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Würzburg
Waren die Falschangaben bekannt? Schwerer Vorwurf gegen das Jobcenter in Würzburg um möglichen Mietbetrug
Warum konnte ein Würzburger Vermieter über Jahre hinweg mutmaßlich falsche Quadratmeter beim Jobcenter abrechnen? Ein schwerer Vorwurf bringt das Jobcenter in Bedrängnis.
Der Eingang zum Jobcenter in der Bahnhofstraße in Würzburg. Im Fall des mutmaßlichen Mietbetrugs gibt es nun einen schweren Vorwurf: Wusste das Amt seit Längerem von den falschen Angaben?
Foto: Thomas Obermeier | Der Eingang zum Jobcenter in der Bahnhofstraße in Würzburg. Im Fall des mutmaßlichen Mietbetrugs gibt es nun einen schweren Vorwurf: Wusste das Amt seit Längerem von den falschen Angaben?
Ruben Schaar
Ruben Schaar
 |  aktualisiert: 08.02.2024 20:50 Uhr

Am 31. März ist im Würzburger Stadtrat noch vieles im Unklaren. Als die Sozialreferentin Hülya Düber während einer öffentlichen Sitzung zu einem mutmaßlichen Mietbetrug um Stellungnahme gebeten wird, antwortet sie, man befinde sich noch in der Prüfung. Danach kämen gegebenenfalls zivilrechtliche oder strafrechtliche Schritte in Betracht. Woran Düber damals wohl noch nicht denkt, ist, dass sich der Fall auch auf eine Behörde der Stadt ausweiten könnte.

Diese Redaktion hatte kurz zuvor über einen Würzburger Vermieter berichtet, der seit Jahren systematisch und im großen Stil falsche Quadratmeter beim Jobcenter abgerechnet haben könnte. Der Schaden könnte in die Millionen gehen. 

Nach Veröffentlichung der Recherchen hatte die Staatsanwaltschaft Würzburg Ermittlungen aufgenommen. Im Sommer hatte Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach dann bestätigt, dass wegen des Verdachts des Betruges gegen zwei Beschuldigte ermittelt wird. 

Wie konnte der mutmaßliche Betrug so lange unentdeckt bleiben?

Das Jobcenter und die Stadt Würzburg hatten damals auf Anfrage angegeben, in einem Fall einen anonymen Hinweis auf Unstimmigkeiten bei dem Vermieter erhalten zu haben.

Schon damals stellte sich jedoch die Frage, wie der mutmaßliche Betrug so lange unentdeckt bleiben konnte. Laut dieser Redaktion vorliegenden Unterlagen konnte der Vermieter jahrelang und in großem Umfang falsche Quadratmeter an das Jobcenter melden. Und das Jobcenter zahlte. Die Quadratmeter vieler Wohnungen wurden oft verdoppelt oder sogar verdreifacht, der Schaden könnte in die Millionen gehen. Wie konnte das dem Jobcenter nie auffallen? 

Mehrere Quellen gaben Anfang diesen Jahres an, das Jobcenter wisse von den Zuständen vor Ort, zahle aber trotzdem. Ein schwerer Vorwurf, der, sollte er sich bewahrheiten, auch das Jobcenter in den Fokus der Ermittlungen rücken könnte.

Quelle aus dem Jobcenter: Falschangaben waren bekannt

Nun wird der Verdacht bekräftigt: Eine ehemals beim Jobcenter Würzburg beschäftigte Person äußerte sich gegenüber dieser Redaktion dazu. Man habe beim Jobcenter Bescheid gewusst, dass der Vermieter falsche Quadratmeter angebe und es sei auch aufgefallen, wenn die Mieten immer genau so berechnet waren, dass sie vom Jobcenter noch getragen wurden, so die ehemals beim Jobcenter beschäftigte Person, die anonym bleiben möchte.

Bei den Recherchen zum Mietbetrug erhielt die Redaktion unter anderem dieses Dokument:  Das Jobcenter Würzburg bestätigt dem Mieter für die Wohnung in der Rottendorfer Straße die Angemessenheit der Mietkosten bei einer Wohnungsgröße von 27 Quadratmetern. Die tatsächliche Wohnungsgröße beträgt jedoch nur elf Quadratmeter, somit zahlte das Jobcenter 25 Euro pro Quadratmeter.
Foto: Scan MP | Bei den Recherchen zum Mietbetrug erhielt die Redaktion unter anderem dieses Dokument:  Das Jobcenter Würzburg bestätigt dem Mieter für die Wohnung in der Rottendorfer Straße die Angemessenheit der Mietkosten ...

Man müsse die Rolle des Jobcenters verstehen, heißt es in der an Eides statt versicherten Aussage weiter: Der sozialverträgliche Wohnungsmarkt in Würzburg sei sehr angespannt und dadurch sei die Situation für die Jobcenter sehr schwierig. "Man will den Wohnungssuchenden die Wohnung nicht verwehren, wenn sie endlich eine gefunden haben und ein einzelner Mitarbeiter kann da auch nichts tun."

Das Jobcenter Würzburg möchte sich auf Anfrage zu diesen Vorwürfen nicht äußern und verweist auf die laufenden Ermittlungsverfahren.

Bund der Steuerzahler Bayern ist alarmiert

"Sollte es zutreffen, dass das Jobcenter Würzburg schon seit Längerem und in größerem Umfang als bisher bekannt von den falschen Quadratmeterangaben gewusst und trotzdem gezahlt hat, sind das Verfehlungen aufseiten des Jobcenters, die unter Umständen auch einen Strafrechtstatbestand erfüllen könnten", so Maria Ritch, Vizepräsidentin im Bund der Steuerzahler Bayern. In diesem Fall, so Ritch, müsse vom Dienstherrn, also der Stadt Würzburg, für eine lückenlose Aufklärung gesorgt werden.

Die Rolle des Jobcenters Würzburg scheint schwierig zu sein: In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Sozialwohnungen stetig abgenommen, während die Mieten stark gestiegen sind. Zwar gibt die Stadt Würzburg auf Anfrage an, den Wegfall der Sozialwohnungen aktuell nahezu ausgleichen zu können. Bei steigender Nachfrage fällt es jedoch immer mehr Menschen schwer, eine Wohnung zu finden, die vom Jobcenter finanziert werden kann. Dafür könnten nun die Steuerzahlenden einen hohen Preis gezahlt haben, so Ritch.

 
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  • marent1@hotmail.de
    mal ganz ehrlich: der Jobcenter sucht dringend Leute: Bewerben Sie sich! Vielleicht können dann Mängel schneller erkannt und behoben werden...
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  • uli.kluepfel@web.de
    Das ist sympthomatisch für die öffentliche Verwaltung würde ich behaupten. Steuergelder sind dazu da um mit vollen Händen ausgegeben zu werden und alles was auch nur im entferntesten Mehraufwand bedeutet wird einfach ignoriert. Und gerade in Bayern ist Vettern- und Günstlingswirtschaft absolut üblich.
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  • hotsch1@yahoo.com
    Gegen den Amtsschimmel zu wettern ist vielleicht etwas kurz gegriffen. Es mag ja sein, dass das Amt geahnt hat wie der Hase läuft, aber entweder das Amt übernimmt oder der Wohnungsuchende bleibt unter der Brücke. Jetzt, nachdem der Skandal publik ist, muss die Vermietermafia Farbe bekennen. Ziemlich dumm gelaufen zwinkern
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  • steve67
    Wenn das in Würzburg geht, geht das woanders auch. Möchte nicht wissen wie viel Geld da an Unberechtigte geflossen ist. Und welche Incentives die Jobcenter-Mitarbeiter da bekommen haben. Rein aus sozialer Fürsorge werden die doch hoffentlich keinen Betrug decken?
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  • Albatros
    Soweit würde ich nicht einmal gehen, ich glaube nicht, dass hier Mitarbeiter mitkassieren. Es ist die Einfältigkeit und und der Dienst nach Vorschrift, hier kommt Niemand auf die Idee, die Angaben einmal zu überprüfen. Ich habe beruflich immer wieder mit der Agentur zu tun, das ist wirklich noch Behördentum in Reinstform. Nicht wenige Mitarbeiter würden in der freien Wirtschaft keinen Monat überleben.
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  • steve67
    Aber wenn man im Jobcenter von den überhöhten Mieten WUSSTE, dann sollte man sich auch bewusst gewesen sein, dass ein Nichtsanktionieren Beihilfe zum Betrug darstellt. Für so dumm halte ich die Mitarbeiter nicht.
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  • FairPlay
    Was sind denn das für Recherchen der Mainpost?
    Benennen eine anonyme Quelle, gibt's denjenigen überhaupt oder ist das frei erfunden?
    Dieser "ehemalige" Mitarbeiter will seinen Ex-Arbeitgeber belasten, vielleicht wurde ihm gekündigt.
    Warum hat er die ganze Zeit geschwiegen und sich nicht vorher gemeldet?
    Warum will er anonym bleiben, dies ist mir unverständlich.
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  • mai2023
    Wie wäre eine allgemeine Gewinnabschöpfung bei Vermietern die nicht sanieren und sich an hohen Mieten bereichern?
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  • jlattke
    Jede Wette, dass in einem Amt niemals ein Schuldiger gefunden wird! Das löst sich im Nebel des Amtsschimmels in nichts auf.
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  • Eos123456
    Das ist ein Armutszeugnis für die Öffentliche Verwaltung.
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  • gilchrist@gmx.de
    Man kennt sich in WÜ und eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus
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  • Barbara
    Vielleicht sollten Ämter, auch mal ihren Schreibtisch verlassen, und sich draussen um schauen, was so alles fälschlicherweise abgerechnet wird ?
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  • b.werthmann@web.de
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