilogramm Jungkarpfen, 326 Kilogramm Schleien und rund 10 000 Jungaale, die an der Atlantikküste gefischt und in Teichanlagen bis zur Größe eines Bleistifts herangezogen wurden.
Am Ende profitiert auch die Fischerzunft von den Besatzmaßnahmen. Beim Randersackerer Fischmarkt, den die Zunft wie jedes Jahr am Samstag, 12. Oktober, auf dem Flecken, dem zentralen Dorfplatz veranstaltet, kommen auch die selbst gefangenen Fische zum Verkauf. Die Kunden können sich dort ihren Fisch im Bassin aussuchen, bevor er geschlachtet und küchenfertig hergerichtet wird. Karpfen, Hecht, Zander, Waller, Schleie, Forelle und Weißfische kommen dort zum Verkauf. Geräucherte Forellen gibt es frisch aus dem Räucherofen.
Meefischli und Federweißer beim Fischmarkt
Hunderte von Besuchern zieht der Markt alljährlich an. Besonders beliebt sind die frisch frittierten Meefischli, Weißfischfilets und geräucherte Forellenhäppchen. Dazu gibt's Federweißen und musikalische Unterhaltung von der Musikkapelle Randersacker. Wer den Fischmarkt in vollen Zügen genießen will, sollte aber früh aufstehen. Um 9 Uhr beginnt das Markttreiben bereits, um 13 Uhr geht es bereits zu Ende.