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Würzburg
Von Würzburg aus Menschenleben retten: Werden noch genügend Blut und Stammzellen gespendet, Professor Böck?
Schwerkranken helfen – selbstverständlich oder nicht? Transfusionsmediziner Markus Böck von der Uniklinik Würzburg über Altersgrenzen, Typisierung und das "Netzwerk Hoffnung".
Hat in Würzburg für den Aufbau der regionalen Stammzellspenderdatei 'Netzwerk Hoffnung' gesorgt: Transfusionsmediziner Prof. Markus Böck. Jetzt geht der 66-Jährige in den Ruhestand.
Foto: Daniel Peter / UKW | Hat in Würzburg für den Aufbau der regionalen Stammzellspenderdatei "Netzwerk Hoffnung" gesorgt: Transfusionsmediziner Prof. Markus Böck. Jetzt geht der 66-Jährige in den Ruhestand.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 08:52 Uhr

Blut- und Stammzellenspenden werden dringend gebraucht. Im vergangenen Sommer galt die Versorgung mit Blutkonserven zwischenzeitlich als "kritisch", das Bayerische Rote Kreuz (BRK) schlug Alarm. Prof. Markus Böck beobachtet die Entwicklung seit langem. Nach 24 Jahren am Würzburger Uniklinikum geht der Leiter des Instituts für Transfusionsmedizin jetzt in den Ruhestand. Im Interview erklärt der 66-Jährige, warum er sich besonders für eine regionale Stammzellspenderdatei stark gemacht hat.

Herr Böck, wie geht's der Blutspende?

Prof. Markus Böck: Eigentlich nicht so schlecht. Es wird ja immer behauptet, die Leute seien heutzutage egoistischer und kämen weniger zum Blutspenden – das kann ich so nicht beobachten. Die Bereitschaft der Bevölkerung ist grundsätzlich nach wie vor vorhanden.

Auch bei der jüngeren Generation?

Böck: Ja, das Alter spielt hier weniger eine Rolle. Was zugenommen hat, sind die Engpässe in Urlaubszeiten. Menschen verreisen heute häufiger als früher, in dieser Zeit schrumpfen die Vorräte an Blut- oder Spezialkonserven, wie wir sie hier an der Uniklinik aufbereiten. In den letzten 20 Jahren gab es in Würzburg aber nie den Fall, dass wir eine notwendige Blutkonserve nicht gehabt hätten. Auch dank einer ausgezeichneten Kooperation mit dem Blutspendedienst des BRK.

Was meinen Sie mit Spezialkonserven?

Böck: Das sind zum Beispiel Thrombozytenkonzentrate, also spezielle Konserven für schwerkranke Patienten, die für die Blutgerinnung benötigt werden. Es sind spezielle Anteile, die dann aus dem Blut herausgefiltert werden. Seit den 90er Jahren macht man Hämotherapie nach Maß – das heißt, der Patient bekommt vom fremden Blut nur die Bestandteile, die er wirklich braucht. An der Uniklinik benötigen wir sehr viele solcher Spezialkonserven.

Manche würden gerne Blut spenden, dürfen aber nicht. Welche Ausschlussgründe gibt es?

Böck: Da gibt es viele, zum Beispiel medizinische Gründe. Wenn jemand zuckerkrank ist, eine Leberentzündung, ein schwaches Herz hat – dann darf er natürlich nicht Blut spenden. Das gilt immer dann, wenn entweder er selber durch die Spende gefährdet ist oder sein Blut jemand anders gefährden könnte, zum Beispiel bei einer Infektion.

Gibt es eine Altersgrenze beim Blutspenden?

Böck: Ja, formal liegt sie als Empfehlung bei 68 Jahren, für Erstspender bei 60 Jahren. Diese Grenze wird aber Gott sei Dank immer weiter aufgeweicht. Gerade hat der Bundestag die Möglichkeit dazu beschlossen, und wir machen davon Gebrauch. Wir richten uns nach der individuellen Situation. Natürlich werden die Leute tendenziell kränker, wenn sie älter werden. Entsprechend vorsichtig muss man sein. Wenn ich aber einen 70-jährigen Dauerspender vor mir habe, der fit ist wie ein Turnschuh, dann kann der auch weiter Blut spenden.

Mit der Änderung des Transfusionsgesetzes wurden auf Initiative des Bundesgesundheitsministers die Hürden für homosexuelle Blutspender gesenkt. Ein richtiger Schritt?

Böck: Das hat verschiedene Aspekte. Grundsätzlich ist es richtig, nach einem individuellen Risiko aufgrund des Sexualverhaltens zu urteilen. Gleichzeitig hat die genannte Gruppe im Durchschnitt ein höheres Infektionsrisiko. Hier ist abzuwägen – eine durchaus schwierige Entscheidung. Es fehlt auch noch die Stellungnahme der Bundesärztekammer in den Richtlinien dazu.

Ihnen selbst war neben der Blutspende vor allem die Stammzellenspende ein Anliegen. Warum ist sie Ihnen so wichtig?

Böck: Viele Patienten mit Leukämie oder anderen bösartigen Erkrankungen brauchen für ihre Heilung eine Stammzelltransplantation. Und eine solche geht nur, wenn man einen genetischen Zwilling als Spender hat. Ihn zu finden, ist unter Geschwistern mit einer Wahrscheinlichkeit von 25 Prozent möglich – außerhalb der Familie aber sehr schwierig. Um bei hunderten von Millionen an Kombinationsmöglichkeiten einen genetischen Zwilling zu finden, brauchen Sie Stammzellspenderdateien mit vielen Menschen, die darin aufgenommen sind.

Seit 2003 haben Sie mit dem "Netzwerk Hoffnung" eine eigene Stammzellspenderdatei am Uniklinikum aufgebaut mit heute rund 25.000 Menschen. Was ist der Vorteil einer regionalen Datei?

Böck: Sie können Leute regional ganz anders motivieren, Sie sind näher am am Spender dran mit der Aufklärung, der Kommunikation. Und wenn es zur Spende kommt, spenden die Menschen auch regional – das heißt in der örtlichen Nähe. Man muss nicht erst durch halb Deutschland reisen, um zu spenden.

Erinnern Sie sich noch an die Anfänge?

Böck: Oh ja!! Während eines Urlaubs bekam ich den Anruf aus der Klinik: "Da stehen mehrere hundert Menschen vor unserer Tür  und wollen sich typisieren lassen." Zu der Zeit gab es einen der ersten Aufrufe für einen Patienten im Internet. Innerhalb weniger Tage kamen mehrere tausend Menschen. Auf diesen Ansturm waren wir nicht vorbereitet, aber wir haben es geschafft. Damit war der Grundstein für diese Datei gelegt.

Wie hat sich die Bereitschaft bei der Stammzellspende entwickelt?

Böck: Sie ist mit zunehmender Öffentlichkeit für das Thema gewachsen. Und viele Menschen sind bereits typisiert: Anfang der 90er Jahre hatten wir 100.000 bis 150.000 potenzielle Spender in Deutschland, heute 9,2 Millionen. Wir hatten Probleme durch Corona, weil wir kaum Typisierungsaktionen in Turnhallen oder anderswo machen konnten. Das hat uns gebremst und wir konnten die Datei nicht ausbauen. Jetzt laufen die ersten Aktionen wieder und ich bin hoffnungsfroh.

"Netzwerk Hoffnung": Eine Mitarbeiterin analysiert eine Probe aus einem Stammzellkonzentrat.
Foto: Angie Wolf, UKW | "Netzwerk Hoffnung": Eine Mitarbeiterin analysiert eine Probe aus einem Stammzellkonzentrat.
Soll dieses Netzwerk immer weiter wachsen oder reicht der Bestand an möglichen Spenderinnen und Spender irgendwann aus?

Böck: Es muss immer weiter wachsen. Zwar finden wir in Deutschland heute für über 90 Prozent der Patienten einen passenden Spender. Aber wir haben jährlich eben auch 11.000 transplantationsfähige Neuerkrankungen.

Spendet auch tatsächlich, wer sich einmal hat typisieren lassen?

Böck: Ja, aber da ist es wichtig, sich in Erinnerung zu halten. Deshalb schreiben wir die Leute regelmäßig an. Die Fälle, dass es sich jemand anders überlegt hat, sind extrem selten.

Und was ist mit den Kosten für die Typisierung?

Böck: Wir liegen bei 40 bis 50 Euro für die Laboranalytik zur Aufnahme in die Datei. Deshalb brauchen wir weiterhin die finanziellen Spenden. Die schlimmste Vorstellung ist: Sie haben eine Typisierungsaktion und könnten nur 500 von 1000 spendewilligen Leuten aufnehmen, weil man das Geld nicht hat. Glücklicherweise musste ich das nie erleben.

Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Hämotherapie

Die Transfusionsmedizin am Würzburger Uniklinikum besteht seit 75 Jahren, seit 2007 als eigenständiges Institut – eines von nur zwei universitäten Einrichtungen in Bayern. Aktuell hat das Institut 66 Beschäftigte. Zu den Aufgaben zählen die Bereitstellung von rund 70.000 Blutkomponenten im Jahr sowie die komplette immunhämatologische Labordiagnostik mit jährlich über 250.000 Analysen.
Quelle: UKW
 
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  • K. H.
    Hallo, ich würde gerne Nabelschnurblut spenden. Bei den Blutbanken, die ich angefragt habe, wird gerade nichts aufgenommen.
    Vielleicht hat jemand der den Artikel liest einen Tipp.
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    • Antworten
  • S. O.
    Toll, dass Sie das machen wollen.

    Vielleicht kann Ihnen die Transfusionsmedizin der Uniklinik Erlangen weiterhelfen, falls Sie die noch nicht kontaktiert haben:

    https://www.transfusionsmedizin.uk-erlangen.de/stammzellbank/
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