Beim Thema Fischwanderung denkt man zuerst an Lachse, die uns TV-Sendungen über Alaska oder Sibirien mit spektakulären Bildern ins Wohnzimmer bringen. Ein anderer Wanderfisch, der Aal, sieht nicht so ästhetisch aus, er ist schleimig und schlangenförmig, ist aber im Gegensatz zum Lachs im Main und dessen Nebenflüssen noch anzutreffen. Die Betonung liegt auf noch, denn außer den Belastungen durch Umweltgifte dezimieren die nahezu undurchlässigen Ketten von Kraftwerken die Bestände drastisch.
Auf der einige tausend Kilometer langen Reise am Ende seines Lebens zu den Laichgründen in der Sargassosee, in der Nähe der Bahamas, wird ein Großteil der Fische schon in den Turbinen heimischer Kraftwerke getötet. Alleine am Main gibt es davon 34, in denen die Aale buchstäblich zerhackt werden. So wie zurzeit im Kraftwerk in der Staustufe Harrbach. Mit dem einsetzenden Regen und der sinkenden Temperatur am vergangenen Freitag hat die Wanderung der Blankaale begonnen. Fischereimitarbeiter Alfred Senft barg aus dem Schleppnetz des Aal-Schokkers von Mainfischer Christian Schätzl fünf Zentner zerstückelter Aale und andere Fische, die dieser hinter dem Kraftwerk der Staustufe Harrbach aus dem Wasser zog.
Zunftobermeister Thomas Hartmann von der Fischerzunft Gemünden und Vizepräsident des Unterfränkischen Fischereiverbands, spricht von „der Lüge vom grünen Strom oder Ökostrom“ aus Wasserkraft, die den Verbrauchern ein gutes Gewissen verschaffen solle. Winfried Klein vom benachbarten Verband Hessischer Fischer (VHF) schreibt in einer Pressemitteilung noch drastischer vom „blutroten Strom“, dem vom Aussterben bedrohte Lebewesen tonnenweise zum Opfer fallen: „Wenn sie (die Aale) schreien könnten, so würden in den Nächten der Wanderung die Anlieger der Flüsse kein Auge zutun. Eine Riesenschweinerei unter dem Deckmantel Öko.“
Die seit 2007 verschärften EU-Richtlinien zwängen die Kraftwerksbetreiber zwar zum Handeln, sind sich die Fischer einig, aber sie würden noch nicht vollständig im Sinne der Gesetzgebung angewandt – sehr zum Missfallen der Fischer. So werden mittlerweile für den Aufstieg der Fische Treppen/Aufstiegshilfen gebaut, damit die Tiere die Staustufen flussaufwärts passieren können. Allerdings werde für die Abwanderung der Fische flussabwärts baulich nichts getan. Zwar gebe es Schutzgitter vor den Turbinen, bei einem Abstand von zehn Zentimetern zwischen den Gitterstäben könnten aber fast alle Fische hindurchschwimmen.
Eine weitere Maßnahme zur Verbesserung sei das sogenannte Aal schonende Verfahren, das am Main zwischen Bamberg und Gemünden-Harrbach angewandt wird. Dabei wird sofort nach Feststellung des Wanderungsbeginns der Aale die Turbine auf halbe Last reduziert, und die Walzen des Stauwerks werden leicht hochgehoben, damit die Aale im Hauptstrom, der dann in dem Spalt unter der Stauwalze durchführen soll, unbeschadet das Hindernis überwinden können.
„Ob das so klappt, weiß man allerdings nicht genau“, sagt Hartmann. Er vermutet, dass trotzdem ein großer Teil der Fische in die Turbinen schwimmt. Wirkungsvoller sei das 2009 eingeführte „Catch & Carry“-Projekt, mit dem Fischer wie Christian Schätzl hinter den Stauanlagen Harrbach die überlebenden, nicht verletzten Aale fangen und in 1200-Liter-Behältern an den Rhein transportieren, sodass sie eine Chance haben, unbeschadet über die Nordsee den Atlantik zu erreichen, auch weil sie jetzt Schonzeit haben. Ohne dieses Projekt wäre der Aal in absehbarer Zeit ausgestorben.
Laut des europaweiten Aal-Managements müssten 40 Prozent der vorhandenen Biomasse der Aale abwandern können, was allerdings schwer zu überprüfen sei, sagt Hartmann. Außerdem dürfen die von Berufsfischern gefangenen Aale aus dem Main wegen Überschreitung der mit der EU-Verordnung festgelegten Kontaminationsgrenze nicht in den Handel gelangen. „Wir fischen sozusagen für E.ON“, stellt Hartmann fest. Denn der Energiekonzern bezahlt den Transport der Aale zum Rhein, um die 40-Prozent-Auflage zu erfüllen. Den Anglern ist der private Verzehr nicht verboten.
Allerdings könne das auf unbestimmte Zeit angesetzte Transportprojekt nur eine vorübergehende Entlastung sein. Vielmehr würde der Einsatz fischschonender Turbinen, die es bereits in Amerika gebe, nach Meinung Hartmanns und vieler seiner Mitstreiter die Situation entschärfen. Schwierig sei das allerdings bei den alten Kraftwerksanlagen am Main, in denen man nicht einfach die Turbine wechseln könne.
Leichter sei dagegen, die hohen staatlichen Subventionen für Klein- und Kleinstkraftwerke an den Nebenflüssen und Bächen zu beenden, die den Verbraucher viel Geld kosten und wegen ihrer geringen Leistung hauptsächlich dem Betreiber nutzen und nicht der Umwelt, meint Hartmann. Gerade in den kleinen Zuflüssen hätten Kraftwerke eine verheerende Wirkung auf den Aalbestand und auf den anderer Fischarten. Auch, weil bei diesen Anlagen oft gegen die Einhaltung der Vorgaben für gesetzlich festgelegte Restwassermengen verstoßen werde. Das ist die Menge Wasser, die zum Schutz der Wassertiere im Bach oder Fluss bleiben muss und nicht durch die Turbinen geleitet wird.
Der bayerische Landesfischereiverband hat deshalb in diesem Jahr erstmals fünf Kraftwerksbetreiber angezeigt. Darunter war auch ein Werk an der Sinn bei Gemünden, das schon 2012 bemängelt worden war. Bei einer neuerlichen Kontrolle 2014 waren nur 16 Prozent des vorgeschriebenen Restwassers vorhanden.
Lebenszyklus der Aale
Der Europäische Aal ist in Europa, Kleinasien und Nordafrika beheimatet. Er hat einen schlangenförmigen, lang gestreckten Körper. Die Färbung der Oberseite kann zwischen schwarz und dunkelgrün, die der Unterseite zwischen gelb bei den jungen, sogenannten Gelbaalen, und weiß bei den erwachsenen, sogenannten Blankaalen variieren.
Aale schlüpfen im Atlantik, in der Sargassosee, in der Nähe der Bahamas. Die jungen Weidenblattlarven brauchen etwa drei Jahre, um von der Sargassosee an die europäischen Küsten zu gelangen, wo sie sich zu den etwa sieben Zentimeter langen Glasaalen wandeln. Im Frühjahr schwimmen diese in Schwärmen von den europäischen Küsten flussaufwärts in die Binnengewässer des Landesinneren. Während dieser Zeit heißen sie Steig- oder Gelbaale. In den Binnengewässern wachsen sie zur vollen Größe heran. Weibliche Tiere werden mit zwölf bis 15, männliche mit sechs bis neun Jahren geschlechtsreif.
Zum Ablaichen wandern die Tiere im September oder Oktober aus den Gewässern des Landesinneren über die Flüsse dahin zurück, wo sie geschlüpft sind: in die Sargassosee. Dabei legen die Fische innerhalb eines Jahres Strecken von über 5000 Kilometer ohne Nahrungsaufnahme gegen den Golfstrom zurück. Quelle: Wikipedia