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Würzburg
Vergewaltigungsprozess in Würzburg: Angeklagtem Kickboxer droht lange Haftstrafe
Die Suche nach der Wahrheit vor Gericht dauerte ein volles Jahr und fand meist nichtöffentlich statt. Offene Frage: Sicherheitsverwahrung? An diesem Dienstag fällt das Urteil.
Im Vergewaltigungsprozess gegen einen früheren Kickboxer soll jetzt das Urteil fallen.
Foto: Thomas Obermeier | Im Vergewaltigungsprozess gegen einen früheren Kickboxer soll jetzt das Urteil fallen.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:10 Uhr

Die Suche nach der Wahrheit war mühsam und zeitraubend: Ein Jahr nach dem Verhandlungsauftakt soll an diesem Dienstag im Prozess gegen einen 31-jährigen ehemaligen Lehramtsstudenten und Kickboxer in Würzburg das Urteil fallen. Drei Jahre nach der  mutmaßlichen letzten Vergewaltigung im Würzburger Ringpark, wegen der er unter anderem vor Gericht steht und die er inzwischen gestanden hat.

Dem mutmaßlichen Serientäter droht für erzwungenen und gewaltsamen Sex mit verschiedenen Frauen eine lange Haftstrafe. Möglicherweise kommt er sogar nach Verbüßen der Haftstrafe nicht frei: Wenn das Gericht dem Antrag von Staatsanwalt Tobias Knahn folgt und den Angeklagten für so gefährlich hält, dass Sicherungsverwahrung verhängt wird. 

Verhandlung meist hinter verschlossenen Türen

Nach dem spektakulären Beginn des Prozesses im vorigen Sommer war das Verfahren immer mehr aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Wegen der hohen Zahl an Prozessbeteiligten - darunter ein halbes Dutzend Nebenklägerinnen - wurde unter Corona-Bedingungen nicht im Sitzungssaal im  Strafjustizzentrum in der Stadt verhandelt, sondern in der Festscheune des Wöllrieder Hofs bei Rottendorf im Landkreis Würzburg. Und die Beweisaufnahme fand außerdem meist hinter verschlossenen Türen statt, um die teilweise noch von den Erlebnissen mitgenommenen Opfer bei der Erörterung intimer Details zu schonen. 

Vier Wochen nahmen seit 21. Mai allein die Plädoyers des Anklägers, der Anwälte der Opfer sowie der Verteidigung um Martin Reitmaier in Anspruch, berichtet der Sprecher des Landgerichts, Michael Schaller. Staatsanwalt Knahn beantragte neun Jahre Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung. Vertreter der Nebenklage schlossen sich dem an. Verteidiger Reitmaier hält siebeneinhalb Jahre ohne Sicherungsverwahrung für angemessen.

Nach Prozessbeginn meldeten sich weitere Opfer 

Mehrere Frauen soll der 31-Jährige zwischen 2015 und 2018 nach zunächst einvernehmlichen Intimitäten unvermittelt zu Sexpraktiken gezwungen haben, die sie nicht wollten. Eine Frau, die der ehemalige Student laut Anklage auf dem Heimweg von einer Kneipentour im Sommer 2018 nachts im Ringpark zum Sex zwang, kam nur knapp mit dem Leben davon: Weil mutige Passantinnen ihr zu Hilfe kamen. Nach der Festnahme des 31-Jährigen fanden Ermittler Belege dafür, dass er beim Sex mit etwa einem Dutzend verschiedener Partnerinnen ohne deren Wissen mit einer Kamera alles aufzeichnete.

Nur ein Teil der Vorgänge war zu Prozessbeginn im Juni 2020 bekannt. Dann fassten weitere Frauen den Mut, ähnliche Erlebnisse und Fälle bei der Polizei anzuzeigen. Der Prozess musste deshalb unterbrochen, die Anklage erweitert und ergänzt werden. Beim Neustart der Verhandlungen im Februar 2021 legte der 31-jährige Hobby-Kickboxer ein Geständnis ab, nachdem sich sein Verteidiger mit Staatsanwalt und Gericht auf einen Strafrahmen verständigt hatten. Das Verfahren sollte dadurch abgekürzt werden - auch um die Opfer zu schonen und ihnen quälende Aussagen als Zeuginnen vor Gericht zu ersparen. 

Am Ende Einsicht und Reue gezeigt

So ungewöhnlich wie der Prozessbeginn war auch der letzte Verhandlungstag des Prozesses gegen den Kickboxer. Sein Geständnis hatte noch sein Verteidiger für ihn vorgetragen. Doch sein Recht auf das letzte Wort vor dem Urteil nutzte der Angeklagte nach Informationen der Redaktion offenbar – im Gegensatz zu den meisten Angeklagten. Er soll eine über 30-minütige persönliche Erklärung abgegeben haben, die offenkundig nicht mit seinen Anwälten abgesprochen war.

Hatte der 31-Jährige bei Verhandlungsbeginn noch mit seinen vielen Frauenbekanntschaften geprotzt, zeigte er am Ende Prozessbeteiligten und -beobachtern zufolge Reue und Einsicht. Die Haft habe ihn verändert. Wie mehrere Quellen bestätigen, bekannte er sich zu seiner Schuld und dankte den Richtern für einen fairen Prozess. Er bedauere, was er den Frauen angetan habe. Und er entschuldigte sich vor allem bei seinem letzten Opfer. 

 
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