Das NS-Regime verfolgte gnadenlos nicht nur politische Gegner oder Jüdinnen und Juden, der Hass der Nazis richtete sich auch auf Menschen mit unerwünschter sexueller Orientierung. Nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) wurden während des Nationalsozialismus rund 50.000 homosexuelle Männer zu Freiheitsstrafen verurteilt, zwischen 10.000 und 15.000 Männer landeten im Konzentrationslager.
In den Lagern waren die Männer in besonderem Maße dem Terror der Wachmannschaften ausgesetzt, wurden laut bpb den schwersten Arbeitskommandos zugeteilt, Opfer medizinischer Experimente oder tödlicher "Strafmaßnahmen". Die Todesrate schwuler Männer lag in den KZ bei 60 Prozent.
Schwule Opfer des NS-Terrors aus Würzburg stehen an diesem Dienstag, 25. Juli, im Mittelpunkt einer weiteren Stolperstein-Verlegung, die ganztägig zu verschiedenen Zeitpunkten (siehe Grafik) an den ehemaligen Wohnorten der Menschen stattfindet. Erinnert wird auch an Angehörige anderer Opfergruppen. Es ist das 33. Mal, dass in Würzburg Stolpersteine verlegt werden. Mit den 15 neuen Steinen werden in Würzburg dann 696 Stolpersteine an NS-Opfer erinnern, so viele wie in keiner anderen bayerischen Stadt.
Stellvertretend hier der Blick auf drei Schicksale schwuler Männer aus Würzburg, an die ab Dienstag Stolpersteine erinnern werden (Quelle der biografischen Angaben: Arbeitskreis Stolpersteine Würzburg):
Tod im KZ Flossenbürg: Georg Burger (1896 bis 1942)
Der Obsthändler Georg Burger kommt 1896 in Würzburg zur Welt. Seine Mutter hat einen Obststand auf dem Markt, den ihr Sohn später übernimmt. Während des Ersten Weltkriegs hat Georg Burger erste sexuelle Kontakte zu Männern, die er in den folgenden Jahren weiter pflegt. Im Juli 1936 wird er nach dem berüchtigten Homosexuellen-Paragrafen 175 zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Sein "Verbrechen": Treffen mit anderen Männern in Würzburg und sexuelle Kontakte. Im November 1937 wird er aus dem Gefängnis Nürnberg entlassen und kehrt nach Würzburg zurück. Aber schon 1940 fahndet die Kriminalpolizei Würzburg wieder nach ihm.
Am 3. Dezember 1940 wird Georg Burger vom Landgericht Würzburg erneut wegen "Unzucht zwischen Männern" zu einem Jahr und zwei Monaten Gefängnis verurteilt. Sofort nach dem Verbüßen seiner Strafe liefert ihn die Würzburger Kripo am 8. Dezember 1941 als "Vorbeugungshäftling" nach Paragraf 175 ins KZ Flossenbürg ein. Schon am 21. März 1942 stirbt er dort angeblich an Herz– und Kreislaufversagen. Seine wenigen Kleidungsstücke werden an seine Mutter geschickt.
Ermordet in der Tötungsanstalt Bernburg: Hermann Gernet (1902 bis 1942)
Der 1902 geborene Hermann Gernet betreibt in Würzburg einen Gartenbaubetrieb, den er vom Bürgerspital gepachtet hat. Mit "Gemüse, Obst, Blumen- und Kranzbinderei" beschreibt er seine Geschäftstätigkeit. 1935 gerät er erstmals in den Fokus der Polizei, als sein Name nach der Verhaftung eines anderen Mannes genannt wird. Er wird verhört, muss aber nicht in Untersuchungshaft. Am 11. Januar 1936 wird er jedoch nach Paragraf 175 zu fünf Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Die lange Haftstrafe, die er im Gefängnis in Nürnberg absitzen muss, setzt ihm körperlich und seelisch zu.
Nach Verbüßung der Gefängnishaft kommt er im Februar 1941 zunächst ins KZ Dachau. Zwei Monate später wird er als einer von 300 Häftlingen der Strafkompanie des KZ Dachau ins KZ Ravensbrück überstellt. Zur Jahreswende 1941/42 werden im Lager Ravensbrück dann über 334 Männer von einer Ärztekommission unter Leitung des "Euthanasie"-Arztes Dr. Fritz Mennecke begutachtet und auf ihre Arbeitsfähigkeit hin geprüft. Diejenigen, die als nicht mehr "arbeitstauglich" gelten, werden im März 1942 in die Tötungsanstalt Bernburg überstellt, unter ihnen ist auch Hermann Gernet. Es gilt als sicher, dass er unmittelbar nach seiner Ankunft in Bernburg am 23. März 1942 ermordet wurde.
Gestorben im KZ Dachau: Peter Lanwehr (1897 bis 1942)
Der 1897 geborene Peter Lanwehr stammt aus der Gegend von Münster und macht während des Ersten Weltkriegs erste homosexuelle Erfahrungen. 1928 kommt er nach Würzburg und tritt hier eine Stelle als Hausvater im katholischen Gesellenhaus an.
1936 gerät er nach der Verhaftung eines anderen Mannes ins Visier der Würzburger Gestapo. Am 30. September wird er verhaftet. Beim Verhör gibt er an, dass er mit dem Verhafteten, der Hausbursche im katholischen Gesellenhaus war, seit etwa 1932 ein Verhältnis hatte. Auch mit anderen Männern habe er sexuell verkehrt.
Das Gesellenhaus wird geschlossen, Peter Lanwehr wird am 10. März 1937 wegen "fortgesetzter Vergehen der widernatürlichen Unzucht mit Männern" nach Paragraph 175 zu einer Gefängnisstrafe von fünf Jahren verurteilt, vier Monate Untersuchungshaft werden angerechnet. Nach der Verbüßung kommt Peter Lanwehr aber nicht frei: Er wird sofort wieder verhaftet und mit einem Sammeltransport ins KZ Dachau geschickt. Hier stirbt er am 2. April 1942 an Herz -und Kreislaufversagen.
Eine Abendveranstaltung unter dem Thema "Sichtbar – Queere Schicksale im Spiegel der Zeit" findet am Dienstag, 25. Juli, 19 Uhr, in der Theaterfabrik Blaue Halle statt. Sie wird gestaltet in Zusammenarbeit des Mainfrankentheaters mit dem wufzentrum, dem Queeren Zentrum Würzburg. Neben Szenen, die das Leben der queeren Szene vor, während und nach der Hitlerdiktatur zeigen, wird der Chor "Sotto Voce" zum Abend beitragen. Der Eintritt ist frei, um 18.30 Uhr fährt ein kostenloser Shuttle-Bus ab Hauptbahnhof.
Weitere Informationen und ausführliche Biografien der Opfer unter www.stolpersteine-wuerzburg.de.