Die letzten Tage haben Mitarbeiter einer Spezialfirma damit zugebracht, die Fachwerkgiebel der ehemaligen Synagoge in Allersheim zwischen dicken Balken zu verspannen. Jetzt hebt ein Autokran die Gebäudeteile vorsichtig aus ihren Lagern und lässt sie auf ein stählernes Gestell nieder. Ein weiterer Schritt für die Versetzung des jüdischen Gebetshauses ins Fränkische Freilandmuseum nach Bad Windsheim ist damit getan.
Jahrelang war um die Zukunft der jüdischen Versammlungsstätte gestritten worden. Das Haus war heruntergekommen, galt als Schandfleck. Längst abgerissen hätten es viele der Anwohner am liebsten. Stattdessen schaltete sich der Denkmalschutz ein und untersagte die Zerstörung des Gebäudes. Die Zukunft war ungewiss, bis der Bezirk Mittelfranken Interesse zeigte, die Synagoge ins Fränkische Freilandmuseum nach Bad Windsheim zu holen.
Der Bezirk Unterfranken, der in Fladungen selbst ein Freilichtmuseum betreibt, hatte bereits abgewunken. Kein Interesse. In Bad Windsheim dachte man anders. Die Synagoge sei ein seltenes Beispiel für eine Landsynagoge, wie sie bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts existierten, sagt Restaurator Dieter Gottschalk. Als Mitarbeiter des Freilandmuseums begleitet er die Translozierung, wie Fachleute die Versetzung von Gebäuden nennen.
Als Juden in Bayern nach 1860 die Berufs- und Niederlassungsfreiheit gewährt wurde, zog es viele von ihnen in die Städte. Die Gemeinden verwaisten, die Synagogen wurden aufgegeben und schließlich verkauft. So wie jene in Allersheim. Im Jahr 1911 wechselte sie den Besitzer, wurde zum Wohnhaus.
„Als Gebäude an sich ist die Synagoge nichts Besonderes“, sagt Gottschalk er. Was ihn interessiert, sind die Spuren der einstigen Nutzung, die in dem Gebäude überdauert haben. Vor kurzem erst waren Bauforscher auf Reste einer Genisa gestoßen, einer Sammlung religiöser Schriften, die nach dem jüdischen Glauben nicht vernichtet werden durften, weil der Name Gottes in ihnen geschrieben stand. Stattdessen verstaute man die Schriftstücke im Dachboden.
Auch eine Mikwe, das jüdische Ritualbad, kam wieder zum Vorschein. Der Schacht, der bis aufs Grundwasser reicht, war vermutlich vom neuen Eigentümer zuschüttet worden und verbarg sich unter dem Lehmboden im Keller. Inzwischen hat es sich wieder mit Wasser gefüllt. Beim Abbau des Synagoge hofft Dieter Gottschalk auf weitere, bisher verdeckte Spuren zu stoßen. Etwa auf Reste der Empore, die in Synagogen den Bereich der Frauen von dem den Männern vorbehaltenen Hauptgebetsraum abgetrennt hat.
Bis zum Jahresende sollen die Außenmauern und Decken abgetragen werden. Viermal wird der Autokran dafür voraussichtlich noch anrücken müssen. Es geht darum, das Gebäude in möglichst große Teile zu zerlegen, damit die Baustruktur beim späteren Wiederaufbau so gut es geht erhalten bleibt. Im kommenden Frühjahr sollen dann auch der Keller und das Ritualbad abgebaut werden.
Der Versetzung der Synagoge war eine zähe Diskussion übers Geld vorausgegangen. Der Bezirk Mittelfranken war nicht bereit, die geschätzten Kosten von 180 000 Euro vollständig zu übernehmen; bestand darauf, dass sich unterfränkische Stellen zur Hälfte daran beteiligen. Am Ende zeigte sich der Bezirk Unterfranken bereit, 20 000 Euro zu übernehmen. 50 000 Euro stellte der Landkreis Würzburg bereit. Für die restlichen 20 000 Euro muss die Gemeinde Giebelstadt aufkommen. Zum Glück wurden Sponsoren auf das Projekt aufmerksam, sagt Bürgermeister Helmut Krämer. Ein ehemaliger Würzburger mit jüdischen Vorfahren stiftete 5000 Euro für den Erhalt der Allersheimer Synagoge. Die Sparkassenstiftung steuerte ebenfalls 5000 Euro bei.
Ein spezieller Tieflader, wie er auch zum Transport von Fertigbauteilen gebraucht wird, bringt die Bauteile in den nächsten Wochen ins Depot des Freilandmuseums. Wie lange sie dort warten müssen, bis sie wieder zusammengesetzt werden, ist ungewiss. Noch lagern dort andere Gebäude, in Einzelteile zerlegt. Drei bis vier Jahre wird es wohl dauern, bis die Allersheimer Synagoge auf dem Museumsgelände wieder aufersteht, schätzt Dieter Gottschalk. Aus dem vermeintlichen Schandfleck wird dann ein kostbares Zeugnis jüdischen Lebens im Ochsenfurter Gau geworden sein.