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Würzburg
Vom unterfränkischen Wolf zur Cyborg-Bestie: Wie ein Würzburger Autor seine Heimat in die Zukunft transportiert
Christian Endres erzählt, wie ihn die Rückkehr der Wölfe in Unterfranken zu seinem Scifi-Krimi "Wolfszone" inspirierte – und warum er trotzdem anderswo handelt.
Der Würzburger Autor Christian Endres hat am 15. Mai seinen neuesten Roman 'Wolfszone' veröffentlicht. Bei seiner Entstehung spielte der unterfränkische Wolf eine wichtige Rolle.
Foto: Volkan Baga | Der Würzburger Autor Christian Endres hat am 15. Mai seinen neuesten Roman "Wolfszone" veröffentlicht. Bei seiner Entstehung spielte der unterfränkische Wolf eine wichtige Rolle.
Simon Hörnig
 |  aktualisiert: 01.06.2024 02:50 Uhr

Der Wolf, seit dem letzten Jahr auch ein großes Thema in Unterfranken. Zwischen Main-Spessart und Rhön-Grabfeld hat eine zunehmende Anzahl von ihnen mittlerweile ihr Revier – sehr zum Unbehagen der örtlichen Viehhalter. Bis nach Würzburg hat es Meister Isegrim zwar noch nicht verschlagen – den Autor Christian Endres dort jedoch zu seinem jüngst bei Heyne erschienenen Roman inspiriert. Warum "Wolfszone" dennoch nicht in Unterfranken handelt und wie stark sich seine Heimat trotzdem darin wiederfindet, erklärt der 38-Jährige im Interview.

Frage: Worum geht es in "Wolfszone"?

Christian Endres: Mein Roman ist eine Mischung aus Krimi und Science-Fiction, gespeist von brandaktuellen Themen wie der Rückkehr der Wölfe, KI, Klimakrise, Fake News, Krieg. Im Mittelpunkt steht ein Wald in Brandenburg. Dort haben sich Wölfe durch experimentelle Nanobots und Elektroschrott in Cyborgs verwandelt, halb Tier, halb Maschine. Die Bundeswehr hat den Wald abgeriegelt. In Dölmow, dem (fiktiven) letzten Dorf vor der Sperrzone, prallen Journalisten, Wissenschaftlerinnen, Gangster, Wolfshasser, Aktivisten aufeinander. Und ausgerechnet hier soll der Berliner Privatdetektiv Joe Denzinger die verschwundene Tochter von Deutschlands reichster Rüstungsunternehmerin finden, die sich zuletzt im Camp der Wolfsunterstützer aufgehalten hat.

Auch in Unterfranken tummeln sich ja mittlerweile Wölfe, war das Ihre Inspiration?

Endres: Ja, tatsächlich. Ich erinnere mich, schon im 2018 und 2019 in der Main-Post über einen ersten Wolf in der Rhön gelesen zu haben. Inspiriert davon habe ich Ende 2019 meine Science-Fiction-Kurzgeschichte "Wer hat Angst vorm bösen W@lf?" für das Magazin "Spektrum der Wissenschaft" geschrieben. Aus der sollte "Wolfszone" später als eigenständiger Roman hervorgehen – fast genau 25 Jahre, nachdem ich mal gesagt habe, irgendwann will ich ein Buch bei Heyne veröffentlichen.

Ein persönlicher Meilenstein?

Endres: Könnte man so sagen. Das ist schon als Jugendlicher mein Traum gewesen, irgendwann mal im selben Verlag zu veröffentlichen, wo William Gibson, Terry Pratchett und andere meiner prägenden Helden erschienen sind. Die Arbeit an dem Roman hat mir darüber hinaus auch geholfen, mit der aus den Fugen geratenen Welt von Corona damals klarzukommen. Ich erinnere mich, wie ich oft spätnachts am MacBook saß, den Irrsinn des Tages hinter mir ließ und ganz relaxt neue Szenen geschrieben habe, und wie gut sich das angefühlt hat. Die "Wolfszone" war da ein Rückzugsort, wo ich viele Eindrücke verarbeiten konnte.

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Was hat Sie speziell an den Wölfen so fasziniert, dass Sie ihnen ein Buch widmen wollten?

Endres: Bis Ende der 2010er waren Wölfe gefühlt eher ein Thema aus und für Sachsen, Brandenburg, Niedersachsen. Auf einmal waren sie jedoch in Unterfranken angekommen, auch hier Realität und Teil der öffentlichen Debatte. Das hat schon etwas verändert in meiner Wahrnehmung. Nun hier in meiner Heimat zu erleben, wie die Rückkehr der lange ausgerotteten Raubtiere gesehen wird, was für Meinungen und Lager es gibt, wie die Diskussion geführt wird.

Wieso haben Sie die Geschichte dann nicht einfach hier spielen lassen?

Endres: Als mir klar wurde, dass "Wolfszone" ein klassischer Krimi mit einem Privatdetektiv wird, legte ich mich schnell auf Brandenburg als Setting fest. Viele ikonische Ermittler haben Großstädte als Jagdrevier. Also wollte ich meinem eigenen Ermittler die deutsche Weltstadt Berlin als Ausgangspunkt geben – und ihn als Stadtmenschen kurz darauf mit einem Dorf, dem Land, dem Wald konfrontieren. Nicht gerade seine Komfortzone. Ich glaube aber, dass die Unterschiede zwischen Dörfern und Wäldern in Brandenburg und Unterfranken wahrscheinlich gar nicht so groß sind. Landwirte und Forstbehörden haben überall mit dem Klimawandel zu kämpfen und Wölfe sorgen vielerorts für Aufsehen.

Christian Endres' Roman 'Wolfszone' an dem Ort seiner Inspiration: Dem unterfränkischen Wald bei Würzburg.
Foto: Volkan Baga | Christian Endres' Roman "Wolfszone" an dem Ort seiner Inspiration: Dem unterfränkischen Wald bei Würzburg.
Auch in "Dölmow" findet sich also Würzburg und Umgebung wieder.

Endres: Absolut. Das Gefühl etwa, abseits der Wege ein Stück tiefer als beim üblichen Spaziergang in den Wald einzudringen und schnell eine gewisse Urtümlichkeit, womöglich sogar eine potenzielle, im Dickicht lauernde Gefahr zu spüren. Das begegnet mir auch hier und dieses Gefühl habe ich in "Wolfszone" mehr als einmal kanalisiert. Oder wenn Joe zwischen den Feldern bei Dölmow in Gluthitze und gnadenloser Sonne unterwegs ist, oder wenn ein nicht klimatisiertes Hotelzimmer im Hochsommer richtig stickig wird. Das sind Dinge, die ich hier zu Hause selbst schon gefühlt und schlichtweg nach Brandenburg übertragen habe. Und Dölmow wurde garantiert von der einen oder anderen Dorf-Hauptstraße hier in Unterfranken inspiriert. Letztlich kommt man als Autor ständig in die Situation, aus der Ferne irgendwelche Zeiten, Orte oder Situationen beschreiben zu müssen. Das ist schlichtweg Teil des Jobs. Etwas, das man über Erfahrung, Recherche und Einfühlungsvermögen löst.

Gilt das auch für das Schreiben über die Zukunft, der Science-Fiction, in der Sie sich hier bewegen?

Endres: Man kann sich die abgefahrensten Dinge vorstellen und sie folglich auch in der Zukunftsliteratur beschreiben. Wichtig ist, dass dabei nicht die Wölfe mit einem durchgehen (lacht). Ich schreibe Near-Future-Science-Fiction, also über eine unbestimmt ferne, letzten Endes eher ziemlich gegenwärtige Zukunft. Die soll vom Feeling her stets in unserem Hier und Jetzt verankert sein. Der Trick besteht sogar ein bisschen darin, auf eine Weise zu schreiben und zu beschreiben, dass die Grenze nach und nach verwischt. Dass die Lesenden bei der Lektüre der Geschichte später zwar klar wissen: die Drohnen, die Nanobots, die Kampfläufer, die Cyborg-Wölfe, das ist die Technik von Morgen, doch eigentlich werden innerhalb dieser Parameter viele Fragen, Probleme und Tendenzen aus unserer aktuellen Lebenswirklichkeit bloß weitergesponnen. Manchmal fühlt sich die erzählte Welt dadurch sogar näher und vertrauter an, als einem lieb ist.

Buchtipp: Christian Endres: "Wolfszone", 512 Seiten, gebunden, Heyne Verlag, 20 Euro; erhältlich auch in der Würzburger Thalia und Hermkes Romanboutique in der Valentin-Becker-Straße.

 
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