
Der Prozess dauerte ein Jahr, die Urteilsbegründung nur eine Stunde: Wegen der Vergewaltigung mehrerer Frauen ist ein 31-Jähriger vom Landgericht Würzburg am Dienstag zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Ob er danach weiter als zu gefährlich gilt, um in Freiheit entlassen zu werden, blieb am Dienstag offen. Eine spätere Unterbringung in Sicherungsverwahrung ist laut Gericht möglich.
Richter: Schuld nicht nur auf den Alkohol schieben
Man habe "nicht über ein Monster, nicht über einen Kickboxer geurteilt, sondern über einen Menschen – der schwere Schuld auf sich geladen hat", machte der Vorsitzende Thomas Schuster dem bedrückt wirkenden Angeklagten deutlich: "Sie machen es sich zu einfach, wenn Sie die Schuld nur auf den Alkohol schieben!" Der 31-Jährige stehe Frauen völlig gefühllos gegenüber und "sieht sie nur als entmenschte Sexualobjekte", betonte Schuster in der Urteilsbegründung.
Die ersten Worte des Richters aber galten den Opfern: Einfühlsam beschrieb Schuster das Leid der fünf jungen Frauen („intelligent, gebildet, selbstbewusst, darunter Akademikerinnen“). Nach ersten einvernehmlichen Zärtlichkeiten hatte der frühere Kickboxer sie gewaltsam zu Sexpraktiken gezwungen - und zwei von ihnen dabei sogar in Lebensgefahr gebracht.
Dennoch gingen einige nach den Übergriffen zunächst nicht zur Polizei. Aus Scham und Angst, intime Details berichten ztu müssen. Weil sie befürchteten, man werde ihnen nicht glauben. Oder auch aus Furcht, dann öffentlich am Pranger zu stehen. Aber der im vorigen Sommer begonnene Prozess muss den richtigen Ton getroffen haben. Die juristische Aufarbeitung gab einigen bisher unbekannten Opfern den Mut, sich zu offenbaren.
Heftige Spätfolgen der Vergewaltigungen
Der Vorsitzende betonte am Dienstag, wie sehr einige der Opfer drei Jahre später noch an den Spätfolgen der sexuellen Gewalt leiden. Eine Frau kann nachts nur halbstundenweise schlafen und körperlicher Nähe, auch ihrem heutigen Partner gegenüber, kaum ertragen. Eine Frau musste ihren Job kündigen. Eine kann aus Angst kaum ihre Wohnung verlassen.
Nur eine der Nebenklägerinnen war in der Lage, am letzten Prozesstag selbst dabei zu sein. Tief verhüllt, auf eine Begleitung gestützt, ließ sie den Angeklagten kaum aus den Augen – und eilte nach der Urteilsbegründung schnell aus dem Saal.
Pauschales Geständnis - und viele Erinnerungslücken
Stumm verfolgten auch die Eltern des Angeklagten das Urteil. Sie hatten langen nicht geglaubt, dass die Vorwürfe gegen den 31-Jährigen stimmen würden – obwohl er bei Neubeginn des Verfahrens im Februar ein pauschales Geständnis abgelegt hatte. Damit aber hatte das Gericht nur begrenzt etwas anfangen können. Umfangreich mussten Zeugen gehört werden, um den Tatvorwurf zu untermauern. Einem Gutachter gegenüber hatte der Angeklagte offenbar gesagt, bei der großen Zahl von bis zu 400 Sexualkontakten ohne nähere Bindung könne er sich an Einzelheiten oft nicht mehr erinnern. "Das ist nachvollziehbar, aber bezeichnend", sagte Richter Thomas Schuster.
Das Gericht sah es auch als erwiesen an, dass der 31-Jährige einen schweren sexuellen Missbrauch gegen eine widerstandsunfähige Person filmte. Dafür und unter anderem wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie mehrerer Vergewaltigungen zwischen 2016 und 2018 wurde der Angeklagte verurteilt. Einer der Nebenklägerinnen muss der Mann 20 000 Euro Schadenersatz zahlen.
Anordnung der Sicherheitsverwahrung nachträglich möglich
Das Urteil lag nahe an der Forderung von Oberstaatsanwalt Tobias Knahn. Das Gericht behielt sich vor, die Sicherheitsverwahrung noch nachträglich für den Angeklagten anzuordnen. Verteidiger Martin Reitmaier, der auf sieben Jahre und sechs Monate ohne Sicherungsverwahrung plädiert hatte, sagte nach dem Urteil: "Ich sehe die Gefahr für eine Sicherungsverwahrung so nicht. Das verkennt, dass sich die Sichtweise meines Mandanten in den drei Jahren der Haft stark geändert hat." Ob man das Urteil dennoch akzeptiere, müsse er erst mit dem Verurteilten besprechen, so der Anwalt.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.