Vor kaum lösbare Aufgaben stellt die Corona-Krise derzeit die Hochschulen in Mainfranken. Seit das Ministerium Anfang März alle Lehrveranstaltungen und Kurse in Präsenzform gestoppt und Bibliotheken geschlossen hat, wird mit Hochdruck am Ausbau digitaler Angebote gearbeitet. Notgedrungen und beschleunigt werden sie aus dem Boden gestampft.
Betroffen sind – neben Mitarbeitern und Wissenschaftlern – rund 28 000 Studierende an der Würzburger Julius-Maximilians-Universität (JMU), 9000 an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS) und an die 600 Studierende der Hochschule für Musik in Würzburg. Für alle drei sollen die Vorlesungen des Sommersemesters am 20. April starten. Aber wie?
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Die FHWS ist nach der bayernweiten Verschiebung fünf Wochen in Verzug. Und ob es bei dem Termin bleibt, ist durchaus fraglich. Noch geht man im Münchner Wissenschaftsministerium davon aus. Ein Ausfall des Sommersemesters sei "keine Option", sagte Minister Bernd Sibler (CSU) vor wenigen Tagen. Dies sei Konsens unter den bayerischen Hochschulen. Sie alle stellten sich auf die veränderten Rahmenbedingungen ein, so dass der Vorlesungsbetrieb am 20. April starten könne. Online-Angebote würden täglich erweitert, alternative Lehrkonzepte entwickelt.
Forderungen von Wissenschaftlern und aus der Politik, das Sommersemester generell als "Nicht-Semester" zu werten, erteilen auch die Dachorganisationen eine Absage. Allerdings bringen Hochschulverband (DVH) und Rektorenkonferenz (HRK) Ausnahmen ins Spiel, wenn Studierende durch fehlende Laborkurse, Praktika oder IT-Unterstützung zurückgeworfen werden. Auch, wo sie coronabedingt durch Pflege oder Erziehung gebremst sind, fordert die Rektorenkonferenz einen "Nachteilsausgleich".
"Die Verunsicherung unter den Studierenden ist groß", bestätigt Lauren Weser von der Studierendenvertretung der FHWS, "aber Panik nützt niemandem." Für die Hochschulen in Würzburg und Schweinfurt geht es im Moment vor allem um praktische Lösungen. Da werden Lehrvideos aufgezeichnet oder Kurse live übertragen, Studierende tauschen sich in Videokonferenzen mit ihren Dozenten aus, Fragen werden in Chats beantwortet. Die digitale Lehre hat coronabedingt Fahrt aufgenommen.
FHWS: Vorlesungen an Samstagen und eine Woche länger
Die FHWS, wo die Vorlesungen regulär am 16. März begonnen hätten, trifft es besonders. Täglich seit Ende Februar berät hier der Krisenstab über das weitere Vorgehen. Selbst wenn die Hochschulen am 20. April wieder öffnen sollten, fehlen fünf Wochen eines normalen Sommersemesters. Hereinholen wolle man sie durch Verdichtung, Online-Angebote und Vorlesungen an Samstagen.
Der Vorlesungszeitraum wurde um eine Woche verlängert und endet nun am 17. Juli, der anschließende Prüfungszeitraum geht bis zum 8. August, wie FHWS-Vizepräsident Christian Bauer auf Anfrage sagte. Termine für Prüfungen und Klausuren schieben sich somit ebenfalls um eine Woche nach hinten.
Zustimmung kommt von den Studierenden. Weil in manchen Fächern die Stundenpläne ohnehin sehr vollgepackt sind, sei dies "noch das kleinste Übel", so Lauren Weser, die als gewählte Vertreterin für den Studentischen Konvent beratend im Krisenstab tätig ist. Über den Konvent wurden die Studierenden in die Lösungsfindung einbezogen. Dass wie an der Uni die Bibliotheken geschlossen sind, ist für die Studierenden zwar unbequem. Aber zum größten Teil sei Literatur für Fach- oder Bachelorarbeiten auch online verfügbar, "sie stehen nicht ohne da", so Bauer.
Praktische Teile im Studium sind digital nicht voll aufzufangen
Doch gerade an der FHWS haben Studiengänge einen hohen praktischen Anteil. In den technischen Fächern geht es oft nicht ohne Laborarbeit. Diese ist durch Online-Angebote nicht vollständig aufzufangen. Vize-Präsident Bauer schließt nicht aus, dass bei drohenden Unterrichtsausfällen in bestimmten Fächern das Lehrangebot angepasst werden muss. "Möglicherweise lässt sich auch nicht die komplette Semesterleistung erbringen."
Weiteres Problem: Lehrbeauftragte fallen aus. Sie kommen an der FHWS häufig aus der Praxis, aus sozialen Einrichtungen oder Unternehmen, wie Dagmar Unz, Dekanin für die Angewandten Sozialwissenschaften, ergänzt. Lehraufträge zu planen, sei im Moment gerade schwierig.
Und doch sieht die Hochschulleitung in der großen Krise auch einen Gewinn. "Wir müssen aus der Not eine Tugend machen und Digitalisierung zielführend einsetzen“, sagt Unz. Tatsächlich wurde binnen weniger Wochen das Online-Angebot um ein Vielfaches erweitert.
Uni: "So digital und so flexibel wie möglich"
Auch die Julius-Maximilians-Universität (JMU) hat für das Sommersemester die Devise ausgegeben: So digital und so flexibel wie möglich. Man erwartet Einschränkungen, das Semester werde "in vielerlei Hinsicht durch die Corona-Pandemie geprägt" sein, so Uni-Präsident Alfred Forchel.
Die Uni plant mit dem Start der Vorlesungen am 20. April – zunächst allerdings nur digital. Und: Der Vorlesungszeitraum wird an allen bayerischen Universitäten um zwei Wochen bis 7.August verlängert. Dies sei der Wunsch der Hochschulen gewesen, so der Wissenschaftsminister in einem aktuellen Schreiben an die Hochschulpräsidenten.
Seit den ersten Corona-Fällen und dem verordneten Stopp aus dem Ministerium werden die Online-Angebote an der JMU ausgebaut – und die Dozenten dabei unterstützt. Die Uni stellt laut Forchel zum Beispiel zusätzliche Lizenzen, technische Ausstattung und Hilfen zur Vorlesungsaufzeichnung zur Verfügung. Täglich tagt per Videokonferenz eine Task Force der Uni-Leitung.
Die Unsicherheit bei den Studierenden ist groß, wie es mit Seminaren und Praktika, vor allem aber mit anstehenden Klausuren und Prüfungen weitergeht. So wurde im Freistaat beispielsweise die Prüfung für das Erste Staatsexamen der Lehramtsanwärter ausgesetzt. Meist können die Dekane der Fakultäten aktuell noch keine genaueren Infos geben. In Abstimmung mit dem Ministerium wird an bayernweit einheitlichen Regelungen gearbeitet.
Sommersemester an der Uni soll online beginnen
Für Forchel steht die Gesundheit an erster Stelle. Unter dieser Prämisse wolle man Sorge tragen, dass den Studierenden und Mitarbeitenden keine gravierenden Nachteile entstehen, sagte der Präsident auf Anfrage. Die Lehre werde zumindest im ersten Teil des Sommersemesters über Online-Veranstaltungen sichergestellt. Praktika und andere Präsenz-Veranstaltungen will die Uni anbieten, "sobald es die Situation wieder erlaubt". Diese gelte auch für Prüfungen, so Forchel. Sollten Praktika oder Prüfungen zu Fristüberschreitungen beim Studium führen, "werden wir Lösungen hierfür finden.“
Zur Information über die Lage wurden schon Anfang Februar umfangreiche eigene Internetseiten zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf die Universität aufgebaut. Sie sind in den vergangenen Wochen stetig gewachsen. Hier finden sich tagesaktuell viele Hinweise für Studierende zu Online-Alternativen, technischen Fragen oder rechtliche Aspekte für das kommende Sommersemester.
Uni beantwortet viele Corona-Fragen auf eigener Homepage
Auch die wichtigsten Fragen aller Uni-Angehöriger in der Corona-Krise, etwa zum Betreten der Uni, den Möglichkeiten von Homeoffice oder der Betreuung von Kindern werden hier beantwortet. Die Homepage ist sehr gefragt, laut Uni-Sprecherin Esther Knemeyer wurde sie bereits , über 550 000 Mal besucht.
Formal "geschlossen" ist die Uni übrigens nicht: Die Entwicklung von Onlineangeboten, der Forschungsbetrieb und die Verwaltung laufen weiter – überwiegend im Homeoffice. Anders bei der Hochschule für Musik (HfM): Hier heißt es offiziell "geschlossen". Unterricht und öffentliche Veranstaltungen, heißt es, würden am 20.April beginnen. Aber auch hier gilt: Änderungen nicht ausgeschlossen.