Auch bei diesem Verfahren scheint das Corona-Ausweich-Quartier der Würzburger Justiz unter einem guten Stern zu stehen: Zwar wurde vor der Festhalle des Wöllrieder Hofs bei Rottendorf am Dienstag dafür der rote Teppich nicht mehr ausgerollt. Doch die Aussicht auf kurzen Prozess scheint gut.
Bei der Premiere des Ersatz-Verhandlungssaales im Herbst 2020 war der rote Teppich am Eingang der Festhalle noch eine Attraktion gewesen. Fünf Mitglieder eines Familienclans schritten zur Freude der Fotografen damals über die Auslegware – zu einem Ruck-zuck-Urteil wegen Betruges. Am Dienstag, bei neu angesetzten Vergewaltigungsprozess, gab es keinen Teppich. Der angeklagte Kickboxer verbarg schamhaft sein Gesicht hinter einem Aktendeckel. Doch offenbar kann die Justiz nun kurzen Prozess machen, statt sich und ein Dutzend Frauen im Zeugenstand wie bei den ersten Verhandlungstagen im Sommer mit unappetitlichen Schilderungen zu quälen.
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Thomas Schuster, der neue Vorsitzende der für Mord und andere schwerwiegende Verbrechen zuständigen Kammer, zog am Morgen einen überraschenden Joker aus dem Ärmel: Plötzlich hatte sich, durch Initiative des Verteidigers Martin Reitmaier, eine Alternative aufgetan. Der Anwalt formulierte eine Lösung, die allen Beteiligten entgegen käme: volles Geständnis des Angeklagten gegen die Gewissheit, mit einer milderen Strafe rechnen zu können.
Ankläger Tobias Knahn hatte eine harte Linie angekündigt – zum Preis quälender Auftritte von mehr als einem Dutzend Zeuginnen. Ohne Geständnis des Angeklagten drohte eine Haftstrafe "im deutlich zweistelligen Bereich". Der Strafrahmen, den das Gesetz vorschreibt, liegt zwischen zwei und 15 Jahren.
Vorwürfe reichen bis hin zur Vergewaltigung
Mit rund 200 Frauen will der Angeklagte im Bett gewesen sein, stets im gegenseitigen Einverständnis, hatte der ehemalige Lehramtsstudent und Kickboxer beteuert. Die aktualisierte Anklageschrift gegen den 31-jährigen zeichnet indes das Bild eines Serien-Sextäters, der bei der Befriedigung seiner Gelüste keine Rücksicht nahm. Die Vorwürfe reichen von heimlich gefilmtem unverbindlichen Sex über Schläge, Würgen bis zur Bewusstlosigkeit und erzwungenen Analverkehr bis zu der mutmaßlichen Vergewaltigung eines Opfers im Würzburger Ringpark im Sommer 2018.
Der Angeklagte war damals in Tatortnähe festgenommen, seine Bekannte kam nur knapp mit dem Leben davongekommen. Dank mutiger Passantinnen, die der wehrlosen Frau nachts im Park (ohne Rücksicht auf die eigene Gefahr) zu Hilfe geeilt waren. Das Gericht hatte während des Verfahrens im vergangenen Sommer deshalb bereits überlegt, die Anklage in versuchten Mord zu ändern.
Weitere Zeuginnen: Zweiter Anlauf im Verfahren nötig
Die Schilderungen hatten dazu geführt, dass weitere Frauen ihr Schweigen brachen und den 31-Jährigen weiterer Straftaten beschuldigten. Das Verfahren musste abgebrochen werden und jetzt von vorne beginnen.
Beim Neustart am Dienstag betonte der Vorsitzende, dass eine Verständigung im Vorfeld gerade bei Sexualstraftaten "den Opfern die traumatische Erfahrung erspart, ihre Erlebnisse im Zeugenstand noch einmal schildern zu müssen". Allerdings, so Richter Thomas Schuster, seien „die langfristigen Folgen für die Opfer für uns nicht nach Aktenlage erkennbar“. Dies müsse das Gericht prüfen.
Verteidigung enttäuscht über das Strafrahmen-Angebot
Der Verteidiger hatte auf einen Strafrahmen von sechs bis acht Jahren Gefängnis für seinen Mandanten gehofft. „Das ist der Staatsanwaltschaft zu niedrig“, machte der Vorsitzende deutlich. Er stellte dem Angeklagten für ein volles Geständnis eine Haftstrafe von siebeneinhalb bis zehn Jahren in Aussicht.
Der 31-Jährige wirkte enttäuscht. Doch der Vorsitzende erinnerte ihn daran, ihm drohe, nach dem Verbüßen einer Haftstrafe zur Sicherungsverwahrung noch länger im Gefängnis bleiben zu müssen. Dies sei bei einem Geständnis unwahrscheinlicher.
Angeklagter gesteht "in vollem Umfang"
Nach langer Beratung endete der erste Prozesstag am Mittag dann mit einer Erklärung durch den Verteidiger: "Mein Mandant räumt alle von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Anklagepunkte in vollem Umfang ein." Er stehe auch für Nachfragen zur Verfügung.
Am Donnerstag soll das am ärgsten missbrauchte Opfer im Zeugenstand zu Wort kommen. Die Frau soll dann schildern, welche Folgen die Begegnung mit dem Angeklagten für ihr Leben hatte und heute noch hat. Nach ihrer Aussage dürfte ein schnelles Ende des Prozesses in Sichtweite sein.
Haben Sie studiert? Welche Professur haben Sie?
Und solche Dinger wie Sicherheitsverfahrung sind auch nicht ohne. Da wird man schnell "Nett". Aber noch mal: Ein entsprechendes dreiköpfiges Richter-Team bringt schon den einen oder anderen Kriminellen zum Straucheln.
bin ja mal gespannt, was in diesem punkt in köln mit dem kardinal weiterpassiert.
bekanntlich hakt ja eine krähe der anderen kein auge aus!
Das liest man so oft; ich bin kein Jurist aber ich frage mich schon weshalb man sich bei einem Geständnis manchmal einige Jahre hinter Gittern ersparen kann?
Vieles oder manchmal alles kann eh bewiesen werden (je nach Prozess und Sache werden das die Beteiligten und der Angeklagte einschätzen können).
Ein Angeklagter wäre doch doof wenn er die wenigen Minuten/Stunden die es für ein Geständnis benötigt nicht nutzen würde wenn er sich im Anschluss Jahre im Knast spart?
Fördert man dadurch nicht auch manchmal falsche Geständnisse oder zumindest falsche Reue? (aufgrund der gezeigten Reue fällt das Strafmaß auch oft niedriger aus, wie oft die Reue aus Berechnung zustande kommt wird selten erörtert)
Wie gesagt finde ich ihre Antwort gut, so ganz überzeugen kann sie mich nicht. Leider wüsste ich aber auch nicht wie man es besser machen könnte - z.B. kann ein Geständnis doch immer aus Berechnung erfolgen, Geständnis ist letztlich Geständnis. Da fällt es mir wirklich sehr schwer zu verstehen warum so etwas honoriert wird.
Insbesondere bei Prozessen, wo sich die StA stark auf Zeugenaussagen stützen muss, ist die Beweisführung übrigens häufig sehr schwierig und nicht so einfach, wie ihr Kommentar suggeriert.