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Würzburg
Wann ist der sexuelle Übergriff eine Vergewaltigung? Der Fall einer Jugendlichen aus Würzburg gibt die Antwort
Sie war sich nicht bewusst, was passiert war. Der Vergewaltiger offenbar auch nicht. Das Landgericht Würzburg verurteilt ihn zu jahrelanger Haft. Weil die Sachlage klar ist.
Wann ist eine Vergewaltigung eine Vergewaltigung? Der Fall einer 16-Jährigen, die in der Würzburger Wohnung eines Bekannten vergewaltigt wurde, gibt eine Antwort.
Foto: Ivana Biscan | Wann ist eine Vergewaltigung eine Vergewaltigung? Der Fall einer 16-Jährigen, die in der Würzburger Wohnung eines Bekannten vergewaltigt wurde, gibt eine Antwort.
Benjamin Stahl
 und  Jonas Keck
 |  aktualisiert: 04.04.2025 02:40 Uhr

Dass sie gerade vergewaltigt wurde, ist der Jugendlichen nicht bewusst. Die 16-Jährige konnte vor einem Bekannten fliehen. Nur mit einem Pullover bekleidet klingelt sie mitten in der Nacht irgendwo in Würzburg in der Nachbarschaft an einer Tür und bittet um Hilfe. Die Bewohner verständigen die Polizei. "Ich wollte das nicht mit mir machen lassen", sagt die 16-Jährige dem Beamten am Telefon. Ein junger Mann habe "versucht", sie zu vergewaltigen. Sie habe ihm daraufhin mit einem Messer in den Hals gestochen.

Wenige Straßen weiter telefoniert dieser junge Mann mit dem Rettungsdienst, er fürchtet um sein Leben. Blut rinnt seinen Hals herab. Eine Hauptvene wurde fast vollständig durchtrennt. Er überlebt und wird im Mai 2024 von der Kriminalpolizei vernommen. "Es zählt doch gar nicht als Vergewaltigung, wenn ich gar nicht ganz drin war", soll der damals 21-Jährige einem Polizisten zufolge gesagt haben.

Auch der junge Mann ist sich offenbar nicht im Klaren darüber, dass er die 16-Jährige vergewaltigt hat. Knapp ein Jahr später sitzt er als Angeklagter vor Richtern des Landgerichts Würzburg.

Verurteilt am Landgericht Würzburg: Angeklagter muss mehr als fünf Jahre ins Gefängnis

Der Staatsanwaltschaft zufolge hat der Beschuldigte die Jugendliche mit einem Messer bedroht und drang dann mit dem Finger in ihre Vagina ein. Der damals 21-Jährige gesteht dies vor Gericht. Juristisch ist der Fall eindeutig: Es war eine Vergewaltigung, nicht nur ein Versuch. Der Angeklagte wird zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.

Vergewaltigung wird von Juristen definiert als "sexuelle Handlung, bei der der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind", erklärt Oberstaatsanwalt Tobias Knahn. Eine sexuelle Handlung ist dabei ein Tun, das "unmittelbar der Befriedigung geschlechtlicher Bedürfnisse eines Menschen dient".

Kommt es bei sexuellen Übergriffen – also bei sexuellen Handlungen gegen den erkennbaren Willen des Opfers – zu einem Eindringen in den Körper des Opfers oder auch des Täters (!), ist dies juristisch eine Vergewaltigung. "Im Gegensatz zum allgemeinen Sprachgebrauch muss dabei keine körperliche Gewalt angewendet werden", erklärt Knahn. Eine Vergewaltigung könne auch dann vorliegen, wenn das Eindringen mit einem Finger oder einem Gegenstand geschehe und das Opfer dadurch "besonders erniedrigt" würde. Bei vaginalem und analem Eindringen sei dies meistens der Fall, sagt der Würzburger Oberstaatsanwalt.

Beratungsstellen verweisen auf Problematik im Sprachgebrauch und öffentlichen Bild 

Doch landläufig ist der Begriff nicht so weit gefasst. Katja Grieger vom Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) kennt das Problem aus der praktischen Erfahrung im Umgang mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt.

Im allgemeinen Sprachgebrauch und dem öffentlichen Bewusstsein sei mit "Vergewaltigung" fast immer das Eindringen mit dem Penis in eine Vagina gemeint. "Auch in Fernsehkrimis ist das die gängige Beschreibung einer Vergewaltigung", sagt die Sprecherin. Der Verband der Frauenberatungsstellen wolle diesem Bild mit Aufklärung entgegenwirken, weil eine Vergewaltigung als Ausprägung der sexualisierten Gewalt auch andere Formen annehmen könne.

Verband: Juristische Definition ist für Betroffene zunächst zweitrangig

Häufig kämen Frauen zu einer Beratungsstelle und sagten "Mir ist da was passiert". Da sei die juristische Definition zunächst zweitrangig, sagt Grieger. In einem ersten Schritt gehe es darum, für sich selbst eine Begriffsbestimmung dafür zu finden und daraus weitere Schritte abzuleiten. Die Verbandssprecherin sagt: "Beratungsstellen und Frauennotrufe stehen den Betroffenen in den unterschiedlichen Ausprägungen von sexualisierter Gewalt zur Seite."

Was tun, wenn ein Vergewaltigungsopfer um Hilfe bittet?

Betroffene einer Vergewaltigung befürchten dem Bayerischen Sozialministerium zufolge oft, auf Ablehnung oder Skepsis zu stoßen, wenn sie von ihren Erlebnissen berichten. Was tun, wenn jemand nach einer Vergewaltigung um Hilfe bittet? Der konkrete Ratschlag des Ministeriums: "Hören Sie zu. Nehmen Sie die Schilderung ernst. Zeigen Sie, dass Sie auf der Seite des Opfers stehen. Fragen Sie, was dem betroffenen Menschen jetzt guttun könnte. Wenn sie oder er einverstanden ist: Schalten Sie weitere Anlaufstellen ein - zum Beispiel: Ärztin oder Arzt, Krankenhaus, Polizei, Beratungsstelle."
Quelle: Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales
 
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  • Martin Deeg
    Es ist allgemein schon erstaunlich, welches Ausmaß von Obrigkeitshörigkeit und blindem Vertrauen manche Menschen gegenüber "Autoritäten" wie Richtern oder Staatsanwälten aufbringen (kein Wunder, dass Senioren hier immer wieder auf "falsche Polizisten/Staatsanwälte) hereinfallen....).

    Was Voreingenommenheit und das völlige Fehlen jeglicher Supervision und Reflexion anrichten kann, beleuchtet seit einigen Wochen bereits der aktuell kursierende Justizskandal um "Josephine R." - völlig unschuldige Leute zu Sicherungsverwahrung/Haft verurteilt!

    U.a. der Spiegel-Bericht vom 30.03.25 ist ein erschreckendes Zeugnis, was es für Folgen haben kann, wenn Aktivistinnen oder Staatsanwältinnen nicht einmal mehr auf die Polizei hören:

    "Sie erfand Vergewaltigungs- und Foltervorwürfe, brachte ihre Eltern ins Gefängnis. Die Geschichte der Josephine R. klang schon immer unglaublich. Und dennoch glaubten Anwälte und Richter ihr, jahrelang. Wie konnte das passieren?"....
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  • Ulrike Herold-Zehentner
    Herr Deeg, bei dem von Ihnen angesprochenen Fall am Rhönklinikum hatte Ihnen die Redakteurin erklärt, dass zum Schutz der Betroffenen keine Einzelheiten der Aussagen genannt wurden. Das Gericht hat die sehr wohl gehört und ist sicher in der Lage zu beurteilen, ob es eine Vergewaltigung oder ein anderer Straftatbestand war.
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  • Martin Deeg
    Und?

    Bevor es zu einem Urteil des Gerichts kommt, gibt es Ermittlungen durch Polizei, Maßnahmen gegen Betroffene wie Durchsuchung, Beschlagnahme ggf. Untersuchungshaft - die Staatsanwaltschaft ist Herrin des Verfahrens.

    Ggf. wird bereits nach Strafanzeige oder Festnahme durch die Medien berichtet.

    Das bedeutet, mitunter ist bereits der Ruf und die Reputation, die berufliche Existenz von Betroffenen/Angeklagten bereits zerstört bevor das Verfahren zugelassen wird geschweige denn eine gerichtliche Aufklärung erfolgt.

    Darum geht es - und da ist es schon relevant, was genau hier als "Vergewaltigung" verfolgt und dargestellt wird....

    Denn irgendwann ist für Betroffene fast schon egal, ob es zu einem "Freispruch" kommt - weil die Schädigungen längst eingetreten sind.
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  • Dominik Temming
    "zu einem Eindringen in den Körper des Opfers oder auch des Täters (!), ist dies juristisch eine Vergewaltigung."

    Das ist aber auch wieder ein ganz blöder Zufall, dass ausgerechnet in diesem Kontext der zuständige Mitarbeiter fürs Gendern (es fehlt "die Täterin") im Urlaub ist.
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  • Rupert Mahler
    das sind Probleme! ich würde das Gendern wieder abschaffen!!!
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  • Martin Deeg
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  • Martin Deeg
    Der oben geschilderte Fall ist doch etwas völlig anderes als dieser merkwürdige Prozess, der hier vor zwei Wochen unter der Schlagzeile "Auszubildende vergewaltigt?" beschrieben wurde und der ja offensichtlich Anlass für diesen kleinen Erklär-Bericht ist:

    ...."Laut Anklageschrift soll er sich bei dem Grillfest, bei dem auch Alkohol getrunken wurde, während eines Lagerfeuers an zwei volljährigen und einem minderjährigen Auszubildenden vergangen haben. Bei allen dreien habe er den Überraschungsmoment ausgenutzt, als sie in gebeugter Haltung aufs Handy blickten."....

    Das ist für niemanden begreifbar zu machen, dass dies eine "Vergewaltigung" sein soll, auch wenn - was ja offenbar der "Clou" der Vorwürfe sein soll - der Angeklagte "irgendwie" hier, alle vollständig bekleidet auf einem Fest, eine Hand in die Hose geschoben worden sein soll (?), wie nach langem Hin und Her zu erfahren war.
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  • Karl-Heinz Schmid
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  • René Wiebusch
    Ich möchte Sie sehen, wenn jemand Sie in dieser Art und Weise , berührt, eindringt, etc ... ich denke "passd scho" wäre nicht Ihre Reaktion ...
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  • Martin Deeg
    In dieser Art und Weise "berührt" worden bin ich oft - bspw. im Rahmen von Festivitäten bei der Bereitschaftspolizei.

    Genau darum geht es ja. "Eindringen" ist etwas völlig anderes.
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  • Harry Amend
    Über den Fall wissen wir alle eigentlich gar nichts, nur das ein junges Mädchen oder auch Teenager von einem Bekannten geflohen ist, warum auch immer. Vielleicht wollte das Mädchen damit auch den Angriff vertuschen oder was anderes, wir wissen es nicht und das einige auch schon zu unrecht beschuldigt worden sind, hierfür gibt es sogar Prominente Beispiele wie z.B. der ehemalige Fernsehmoderator Türck oder auch Herr Kachelmann. Das was mittlerweile alles als Vergewaltigung gilt ist in meinen Augen ein Freibrief auch wenn ich niemanden unterstellen will das er das mit Absicht ausnutzt. Es ist und bleibt ein schwieriges Thema für alle.
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  • Patrick Hanft
    Mag sein, dass Sie niemandem eine "Ausnutzung" eines angeblichen "Freibriefs unterstellen wollen". Jedoch stellen Sie die – ja, existierenden, jedoch seltenen – Fälle falscher Anschuldigungen in den Vordergrund, während die Realität viel mehr so aussieht, dass eine wirklich schockierend große Zahl an Tätern straffrei davon kommt, weil die Beweisführung in diesen Fällen typischerweise sehr schwierig ist.

    Wer als Mann diese Realitäten verzerrt und dieses schäbige Märchen verbreitet, man stünde als Mann stets mit einem Bein im Knast, stellt auch ganz ohne Unterstellung offen die eigene, durch männliche Privilegien getrübte Perspektive zur Schau.
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  • Karl-Heinz Schmid
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