Übrig sind nur kahle, graue Gerippe. Die Rinde vieler Buchen ist aufgeplatzt, voller fleckigem Schleimfluss. Das Holz ist so gut wie nichts mehr wert. Die einst als klimastabil geltende heimische Baumart stirbt auf der fränkischen Trockenplatte. Wie sich das hautnah anfühlt, erfuhr der CSU-Bezirksvorstand Unterfranken bei einer Waldbegehung im Landkreis Würzburg zwischen Gramschatz und Güntersleben. Eingeladen hatte Staatssekretär Gerhard Eck gemeinsam mit Olaf Schmidt, dem Präsidenten der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft aus Freising.
Gekommen waren nicht nur CSU-Politiker, sondern auch viele Förster und Waldexperten. Die anfangs unbeschwerte Stimmung wich beim Anblick der toten Bäume großer Betroffenheit. Elfi Raunecker, Bereichsleiterin Forsten am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Würzburg erklärt das Baumsterben in Unterfranken anhand von Zahlen:
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An der Würzburger Waldklimastation, dem wärmsten und trockensten Standort aller 19 bayerischen Messstellen, hat sich die Durchschnittstemperatur in der Vegetationszeit (Mai bis September) innerhalb von 80 Jahren um 1,5 Grad erhöht. Gleichzeitig ist die Niederschlagsmenge um zehn Prozent gesunken. Einschneidende Trockenjahre wie 2003, 2008, 2015, 2018 und 2019 führen dazu, dass der Boden nicht mehr genügend Wasser bekommt, die Bäume kaum noch Reservestoffe bilden und im Frühjahr nicht mehr austreiben.
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Die Folge: Allein in Unterfranken fielen im ersten Halbjahr 2019 mehr als 540 000 Festmeter Schadholz an, das sind 14 Prozent der gesamten bayerischen Schäden. Und dafür ist nicht nur der Borkenkäfer an der Fichte verantwortlich. In Unterfranken beträgt der Anteil der Trockenschäden am Schadholz 35 Prozent. Zum Vergleich: In ganz Bayern sind es 16 Prozent. Was Elfi Raunecker "am meisten erschüttert": Verglichen mit der geringen Größe der Waldfläche, ist der Anteil im Landkreis Würzburg mit fast 80 Prozent am höchsten.
Die Forstexpertin deutet auf das tote Gerippe einer 140-jährigen Buche. Der Baum hätte doppelt so alt werden können. Heuer ist er vertrocknet, verdurstet, verbrannt. Weil er am Rand steht, muss er raus aus dem Wald. Sonst könnten herunter krachende Äste Menschen gefährden. Andere abgestorbene Bäume lassen die Förster stehen, als Biotope für Vögel und Insekten.
"So eine Entwicklung haben selbst hundertjährige Bäume noch nie mitgemacht. Deshalb ist es keine Lösung, den Wald einfach still zu legen nach dem Motto, die Natur hilft sich schon selbst", sagt Olaf Schmidt, Präsident der Bayerischen Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft. Diesen Satz hören die CSU-Vertreter gerne. Andere Sätze wiederum nicht.
"Wir müssen den Wald umbauen, dafür brauchen wir Zeit, Fachpersonal und Geld. Sonst müssen wir uns auf der fränkischen Platte von ganzen Wäldern verabschieden", sagt Hubert Feuchter, Bezirksvorsitzender Unterfranken vom Bund Deutscher Forstleute (BDF) aus dem Raum Schweinfurt. Heuer sehe er auf 35 Prozent seiner 2000 Hektar großen Waldfläche schwächelnde Buchen. "Wir haben keine Zeit mehr. Unterfranken ist der absolute Hotspot!"
Das Problem: Derzeit gibt es keine Baumart ohne Probleme. Am anfälligsten ist die Fichte. Doch in Zeiten stetig steigender Temperaturen hat beinahe jede Art ihren eigenen Gegenspieler - von Käfern, Pilzen und Bakterien bis hin zu Trockenstress oder mangelnder Hitzeresistenz. Mediterrane Arten wiederum kommen mit den heimischen Frösten nicht zurecht.
"Wir erleben jetzt knallhart eine Entwicklung, die Fachleute früher niemals für möglich gehalten hätten", sagt Gunther Hahner, der mehr als 20 Jahre lang Vorsitzender der Förster in Bayern war. Er ist sich sicher, dass das Nadelholz, das einst um das Jahr 1850 nach Unterfranken kam, im Zuge der Klimaerwärmung wieder verschwinden werde. In der Tat liegt der Anteil der Fichten im Landkreis Würzburg gerade noch bei einem Prozent. In ganz Unterfranken sind es 20, in ganz Bayern 48 Prozent.
In Unterfranken sei die schwarze Null bei der Bewirtschaftung des Staatswaldes nicht mehr zu erreichen. Die Rahmenbedingungen hätten sich elementar verändert. "Von Gewinnen redet überhaupt niemand mehr. Die Philosophie der großen Forstreform hat sich im Klimawandel aufgelöst. Jetzt geht es nur noch um Walderhaltung." Hahner fordert Investitionen und Programme, die kurz,- und langfristig greifen.
"Wir müssen pflanzen, pflanzen, pflanzen!" bestätigt Elfi Raunecker. Doch was, wenn die erwarteten Niederschläge ausbleiben, der Boden hart wie Beton ist? Ob ein Baum es schafft, gleiche mittlerweile einem Roulette-Spiel. Und in den Glücksfällen, in denen sich Klimakünstler wie Mehlbeere, Speierling, Elsbeere oder Walnuss selbst ansamen, würden sie vielerorts vom Rehwild abgefressen. "Wir brauchen die Unterstützung der Jäger. Sie Jägersmann, ich Forstfrau. Wir wissen, dass wir es nur gemeinsam schaffen!", zwinkert Elfi Raunecker dem CSU-Bezirksvorsitzenden Gerhard Eck zu.
Er stutzt. Dann gibt er ihr Recht. Ohne Respekt voreinander und viel Aufklärungsarbeit werde man es nicht schaffen. "Wir müssen die Gesellschaft mit ins Boot holen. Wir müssen Unterfranken anders als andere Teile Bayerns betrachten. Wir brauchen den Wald für das Klima."
Er wolle nicht auf Fehler der Vergangenheit zurückschauen, sondern nach vorne. Der CSU diene das Treffen mit den Forstleuten dazu, anhand von Fachwissen politische Lösungen zu erarbeiten. CSU-Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber versprach zumindest ein konkretes Ziel: "Wir wollen die Waldaufforstung massiv vorantreiben."
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