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Würzburg
Vergewaltigungsprozess gestoppt: Mehr Frauen belasten Kickboxer
Ein Serientäter? Aussagen von mindestens acht weiteren Frauen nähren den Verdacht. Das Landgericht Würzburg setzte deshalb am Montag den Prozess gegen einen Kickboxer aus.
Der Vergewaltigungsprozess gegen einen ehemaligen Lehramtsstudenten (links) ist gestoppt. Erst im Frühjahr 2021 soll er neu starten.
Foto: Thomas Obermeier | Der Vergewaltigungsprozess gegen einen ehemaligen Lehramtsstudenten (links) ist gestoppt. Erst im Frühjahr 2021 soll er neu starten.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 18.02.2024 08:55 Uhr

Überraschende Wende nach vier Wochen Prozess gegen einen Würzburger Kickboxer: Noch ehe am Montagmorgen der nächste Zeuge aufgerufen wird, ergreift Oberstaatsanwalt Jürgen Bundschuh das Wort. Er beantragt, den laufenden Prozess am Landgericht Würzburg zu stoppen, in dem es um mutmaßlich erzwungenen Sex in drei Fällen und heimlich mitgefilmtem in zwölf Fällen geht.

Oberstaatsanwalt: "Der richtige Zeitpunkt, um über eine Aussetzung zu entscheiden"

Dem Anklagevertreter sind nach einem halben Dutzend Verhandlungstagen nicht die Beweise ausgegangen - im Gegenteil: Neue Fakten nähren vielmehr den Verdacht, dass der angeklagte frühere Lehramtsstudent noch weit mehr Frauen Leid angetan hat, als den drei Opfern, die die Anklage nennt. Immer mehr Indizien deuten offenbar auf eine regelrechte Serie von Vergewaltigungen hin. Jetzt sei "der richtige Zeitpunkt, um über eine Aussetzung des Verfahrens zu entscheiden", so  Oberstaatsanwalt Bundschuh.

Zu Prozessbeginn hatte der Angeklagte selbst noch angegeben, mit 200 Frauen unverbindlichen Sex gehabt zu haben - immer einvernehmlich. Drei Frauen haben vor Gericht indes das Gegenteil ausgesagt: Er habe seine sexuellen Wünsche im Notfall mit Gewalt durchgesetzt, geschlagen, gewürgt, zu Praktiken gezwungen, die von den Frauen erkennbar abgelehnt wurden.

Knapp mit dem Leben davongekommen

Im Sommer 2018 war eine Frau im Würzburger Ringpark offenbar nur knapp mit dem Leben davongekommen, nachdem mutige Passantinnen ihr nachts ohne Rücksicht auf die eigene Gefahr zu Hilfe geeilt waren. Das Gericht um den Vorsitzenden Hans Brückner  überlegte da bereits, die Anklage in versuchten Mord zu ändern.

Nun werden neue Verdachtsfälle bekannt. Oberstaatsanwalt Bundschuh bestätigte vor Gericht, dass seine Kollegen in Schweinfurt Aussagen einer Frau haben, die zu einer weiteren Anklage gegen den 30-Jährigen wegen erzwungenem Sex führten.

Für einen weiteren Prozess in Würzburg hatte der Kickboxer drei Entlastungszeugen benannt, darunter eine Frau. Doch statt ihm mit ihrer Aussage zu helfen, belastete sie Ilker A. schwer, so der Oberstaatsanwalt: Die Zeugin habe von erzwungenem, brutalem Oralverkehr gesprochen. "Ein klassisches Eigentor", meinte der Vorsitzende Hans Brückner.

Weitere sechs Opfer meldeten sich bei den Ermittlern und sagten aus

Damit nicht genug: Die öffentliche Fahndung der Würzburger Polizei nach einem weiteren Opfer, dessen Namen sie nicht kannte, brachte ein überraschendes Ergebnis. Nicht nur die gesuchte Frau meldete sich. Polizei und Staatsanwaltschaft Würzburg bestätigten auf Anfrage diese Redaktion in der vergangenen Woche, dass sich "mehrere" weitere Frauen jetzt an die Ermittler wandten und in Vernehmungen von Gewalterfahrungen mit dem Angeklagten beim Sex berichteten.

Laut Oberstaatsanwalt am Montagmorgen liegen von sechs Frauen Aussagen vor, die glaubhaft wirkten. Den Vernehmungen zufolge berichteten sie von erzwungenem Analverkehr, von Würgen bis zur Bewusstlosigkeit - möglicherweise unter Einsatz von k.o.-Tropfen. Einer Partnerin soll der Angeklagte Vergewaltigungsphantasien gestanden haben.

Nach Informationen der Redaktion gibt es mindestens zwei weitere Betroffene aus dem Raum Würzburg. Sie suchten Kontakt zu Anwälten, konnten aber bisher nicht den Mut finden, zur Polizei zu gehen. 

Zum Opferschutz - ein Prozess für alle Fälle 

Bundschuh will den Frauen nicht zumuten, im jetzigen Verfahren bereits in den Zeugenstand zu müssen - und dann vielleicht noch einmal in einem Prozess, in dem es im ihren eigenen Fall geht.  "Wir sollten jetzt möglichst schnell die Reißleine ziehen", empfahl Bundschuh dem Gericht. Dann könne man zum Schutz der Opfer die Ermittlungen zusammenführen "und im Frühjahr neu starten."

Das Gericht folgte diesem Beschluss nach kurzer Beratung und stoppte den Prozess.  

 
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