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Würzburg
Urteil im Kirchenasyl-Prozess: Gericht verwarnt Würzburger Ordensfrau
Der Prozess wurde mit Spannung erwartet: Aus Nächstenliebe gewährte Juliana Seelmann Kirchenasyl, dennoch erhob die Staatsanwaltschaft Anklage. Jetzt gibt es ein Urteil.
Schwester Juliana Seelmann in der Klosterkirche St. Michael: Die Ordensfrau aus dem Kloster Oberzell (Lkr. Würzburg) gewährte zwei Frauen Kirchenasyl. Am Mittwoch wurde sie vom Amtsgericht Würzburg wegen 'Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt' verwarnt. 
Foto: Daniel Karmann, dpa | Schwester Juliana Seelmann in der Klosterkirche St. Michael: Die Ordensfrau aus dem Kloster Oberzell (Lkr. Würzburg) gewährte zwei Frauen Kirchenasyl.
Moritz Baumann
Moritz Baumann
 |  aktualisiert: 08.02.2024 15:26 Uhr

Die Würzburger Ordensfrau Juliana Seelmann gewährte 2018 und 2019 zwei jungen Frauen aus Nigeria Kirchenasyl und verhinderte damit deren Abschiebung. Am Mittwoch wurde sie vom Amtsgericht Würzburg wegen "Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt" verwarnt. 

Das Urteil lässt sich unterschiedlich interpretieren: Einerseits ist es eine denkbar geringe Strafe, andererseits hat Richter Rene Uehlin eindeutig die Schuld der Ordensfrau bestätigt. "Ich konnte nicht anders", beteuerte dagegen die 38-Jährige, die nach dem Prozess zwischen Erleichterung und Nachdenklichkeit schwankte.

Sie muss, so die Auflage des Gerichts, 500 Euro zahlen und darf sich zwei Jahre lang nichts zu Schulden kommen lassen – beispielsweise kein weiteres Kirchenasyl gewähren, sonst könnten weitere 600 Euro Geldstrafe anfallen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Bislang hat weder Schwester Juliana noch die Staatsanwaltschaft entschieden, ob sie Berufung oder Revision einlegen.

Die Staatsanwaltschaft argumentierte, mit dem Kirchenasyl werde ein Sonderrecht proklamiert – mit dem Ziel, die Asylregelungen zu unterlaufen. Dies sei gesetzlich nicht vorgesehen, das Handeln der Ordensfrau somit rechtswidrig. Der Staatsanwalt beantragte eine Geldstrafe in Höhe von 800 Euro.

Schwester Juliana Seelmann musste sich am Mittwoch vor dem Landgericht Würzburg verantworten, weil sie zwei Frauen aus Nigeria Kirchenasyl gewährt.
Foto: Thomas Obermeier | Schwester Juliana Seelmann musste sich am Mittwoch vor dem Landgericht Würzburg verantworten, weil sie zwei Frauen aus Nigeria Kirchenasyl gewährt.

Der Prozess gegen die Ordensschwester, die seit rund zehn Jahren den Oberzeller Franziskanerinnen (Lkr. Würzburg) angehört, war mit Spannung erwartet worden. Längst ist aus Justizkreisen zu hören, dass es beim Kirchenasyl eine Grundsatzentscheidung braucht. In der Verhandlung pochte Schwester Juliana darauf, dass sie stets ihrem Gewissen gefolgt sei. Das Kirchenasyl sei immer nur das letzte Mittel, um schwere Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. "Das sind nie schnelle oder überstürzte Entscheidungen", sagte die 38-Jährige.

"Es geht mir nicht um eine Grundsatzkritik – weder am Staat noch am Rechtssystem", erklärte die Ordensfrau bereits vor dem Prozess gegenüber dieser Redaktion. "Es sind einzelne Härtefälle, in denen ich nach meinem Gewissen und Glauben entscheide." Bundesweit zählte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) im vergangenen Jahr etwa 500 Flüchtlinge im Kirchenasyl. Das Kloster Oberzell betreute seit 2014 insgesamt 15 Kirchenasyle.

Ordensschwester: Der Glaube lasse ihr keine Wahl

Die beiden Nigerianerinnen, die in Oberzell Zuflucht fanden, sind über Italien in die Europäische Union eingereist, wo sie immer wieder Zwangsprostitution und Gewalt erlebt hätten – so zumindest schilderte es Schwester Juliana im Prozess. Das Bamf wollte sie dennoch abschieben – mit der Begründung, dass laut den europäischen Dublin-Regeln Italien für die Bearbeitung der Asylanträge zuständig sei. Ein Härtefall liege nicht vor, so das Bamf. Schwester Juliana sah das anders.

Beide Frauen seien schwer traumatisiert gewesen und hätten panische Angst vor der Abschiebung nach Italien gehabt. Sie fürchteten, dort von den Schleppern aufgegriffen zu werden. In dieser Not lasse ihr der Glaube keine Wahl. Da müsse sie die Klosterpforte öffnen. Richter Uehlin verurteilte sie dennoch.

Richter: Kein Urteil im Namen Gottes, sondern im Namen des Volkes

"Ich spreche kein Urteil im Namen Gottes, sondern im Namen des Volkes", sagte er zur Begründung. Zwar sehe er den Gewissenskonflikt, doch aus juristischer Perspektive handele es sich um einen "offenen Rechtsbruch". Es gehe nicht in erster Linie um eine "moralische Frage".

Die Glaubens- und Gewissensfreiheit könne nicht zur Straffreiheit führen, da das ebenfalls in der Verfassung verankerte Rechtsstaatsprinzip überwiege. Es liege im gesellschaftlichen Interesse, dass Rechtsbrüche geahndet werden. Im Ergebnis sei das Handeln der Ordensfrau nicht mit Verweis auf ihre individuellen Grundrechte zu entschuldigen.

In einem der beiden Fälle tauchten überraschend Fragen auf

Über zwei Stunden erörterte der Richter, wie die beiden angeklagten Kirchenasyle genau abgelaufen sind. Dann jedoch tauchten in einem der beiden Fälle überraschend Fragen auf, die im Gerichtssaal nicht beantwortet werden konnten. Der Richter deutete an, die Verhandlung vertagen zu müssen.

Schließlich einigten sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung darauf, eines der beiden Kirchenasyle aus der Anklage auszuklammern – juristisch formuliert: vorläufig einzustellen. So konnte am Ende doch ein Urteil fallen.

Die Justiz ermittelt in ganz Bayern gegen Pfarrer und Ordensangehörige. Lange war es gängige Praxis, die Verfahren einzustellen. Doch neuerdings landen vermehrt Geistliche vor Gericht. Erst vor vier Wochen sprach das Amtsgericht Kitzingen den Benediktinermönch Abraham Sauer frei. Es war, soweit bekannt, bundesweit der erste Kirchenasyl-Prozess, der mit einem Urteil endete. 

Den Freispruch begründete die Kitzinger Richterin mit der Glaubens- und Gewissensfreiheit. Sauer habe zwar gegen das Strafgesetz verstoßen, könne sich jedoch auf seine Grundrechte berufen, aus denen die Richterin einen Entschuldigungsgrund herleitete. Sie orientierte sich dabei an einer Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1971. Die Staatsanwaltschaft legte Rechtsmittel ein.

Erst 2018 entschied das Oberlandesgericht München, dass es sich beim Kirchenasyl nicht um ein "anerkanntes Rechtsinstitut" handelt. Kritiker wenden ein, die Kirche würde damit die gesetzlichen Asylregelungen aushöhlen. "Kein Gesetz ist perfekt. Es gibt Fälle, da ist das Kirchenasyl der letzte Notanker, um Menschen in Not zu helfen", erwidert Bettina Nickel, Juristin beim Katholischen Büro Bayern.

 
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  • lbs
    Es ist schon erstaunlich, wie viele Kommentatoren hier sich negativ zu der Genehmigung eines Aufenthaltes nach dem Kirchenrecht durch die Ordensschwester Juliane Seelmann äußern. Für jeden der hier geschrieben hat kann man sich nur schämen. Wahrscheinlich haben sie den Text gar nicht richtig gelesen, was die beiden durchgemacht haben. Ich wünschte diesen Kommentatoren so etwas einmal selbst durchzumachen. Ich bezeichne solche Schreiberei als Hass gegen Ausländer. Dürfen dann Frauen auch nicht mehr in ein Frauenhaus gehen um Schutz zu bekkommen? Auch einen Richter kann ich nicht verstehen, auch wenn es vielleicht im Gesetzbuch nach korrekt wäre, eine Ordensfrau für ihre Hilfe der Menschlichkeit zu bestrafen. Ein Richter kann immer selbst entscheiden, was er für richtig hält. Dies scheint bei diesem Richter keine Wirkung gezeigt zu haben. Man muss wirklich Angst haben, dass Deutschland zu viele Bürger bekommt, für die Hass eine ganz wichtige Form des Kommentieren ist.
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  • johannes-fasel@t-online.de
    @ lbs: Ich befürchte, sie haben da einiges ganz gründlich falsch verstanden.
    Hass gegen Ausländer lasse ich mir jedenfalls nicht unterstellen: Ich bin selber Ausländer (fast überall auf der Welt).
    Es existiert auch keine „Genehmigung eines Aufenthaltes nach dem Kirchenrecht“.
    Und natürlich sollen Frauen, Männer, Kinder jeden Schutz bekommen, den unsere rechtsstaatliche Ordnung zulässt.
    Und natürlich wurde die Ordensfrau nicht für ihre Menschlichkeit und ihre Barmherzigkeit bestraft, sondern für ihren offenen Rechtsbruch. Und zwar bei viel richterlichem Verständnis und Milde mit einer eher symbolischen und sehr niedrigen Geldstrafe auf Bewährung.

    Und zum unguten Schluss beklagen Sie den „Hass“ und wünschen sich gleichzeitig gehässiger Weise: „Ich wünschte diesen Kommentatoren so etwas (Zwangsprostitution und menschliches Elend) einmal selbst durchzumachen.“ – Wie war das noch mal mit dem Splitter und dem Balken?
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  • lbs
    Nun es kommt darauf an wo Sie herkommen. Ich glaube kaum, dass sie aus einem solchen Land kommen und jemals die Verhältnisse kennen gelernt haben. Wenn ich durch alle Länder reise, bin ich natürlich auch jederzeit ein Ausländer. Machen Sie es wie ich und Anderw. Spenden Sie an die Einrichtung der Verurteilten.
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  • Oldtimer51
    Keine Sonderrechte für Kirchen, Auch bei Steuern
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  • LotharS
    Auch die Kirche muss sich an geltendes Recht halten! Ob das der Kirche passt oder nicht.
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  • johannes-fasel@t-online.de
    Bischof Jung befürwortet das gewährte Kirchenasyl.
    Ansonsten hält er sich sehr zurück. Von einem Asyl im bischöflichen Palais ist nichts zu hören. Platz gäbe es dort wohl genug. Es werden mehr oder weniger mittellose Ordensleute nach vorne geschickt. Würde der Bischof die erste Verantwortung übernehmen, dann würden auch die Tagessätze für den Rechtsbruch deutlich höher ausfallen. - Aber: 'Da sei Gott vor'.
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  • rolandroesch@web.de
    Wo kommst das Rechtssystem hin wenn jeder glaubt nach seinem eigenen gewissen und glaube handelt zu dürfen und ich anmaßt das Gesetz außer Kraft setzt?
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  • Arcus
    Die Prdensfrau hat wenigstens Rückgrat. Werde jetzt aus Achtung vor der Geradlinigkeit eine Spende an das Kloster machen.
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  • RGPBR@aol.com
    Kirchenasyl abschaffen ist nicht mehr Zeitgemäß. Wer braucht einen Staat im Staat?
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  • johannes-fasel@t-online.de
    Dublette.
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  • info@baumann-hsb.de
    @petersesbub: Finden Sie das Urteil nicht gerecht? Dann hat also die Gerechtigkeit auch hier Zutritt! Wenn Sie hier aber von "Hochachtung" sprechen, dann kann das auch nicht akzeptiert werden. Schließlich wurde kein Freispruch vom Richter verkündet, es wurde vielmehr als ein offener Rechtsbruch dargestellt, da das in der Verfassung verankerte Rechtsstaatsprinzip überwiegt. Und einem Rechtsbruch muss man keine Hochachtung zollen.
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  • ammi187@gmail.com
    Wenn die Regierung (BAMF) versagt zeigt die Kirche ein Herz und Einsehen, dies nennt man Empathie.
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  • steffen.cyran@freenet.de
    Man sieht immer wieder, daß Deutschland die Säkularisation weitgehend verschlafen hat.

    Wie kann es sein, daß es immer noch ein eigenes "Kirchenrecht" gibt?
    Warum verfügt die Kirche noch immer über unermeßlichen Reichtum?
    Warum werden Kirchenbauten größtenteils vom Staat sanert?
    Warum werden Bischöfe vom Staat bezahlt?
    Warum wird nirgends auf der Welt außer bei uns die Kirchensteuer vom Staat eingetrieben?

    Und in dieses "Gesamtsystem" paßt hervorragend, daß Kirchenleute ganz bewußt gegen geltendes Recht verstoßen und quasi ungeschoren davonkommen.
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  • Der "Barmherzige Samariter" hat nicht Allen geholfen, sondern Einem. Und er hat zugesagt, für sämtliche Kosten seiner Barmherzigkeit aufzukommen. Bei allem Respekt vor dieser ausführlich beratenen Ordensfrau bleibt die Frage, wer für die Folgen ihres Handelns eintritt. Die Kirche? Viele ihrer Einrichtungen rechnen die Unterbringung von Asylbewerbern über Beherbergungsverträge mit den Sozialbehörden ab. Steuergeld. Man erfährt auch nicht, wie es mit den Betroffenen weiterging. Kirchenasyl ist in unserer Rechtsordnung nicht vorgesehen. Es wird zunehmend für sogenannte "Dublin-Fälle" missbraucht: Durch Terminverzögerung soll die Abschiebung von Asylbewerbern in ihr europäisches Erstaufnahmeland verhindert werden. Die Einzelschicksale sind oft erschütternd und die Lebensbedingungen in einigen dieser Länder miserabel. Geholfen werden kann hier aber nur durch politische und materielle Hilfe vor Ort - nicht durch kirchliche Sabotage staatlicher Vereinbarungen bei uns.
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  • klafie
    im prinzip hat die schwester nur aus humanitären gründen gehandelt, wir sollten doch alle froh sein, dass wir ein dach über dem kopf haben und es uns in dl relativ gut geht. sicher, laut staatsgesetz hatte sie nicht richtig gehandelt, was aber kopf und herz entscheidet ist doch wohl sinn eines kirchenasylrechts. im 3. reich wurden auch viele juden unter kirchenasyl gestellt.
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  • Franken48
    Die Strafe musste sein. Auch die Kirche muss sich an Gesetze halten.
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  • johannes-fasel@t-online.de
    Es ist schon recht speziell, wenn die Kleriker und Ordensleute ihre moralische Überlegenheit wie eine Monstranz vor sich hertragen. Aber den Löwenanteil der langfristigen Folgekosten einem Staatswesen übertragen, dessen Regeln sie missachten. Und das Kirchenvermögen bleibt im Wesentlichen unangetastet.
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  • Logi
    Ein Spendenkonto für die Strafe ist schon eingerichtet.....Kirchensteuer. Dafür erhalten auch die Missbrauchopfer ihr Geld.
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  • engert.andreas@gmx.de
    ???
    Was jetzt - Spendenkonto - oder Kirchensteuer?
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  • peterlesbub
    Tja, die Gerechtigkeit wohnt halt in einer Etage, in der die Justiz keinen Zutritt hat. Universell. Der wackeren Schwester und dem Orden meine Hochachtung.
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