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Allersheim
Vom Abriss bewahrt: Die Wiederbelebung einer fränkischen Landsynagoge
Ein halb verfallenes Haus in Allersheim hat sind vor Jahren als Synagoge entpuppt. Jetzt steht es im Freilandmuseum Bad Windsheim. Am 15. Oktober ist Einweihung.
Kaum wiederzuerkennen ist die Allersheim Synagoge nach Wiederaufbau und Restaurierung im Freilandmuseum Bad Windsheim.
Foto: Gerhard Krämer | Kaum wiederzuerkennen ist die Allersheim Synagoge nach Wiederaufbau und Restaurierung im Freilandmuseum Bad Windsheim.
Gerhard Krämer
 |  aktualisiert: 21.09.2023 03:00 Uhr

Jahrzehntelang lag das kleine Häuschen in Allersheim im Dornröschenschlaf, verfiel zusehends und sollte schon abgerissen werden. Bis sich herausstellte, welches seltene Zeugnis jüdischer Kultur sich hinter den morschen Balken verbarg. Inzwischen wurde es im Freilandmuseum Bad Windsheim wieder aufgebaut. Restaurator Dieter Gottschalk interessierte sich dabei vor allem für die Farbgebung und versuchte diese möglichst originalgetreu wieder herzustellen. Dass er dazu auch Eier benutzt hat, klingt erstaunlich.

Es war eine typische Landsynagoge, die sich im Giebelstädter Ortsteil Allersheim befand. Der Rabbiner hatte dort seine Wohnung im Erdgeschoss. Im Obergeschoss befand sich der Betsaal und im Keller entdeckte man die Mikwe, das jüdische Ritualbad. Doch von außen wirkte das 1740 errichtete Haus wie ein kleines Bauernhaus. In der Tat war es 1911 an einen örtlichen Landwirt verkauft worden. Irgendwann wurde das Haus nicht mehr genutzt.

Am Türpfosten ist der Abdruck der Mesusa erhalten, einer Schriftkapsel, in der Thorazitate verwahrt wurden. Darauf weisen Restaurator Dieter Gottschalk (links) und Museumsleiter Herbert May hin.
Foto: Gerhard Krämer | Am Türpfosten ist der Abdruck der Mesusa erhalten, einer Schriftkapsel, in der Thorazitate verwahrt wurden. Darauf weisen Restaurator Dieter Gottschalk (links) und Museumsleiter Herbert May hin.

Parallel zum Wiederaufbau wurde die Geschichte der Allersheimer Juden erforscht

Die Rettung kam durch das Fränkische Freilandmuseum in Bad Windsheim. Dessen Mitarbeiter bauten in den Jahren 2014/2015 das gesamte Gebäude sorgfältig ab und brachten die Einzelteile ins Freilandmuseum, erst ins Lager, bevor im Frühjahr 2020 das Projekt Wiederaufbau startete, das nun am 15. Oktober mit der Einweihung seinen Abschluss findet. Neben dem Aufbau liefen Forschungen über die Synagoge. Über viele frühere jüdische Gemeindemitglieder konnten dabei Biographien erstellt werden.

In der ehemaligen Wohnstube des Rabbiners erläutert Restaurator Dieter Gottschalk die einzelnen Farbschichten.
Foto: Gerhard Krämer | In der ehemaligen Wohnstube des Rabbiners erläutert Restaurator Dieter Gottschalk die einzelnen Farbschichten.

"Außen war gar keine Farbigkeit", weiß Restaurator Gottschalk. Der Fachwerkbau der Synagoge war bis auf die östliche Traufseite vollflächig verputzt. Die östliche Seite war durch ein angrenzendes Gebäude verdeckt und von vorne nicht einsehbar. Wohl aus diesem Grund, so vermuten Gottschalk und Museumsdirektor Herbert May, war dort das Fachwerk nur gefacheweise verputzt. Dieser Zustand ist nun auch im Museum zu sehen.

"Es wirkt wie ein einfaches bäuerliches Gebäude", sagt Gottschalk. Dies habe wohl mit der fehlenden Finanzkraft der kleinen jüdischen Gemeinde zu tun. Darauf deutet laut May auch die qualitativ nicht überragende Bauausführung hin.

Der Rabbiner wohnte unter dem Betsaal

In der Wohnstube des Rabbiners gleich neben der Eingangstüre hat man an der Wand ein Fenster offengelassen, das Einblick in die Farbschichten gibt. Ursprünglich haben Grautöne, ein Blaugrau, dominiert. Später kamen Ockerfarben hin, bevor dann Farbwalzen zum Einsatz kamen. Türen und Fenster sind in einem dunkleren Braunrot gefasst. "Die Farbgebung ist nachgewiesen", sagt Gottschalk. Die Fensterrahmen umgibt ein hellgrauer Begleitstreifen. Nur in der Wohnung hat man zudem einen schwarzen Begleitstrich gefunden, Ritzer genannt.

Im Betsaal bleibt das Tonnengewölbe weiß. Fenster und Türen sind in Rotbraun gehalten, was aus früheren Zeiten nachweisbar ist.
Foto: Gerhard Krämer | Im Betsaal bleibt das Tonnengewölbe weiß. Fenster und Türen sind in Rotbraun gehalten, was aus früheren Zeiten nachweisbar ist.

Im Obergeschoss ist der Betsaal. Wer Bilder von blauem Tonnengewölbe und goldenen Sternen im Kopf hat, wird enttäuscht. Der kalkweiße Anstrich des Holzes entspricht in etwa der schlichten Fassung während der ersten Nutzungsphase der Synagoge.

Zwar wurden laut Gottschalk auf einigen wenigen Brettern bläuliche Fragmente von Kreisornamenten entdeckt und auf anderen "ein paar rote Flecken", doch mehr habe nicht nachgewiesen werden können, bedauert der Restaurator. "Zu wenig für eine farbige Ausgestaltung, deshalb sei die Entscheidung auf Weiß gefallen."

Im Fehlboden kamen Bretter des Thoraschreins zum Vorschein

Gefunden wurden beim Abbau der Synagoge im Fehlboden zersägte Bretter, die eindeutig einmal die Rückwand des Thoraschreins waren. Sie passen exakt in die Aussparung an der Wand im Betsaal. Den Thoraschrein hat das Museum nachgebaut und die originalen Rückwandbretter dabei mitverwendet. Sie haben einen bläulichen Schimmer. "Die blaue Farbe ist Historismus", erläutert Gottschalk, der die Farben genau untersucht hat. Herausgekommen ist, dass die Bretter ursprünglich weiß bemalt waren. Darauf finden sich gelbe Sterne. Blau sei erst die letzte Schicht gewesen.

Türen und Fenster sind hier wie unten in Rotbraun gehalten. Die Trennwand zur Frauenabteilung ist erdfarben gestaltet, was aber nicht belegt ist, dass dies die Ursprungsfarbe war, denn das Holz war nicht mehr vorhanden.

Der Herstellung der Farben widmete der Restaurator sehr viel Sorgfalt. Was dabei Kartons mit leeren Eierschalen zu tun haben? Nun, in etliche Farben diente tatsächlich Eiweiß oder Eigelb als Bindemittel für die Pigmente, erklärt der Restaurator. Dass auch andere tierische Produkte zum Einsatz kamen, zeigt das neue Badhaus im Museum oder das Jagdschlösschen. Für einen leichten Umbra-Ton seien hier frische Kuhfladen verantwortlich, so Gottschalk.

 
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