Am Ende wirkte es wie die berühmte Luther-Szene auf dem Wormser Reichstag im Jahr 1521: "Hier stehe ich. Ich kann nicht anders." Umgemünzt auf Bruder Abraham würde der Spruch lauten: Ich stehe dazu, einem Flüchtling Kirchenasyl gewährt zu haben. Ich konnte nicht anders. Mehr noch: Auf die Frage des Gerichts, ob denn die mögliche Höchststrafe von neun Monaten nicht abschreckend sei, betonte der Benediktiner aus dem Kloster Münsterschwarzach (Lkr. Kitzingen), dass ihn das nicht schrecken könne: "Das wäre es mir wert!"
So weit wird es nicht kommen: Das Kirchenasyl-Verfahren am Kitzinger Amtsgericht vor Richterin Patricia Finkenberger endete mit einem Freispruch. Im Mittelpunkt hatte der Vorwurf der "Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt ohne erforderlichen Aufenthaltstitel" gestanden. Es war die erste Verhandlung dieser Art gegen einen Ordensangehörigen in Bayern – und sie endete mit einem Paukenschlag. Das Urteil dürfte wegweisende Bedeutung haben.
Der 25-Jährige aus Gaza war über Rumänien eingereist
Die Rollen in dem Verfahren waren klar verteilt: Auf der einen Seite der Staat, der sich nicht bieten lassen will, dass Flüchtlinge, die abgeschoben werden müssten, von der Kirche geschützt werden. In dem konkreten Fall war es um einen 25-Jährigen aus Gaza mit ungeklärter Staatsangehörigkeit gegangen. Er war über Rumänien nach Europa eingereist und hätte dort auch sein Asylverfahren abwarten müssen. Er schlug sich jedoch im Frühjahr 2020 nach Deutschland durch, um hier Asyl zu beantragen.
Der weitere Gang der Dinge wäre gewesen: Der Flüchtling wäre innerhalb von sechs Monaten zurück nach Rumänien abgeschoben worden. Was aber nicht ging, weil er sich während dieser Zeit im Kirchenasyl in Münsterschwarzach befand. Nach den sechs Monaten hat der 25-Jährige nun aber das Recht auf ein Asylverfahren in Deutschland – und genau das passiert im Moment: Er hat das Kirchenasyl in Münsterschwarzach inzwischen verlassen und befindet sich in einer Aufnahmeeinrichtung in Mittelfranken, um dort das reguläre Verfahren zu durchlaufen.
Für die Staatsanwaltschaft ein Unding: Es gebe "eine eindeutige Rechtslage", die von dem Kloster "bewusst umgangen wurde". Bei Kirchenasyl gestehe der Staat zudem ein besonderes Prüfungsverfahren zu, in dem der Härtefall noch einmal genau angeschaut werde. Dies sei hier auch geschehen. Das Ergebnis habe erneut gelautet: kein Verfahren in Deutschland, zurück nach Rumänien. Das habe insbesondere Bruder Abraham als Koordinator der Flüchtlingsarbeit im Kloster verhindert. Die Forderung der Staatsanwaltschaft: eine Geldstrafe über 2400 Euro (60 Tagessätze zu je 40 Euro).
Die Abtei hatte sich 2014 entschieden, in Notfällen zu helfen
Die Verteidigung forderte einen Freispruch. Bruder Abraham, der bürgerlich Armin Sauer heißt, aus dem Landkreis Main-Spessart stammt und dem Orden seit 1997 angehört, erläuterte dem Gericht ausführlich, wie er zum Koordinator für die Flüchtlingsfrage wurde. Die Abtei habe sich 2014 prinzipiell entschieden, in begründeten Notfällen zu helfen und dafür ein Platzangebot geschaffen. Seiher werde regelmäßig Kirchenasyl gewährt. Sich für die Menschen am Rande der Gesellschaft einzusetzen, habe etwas "mit christlichen Werten" zu tun.
Der Orden sei sich vom Abt bis zum Ältestenrat bewusst gewesen, dass die Gewährung von Kirchenasyl für Flüchtlinge für Ärger mit Behörden sorgen würde. Man melde die Daten der Flüchtlinge zwar den Behörden, greifbar seien sie jedoch nicht. Dies sei eine Übereinkunft zwischen Staat und Kirche. Und: Man kümmere ich wirklich nur um "einzelne, wohlbegründete Fälle". Hier gehe es darum, "die Menschenwürde zu erhalten". Diese gebe es in einigen osteuropäischen Staaten wie Rumänien oder Ungarn nicht, betonte der 49-jährige Mönch.
Man lote zudem vorher immer andere Möglichkeiten aus; das Kirchenasyl sei immer nur "der letzte Weg", betonte der Ordensmann. Und sein Verteidiger ergänzte: Am Ende stünden die Gewissensfreiheit und die innere Überzeugung. Und das bedeute: "Der Sinn staatlichen Strafens greift hier nicht."
Gericht: Gewissensfreiheit ist ein schrankenloses Grundrecht
So ähnlich argumentierte am Ende auch das Gericht und stärkte mit dem Freispruch dem Kirchenasyl den Rücken. Der Angeklagte habe zwar die Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt, wie von der Staatsanwaltschaft angeklagt, rechtswidrig begangen. Die Gewissensfreiheit sei jedoch "ein schrankenloses Grundrecht".
Bruder Abraham habe gar nicht anders gekonnt, als seinem Gewissen zu folgen und zu helfen. Es sei "ein Handeln ohne Schuld" gewesen, wofür er letztlich nicht bestraft werden sollte. Die "glaubhafte Berufung auf das Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit" schließe eine Bestrafung in diesem Fall aus.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft könnte gegen das Urteil Berufung oder direkt Revision einlegen.
Der Benediktiner hat Leben gerettet. Der Vergleich mit einem "Ehrenmord", den Sie da ziehen, ist obskur!
Und der Vorwurf der Rechtsbeugung gegen eine Richterin, den Sie äußern, ist schon starker Tobak.
2. Der Mann erreicht Rumänien – EU- Mitgliedsland > SICHER
3. Aus unbekannten Gründen „schlägt sich“ der junge Mann nach Deutschland durch - somit illegaler Aufenthalt, er hätte in Rumänien (EU- Erstland) „Asyl“ beantragen müssen.
4. Lt. Dublin- Abkommen und lt. GG Art. 16a, da er aus einem „sicheren Drittstaat“ (vermutlich mehrere zw. RO und D!) kommt, KEIN Anrecht auf Asyl! Logischerweise Abschiebung nach Rumänien… Eine Härtefallkommission kommt zum selben Ergebnis!
5. Der Mann geriet irgendwie an P. Abraham und der gewährt im „Kirchenasyl“. - Nun ist aber eine Kirche oder ein Kloster kein exterritoriales Hoheitsgebiet, sondern Teil Deutschlands.
6. Die „Gewissensfreiheit“ des Paters hätte spätestens nach dem Härtefall- Verfahren enden müssen – AUCH aufgrund seines GLAUBENS: Matth. 22:21 „Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist…“
Bitte Staatsanwaltschaft dem GG zum Recht verhelfen!
Leider erstaunt es mich nicht, hier in den Kommentaren mal wieder lesen zu müssen, dass Gewissen oft genug "Glückssache" ist.
Klar kann am deutschen Wesen die Welt nicht genesen. Wenn man allerdings nur mal ein bisschen unter die Oberfläche guckt, wird man - wenn man fair sein will - feststellen, dass unser (zu) gutes Leben zu einem ordentlichen Teil davon getragen wird, dass es anderen Leuten schlecht geht. Die Despoten im arabischen Raum z. B. können sich nur deswegen an der Macht halten, weil ihnen unser Durst nach Öl Milliarden in die Kassen spült, mit denen sie Waffen Made in Germany kaufen können (und auch noch geliefert bekommen).
Die dort und (u. a.) damit ausgetragenen Konflikte stellen mMn nicht unbedingt eine Motivation dar, sich in diesen Gefilden aufzuhalten.
Nicht einfach also, die Gemegelage.
Was kann ich denn schon als Einzelner tun? Z. B. es akzeptieren wenn ein anderer Mensch von seinem Gewissen geleitet was tut statt nur zuzugucken.
WELTWEIT LEIDEN RUND 690 MILLIONEN MENSCHEN AN HUNGER.
Mit der katholischen Devise: 'Durch meine Schuld, durch meine übergroße Schuld' wird wenig bewirkt - außer einem chronifiziertem Schuldgefühl.
Und wenn "ein anderer Mensch von seinem Gewissen geleitet was tut" und dabei Anderen ungefragt in deren Tasche greift (und die eigene Kasse schont), dann habe ich für dieses 'edle Tun' zumindest drei Fragezeichen übrig.
wissen Sie eigentlich, dass man - je nachdem - ca. 5 bis 10 kg Pflanzenmasse verfüttern muss, um 1 kg Fleisch zu erhalten? Und Sie mänteln sich auf, auf der Welt gibt es eine Milliarde unterernährte Menschen, und Bruder Abraham greift Ihnen deswegen in die Tasche?
Merken Sie wohl, mit kollektiver katholischer Schuld hat das hier nix zu tun. Aber viel mit dem (ignoranten) Egoismus der Rücksichtslosen. Wieviele Veggie-Tage pro Woche machen eigentlich Sie? Schon mal drüber nachgedacht, wieviel weniger Hunger es wohl auf der Welt gäbe, wenn das Essen nicht so ungleich verteilt wäre? Eher nicht, oder?
Ich glaube sehr (darf ich sicher auch als Ketzer), wir alle hier können verd... froh sein, wenn uns nicht eines Tages unsere eigene Selbstgerechtigkeit gnadenlos ein- und vom ach so hohen Ross runterholt.
Und ohne Lösungsansätze vor Ort (auch Geburtenkontrolle und hier ist der katholische Ansatz sehr kontraproduktiv, um nicht zu sagen sehr verantwortungslos) ist kein Land in Sicht.
Bruder Abraham greift natürlich nicht mir persönlich in die Tasche. Er greift in die Kasse eines Staatssystems, dessen Regeln er missachtet (siehe auch oben).
Im Übrigen herzlichen Glückwunsch, zu Ihren angemaßten hellseherischen Fähigkeiten hinsichtlich meiner Ernährungsgewohnheiten. Ich bin normalgewichtig und zurückhaltend beim Fleischkonsum. Mein geringer Fleischkonsum liegt allerdings vielleicht auch in meinem ignoranten Egoismus begründet (und nicht in Welterlösungsphantasien / Weltrettungs-Größenwahn): Zahlreiche Krankheitsbilder werden durch hohen Fleischkonsum mitverursacht oder verschlimmert. Auch Darmkrebs u. Herzkrankheiten.
Leider haben Sie vollkommen recht mit dem, was Sie schreiben.
Oft genug habe ich schon zu hören bekommen: wenn andere Menschen nur genauso arbeitsam und fleissig wären, wie wir, die guten Deutschen, dann würde es diesen Menschen ebenso gut gehen.
Und immer wird ausgeblendet und geleugnet, dass unser fetter, überheblicher Lebensstil das Elend in anderen Weltregionen tatsächlich erst erschafft.
Uns was hier so alles zu lesen ist, Gesetz ist Gesetz, und ähnliches, das macht mir echt Bauchschmerzen.
Selbstverständlich ist Überzeugung und Gewissen ein äußerst hohes Gut, auch wenn solche aufrechten Haltungen immer seltener werden.
Von daher ist dieses Urteil sehr weise und nicht von blinden Buchstabengehorsam geleitet.
Wenn das Recht auf Gewissensentscheidung nicht mehr gegeben ist, dann ist der Weg zu einem totalitären Staat nicht mehr weit.
Die Nachfolger Hitlers und Stalins haben ein leichtes Spiel den Rechtsstaat abzuschaffen
Wenn eine Minderheit (sei sie christlich oder islamisch oder sonstwas) ) glaubt sich der allgemein verbindlichen Rechtsordnung aufgrund ihre vermeintlich "höheren Moral" widersetzten zu können, führt das zum Ende des Rechtsstaates.
Das ist ja schön und gut. Aber ist er auch Manns genug für die Folgekosten seiner ‚Gewissensentscheidung’ einzutreten???
Ich habe den Verdacht, die Folgekosten werden einem Staatssystem aufgebürdet, dessen Regeln Bruder Abraham missachtet. Das nenne ich nötigend und schein-heilig. Denn mit einer Haftungsbürgschaft halten sich Bruder Abraham, seine Klostergemeinschaft und die katholische Kirche vermutlich sehr zurück.
Ein ‚gutes Gewissen’ auf Kosten Dritter. Das hat für mich mehr als nur ein ‚Gschmäckle’.
Bravo Bruder Abraham👍
Es gibt doch noch glaubhafte Kirchenmänner, und Kirchenfrauen.
..., und zur Beruhigung des eigenen christlichen Gewissens, am Wahlsonntag, die Partei mit dem "C" gewählt. Gell?!